• Abraham Voß , Heinrich Voß to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Lahr/Schwarzwald · Place of Destination: Coppet · Date: 12.04.1810
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Abraham Voß, Heinrich Voß
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Lahr/Schwarzwald
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 12.04.1810
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 251‒253.
  • Incipit: „[1] [Lahr] 12 April 1810
    Hier sende ich Ihnen, verehrter Freund, den versprochenen Macbeth von mir und Cymbelin von meinem Bruder, mit [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-36910
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.27,Nr.57
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,6 x 12 cm
    Language
  • German
[1] [Lahr] 12 April 1810
Hier sende ich Ihnen, verehrter Freund, den versprochenen Macbeth von mir und Cymbelin von meinem Bruder, mit der Bitte, daß Sie diese Stücke eben so freundlich aufnehmen mögen, wie vor 3 Jahren Lear und Othello. Gewiß werden Sie die geübtere Hand nicht verkennen, und dem angestrengtesten Fleiße Gerechtigkeit widerfahren lassen. Seines Fleißes darf sich jeder rühmen. Wenn nur der Fleiß den Abgang am Talente vergüten könnte! Aber von dieser Gottesgabe haben Sie ein viel reicheres Maß empfangen, und wir werden nie die Ansprüche machen, daß wir Sie, den unerreichbaren Shakspearübersezer erreicht hätten. Jeder thue nach seinen Kräften, und wir haben die Überzeugung, daß wir Ihnen zu Ihrer künftigen Macbeth und Cymbelinübersetzung viel brauchbares geliefert und so die Arbeit erleichtert haben. – Nun bitte ich Sie auf das allerdringendste, schreiben Sie eine Recension unserer Übersetzungen für die J.[enaer] A.[llgemeine] L.[iteratur] Z.[eitung.] Sein Sie so strenge, wie Sie wollen. Je mehr Shakspeare dadurch gewinnt, je willkommener wird mir der strenge Tadel sein – denn daß Shakspeare mir am Herzen [2] liegt, mir manche schlaflose Nacht gekostet, daß wir überhaupt diese Übersezung nicht mit thörichter Selbstgenügsamkeit wie Carl Julius Schütz, sondern mit glühender Begeisterung unternommen haben – davon wird wenigstens hin und wieder eine Spur zu finden sein. – Auch wenn ich wollte, so könnte ich mich vom Shakspeare nicht wegwenden, und das verspreche ich Ihnen, wie ich es in meinem Herzen gelobt habe, daß auch die folgenden Stücke, welche ich zu liefern gedenke, mit aller Anstrengung sollen gearbeitet werden.
Ihren Richard 3 und Heinrich 8 wird uns wohl die Messe bringen, und ich freue mich darauf. Schicken Sie mir recht bald das versprochene Exemplar, damit ich sogleich an die mir längst aufgetragene Recension gehen kann. Ich werde dann die 8 frühern Bände zugleich mit beurtheilen. Auf die Behandlung des Rhythmus und Metrums werde ich besondre Rücksicht nehmen. Der Shakspearische Fünffüßler ist den Regeln, die mein Vater in der Bürgerschen Recension aufgestellt hat, durchaus nicht unterworfen. Diese Regeln auf Shakspeare angewandt würden den Britten zu prächtig und zu todt machen. Auch muß in diesem modernen Verse schlechterdings das Prinzip der Accentuation und nicht der Quantität gelten. Ich habe dies vor 4 [3] Jahren so genau nicht gewußt, daher die viele unzeitige Pracht des Rhythmus im Lear und Othello. Den Milton würde ich nach meines Vaters Grundsäzen nachbilden, beim Shakspeare bleib ich Ihnen getreu.
Daß ich Schillern, Eschenburgern, Wagnern und Bürgern manchen Ausdruck abgeborgt, werden Sie wenigstens kein Plagiat nennen. Gar leicht hätte ich all diese Verse anders machen können; aber ich wollte lieber hie und da den Ruhm der Originalität preis geben, als den richtigen Ausdruck – und mir ist es völlig gleich, wer das Gute aufgefunden, wenn es nur da ist. „Sie haben sehr unrecht“, schrieb mir ein Freund, „daß Sie Bürgers Lodre, brodle pp aufgenommen, Ihre Übersezung sollte an keine frühere erinnern.“ Was soll man dazu sagen? Viele denken so. Knebeln konnte ich nicht dahin bringen, in seinem Lukrez das Wörtchen rieselnde mit „thauende“ zu vertauschen. Daß es der einzig richtige Ausdruck sei, gab er zu, „aber Conz habe ihn.“
Ich denke, ein Werk über die Tragiker zu schreiben, wie Ahlwardt eins über Theokrit gegeben hat, Erläuterungen misverstandener Stellen, Vertheidigung durch Emendation angefochtner Stellen. Zu einem durchgehenden Commentar fehlt mir der Muth. Einiges, das hineinkommen soll, werden Sie in meiner Recension des Bothischen Sophokles, und der Ausgabe von Erfurdt finden in J. A. L. Z. Bothe ist ein verwünschter [4] Kerl, hat aber ein schönes Talent. „Heiliger Gott, wie würde er wüthen, wenn er zwei Beine hätte“ heißt es im Göz von Berlichingen.
Diesen Brief habe ich in einem Wirtshofe zu Lahr im Breisgau geschrieben, von vielen Gästen umringt, deren dumpfes Geschnatter mich mehr stört als fördert. Noch 15 soll ich heut schreiben; denn von Cotta erhalt ich so eben einen Brief, daß in der Osterwoche, alle Briefe, die mit Exemplaren versendet werden sollen, bei ihm sein müssen. Verzeihen Sie daher die Flüchtigkeit.
