Was mögen Sie, mein theuerster Herr Rath, von mir denken! Ihren lieben Brief vom May erhielt ich zwar um vieles später; aber mein Vorsatz, Ihnen meinen Dank für Ihr geneigtes freundschaftliches Wohlwollen [auszusprechen] ist doch auch seitdem gar zulang ohne Erfüllung geblieben. Daß es nicht an meinem Wollen lag, können Sie wohl versichert seyn. Eines Theils trugen Sie selbst bey: einigemale wollte ich den Beschluß ausführen, aber doch vorher einigen Genuß von Ihrem Shakespear haben; von dem ich so gern selbst eine Anzeige in unsern Gelehrten Anzeigen verfertiget hätte; aber ich fühlte mich unvermögend dazu. Laß also weiter und versäumte die gegebne Stunde da ich hätte schreiben können. Gern hätte ich einen Recensenten, welcher Meister im Fache ist; aber diesen weiß ich nicht hier zu finden. [2] Könnten Sie mir dazu Anweisung geben, sollte es mir sehr lieb seyn. Warum haben Sie nicht selbst Göttingen zu Ihrem Secessus, und für Ihr otium litterarium bestimmt! Wäre dieß nicht, so müßten Sie mit einer bloßen Anzeige zufrieden seyn. Auch hierüber müßte ich erst Ihre Einwilligung haben. – Für Ihres Herrn Bruders Werk habe ich eine Anzeige endlich bewirkt; er wird wenigstens sehen, an gutem geneigtem Willen fehlt es uns hier nicht. Man muß aber nur bedenken, Recensionswesen ist hier kein Fabrikengeschäfte, das sich mit Nachdruck und pünktlich betreiben ließ; es sind Arbeiter, welche man bloß bittweise angehen kan, und die Anzeigen haben ihre bestimmten Grenzen. Viele Empfehlungen an Ihren Herrn Bruder und Frau Gemalin; so wie auch von meinem Hauße.
Unausgesetzt beharre ich
Ihr ergebenster Freund und Diener
Heyne