Ihre ergebenen
Heinrich Voß
und
Abraham Voß
[1] [Lahr] 12 April 1810
Hier sende ich Ihnen, verehrter Freund, den versprochenen Macbeth von mir und Cymbelin von meinem Bruder, mit der Bitte, daß Sie diese Stücke eben so freundlich aufnehmen mögen, wie vor 3 Jahren Lear und Othello. Gewiß werden Sie die geübtere Hand nicht verkennen, und dem angestrengtesten Fleiße Gerechtigkeit widerfahren lassen. Seines Fleißes darf sich jeder rühmen. Wenn nur der Fleiß den Abgang am Talente vergüten könnte! Aber von dieser Gottesgabe haben Sie ein viel reicheres Maß empfangen, und wir werden nie die Ansprüche machen, daß wir Sie, den unerreichbaren Shakspearübersezer erreicht hätten. Jeder thue nach seinen Kräften, und wir haben die Überzeugung, daß wir Ihnen zu Ihrer künftigen Macbeth und Cymbelinübersetzung viel brauchbares geliefert und so die Arbeit erleichtert haben. – Nun bitte ich Sie auf das allerdringendste, schreiben Sie eine Recension unserer Übersetzungen für die J.[enaer] A.[llgemeine] L.[iteratur] Z.[eitung.] Sein Sie so strenge, wie Sie wollen. Je mehr Shakspeare dadurch gewinnt, je willkommener wird mir der strenge Tadel sein – denn daß Shakspeare mir am Herzen [2] liegt, mir manche schlaflose Nacht gekostet, daß wir überhaupt diese Übersezung nicht mit thörichter Selbstgenügsamkeit wie Carl Julius Schütz, sondern mit glühender Begeisterung unternommen haben – davon wird wenigstens hin und wieder eine Spur zu finden sein. – Auch wenn ich wollte, so könnte ich mich vom Shakspeare nicht wegwenden, und das verspreche ich Ihnen, wie ich es in meinem Herzen gelobt habe, daß auch die folgenden Stücke, welche ich zu liefern gedenke, mit aller Anstrengung sollen gearbeitet werden.
Ihren Richard 3 und Heinrich 8 wird uns wohl die Messe bringen, und ich freue mich darauf. Schicken Sie mir recht bald das versprochene Exemplar, damit ich sogleich an die mir längst aufgetragene Recension gehen kann. Ich werde dann die 8 frühern Bände zugleich mit beurtheilen. Auf die Behandlung des Rhythmus und Metrums werde ich besondre Rücksicht nehmen. Der Shakspearische Fünffüßler ist den Regeln, die mein Vater in der Bürgerschen Recension aufgestellt hat, durchaus nicht unterworfen. Diese Regeln auf Shakspeare angewandt würden den Britten zu prächtig und zu todt machen. Auch muß in diesem modernen Verse schlechterdings das Prinzip der Accentuation und nicht der Quantität gelten. Ich habe dies vor 4 [3] Jahren so genau nicht gewußt, daher die viele unzeitige Pracht des Rhythmus im Lear und Othello. Den Milton würde ich nach meines Vaters Grundsäzen nachbilden, beim Shakspeare bleib ich Ihnen getreu.
Daß ich Schillern, Eschenburgern, Wagnern und Bürgern manchen Ausdruck abgeborgt, werden Sie wenigstens kein Plagiat nennen. Gar leicht hätte ich all diese Verse anders machen können; aber ich wollte lieber hie und da den Ruhm der Originalität preis geben, als den richtigen Ausdruck – und mir ist es völlig gleich, wer das Gute aufgefunden, wenn es nur da ist. „Sie haben sehr unrecht“, schrieb mir ein Freund, „daß Sie Bürgers Lodre, brodle pp aufgenommen, Ihre Übersezung sollte an keine frühere erinnern.“ Was soll man dazu sagen? Viele denken so. Knebeln konnte ich nicht dahin bringen, in seinem Lukrez das Wörtchen rieselnde mit „thauende“ zu vertauschen. Daß es der einzig richtige Ausdruck sei, gab er zu, „aber Conz habe ihn.“
Ich denke, ein Werk über die Tragiker zu schreiben, wie Ahlwardt eins über Theokrit gegeben hat, Erläuterungen misverstandener Stellen, Vertheidigung durch Emendation angefochtner Stellen. Zu einem durchgehenden Commentar fehlt mir der Muth. Einiges, das hineinkommen soll, werden Sie in meiner Recension des Bothischen Sophokles, und der Ausgabe von Erfurdt finden in J. A. L. Z. Bothe ist ein verwünschter [4] Kerl, hat aber ein schönes Talent. „Heiliger Gott, wie würde er wüthen, wenn er zwei Beine hätte“ heißt es im Göz von Berlichingen.
Diesen Brief habe ich in einem Wirtshofe zu Lahr im Breisgau geschrieben, von vielen Gästen umringt, deren dumpfes Geschnatter mich mehr stört als fördert. Noch 15 soll ich heut schreiben; denn von Cotta erhalt ich so eben einen Brief, daß in der Osterwoche, alle Briefe, die mit Exemplaren versendet werden sollen, bei ihm sein müssen. Verzeihen Sie daher die Flüchtigkeit.
Ihre ergebenen
Heinrich Voß
und
Abraham Voß
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