• August Wilhelm von Schlegel to Franz Bopp

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Mommenheim · Date: 05.03.1820
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Franz Bopp
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Mommenheim
  • Date: 05.03.1820
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 362642923
  • Bibliography: Lefmann, S.: Franz Bopp, sein Leben und seine Wissenschaft. Erste Hälfte. Berlin 1891, S. 85‒87.
  • Incipit: „Bonn d. 5ten März 20.
    Schon längst habe ich Ihnen, mein theuerster Herr und Freund, schreiben wollen, um Ihnen zur Herausgabe Ihres [...]“
    Language
  • German
  • Latin
  • Sanskrit
Bonn d. 5ten März 20.
Schon längst habe ich Ihnen, mein theuerster Herr und Freund, schreiben wollen, um Ihnen zur Herausgabe Ihres Nalus Glück zu wünschen, und Ihnen an meinem Theil für diese Förderung der Brahmanischen Studien den herzlichsten Dank zu sagen. Die Richtigkeit des Textes ist musterhaft, und ich darf sagen beyspiellos: ich habe alles zwey bis dreymal gelesen, und kaum drey bis vier Druckfehler entdeckt. Die Wahl ist vortrefflich: diese Episode macht ein Ganzes aus; die Geschichte ist unendlich interessant; die Darstellung ist zugleich erhaben und allgemein faßlich, und alles, Sitten, Leidenschaft, Verwickelung, und das mäßig eingemischte Wunderbare, ist geeignet den vortheilhaftesten Begriff von der Indischen Poesie zu geben.
Das Buch ist weit angemeßner für den ersten Unterricht als der Hitopadesa, den man ja ohnehin, wie ich höre, nicht mehr haben kann, u. es bedarf nun weiter keiner Chrestomathie. Auch haben Sie durch Vergleichung der Handschriften, durch die wörtliche lateinische Uebersetzung und die Anmerkungen gerade das geleistet, was ich von einem wahrhaft philologischen Herausgeber neulich foderte, in einem Aufsatze über den gegenwärtigen Zustand der Indischen Philologie, den Sie französisch, freylich fehlerhaft übersetzt, in der Genfer Bibliothèque Universelle finden werden. Ich benutze meine nächste Muße, um das Buch nach Verdienst anzuzeigen, ich denke in den Wiener Jahrbüchern.
Die einzige Seite Ihrer Arbeit, die ich nicht unbedingt loben kann, ist die Lateinische. Ich will darauf keinen sonderlichen Nachdruck legen, daß die Uebersetzung häufig in classischerem Latein und doch wörtlicher hätte abgefaßt werden können. Bey den zusammengesetzten Beywörtern wäre der Sprachgebrauch der älteren Lateinischen Dichter, z. B. incurvicervicum pecus, zu benutzen gewesen. Scaliger hat davon in seiner Uebersetzung der Orphischen Hymnen ein schönes Beispiel gegeben, und neuerdings Hermann bey Uebertragung der mythologischen Namen aus dem Griechischen, wiewohl seine Deutungen oft nicht zu billigen sind. Ein wesentlicher Mangel scheint es mir aber, daß Ihre Uebersetzung für den, welcher das Original nicht vergleichen kann, in vielen Stellen ganz unverständlich bleiben muß. Auch sind Ihnen eigentlich grammatische Fehler entschlüpft, selbst in den Noten, wo Sie durch nichts gebunden waren. ZB p. 211 steht interpretantur als Passivum, p. 216 ebenfalls. Ebenso p. 205 usitatur. p. 179. mirissimum: unerhört! Doch dieß sind Einzelheiten; weit wichtiger ist es, daß die Ausdrücke u. Wendungen dem Geiste ächter Latinität im ganzen nicht gemäß sind. Befragen Sie darüber einen Kenner, wenn Sie meinem Urtheile nicht trauen. Ich habe jetzt vor, auch etwas Lateinisches drucken zu lassen, aber ich lege mein Manuscript mehreren philologischen Freunden zur Prüfung vor, um meiner Sache gewiß zu seyn, u. dieß rathe ich Ihnen auch für die Zukunft. Verzeihen Sie meine Offenherzigkeit der freundschaftlichen Gesinnung.
Was mir unser gemeinschaftlicher verehrter Freund von Ihren Arbeiten und ferneren Unternehmungen aus Ihren Briefen mitgetheilt, hat mir lebhafte Freude gemacht. Wenn Sie nach Deutschland zurückkommen, so wollen wir, denke ich, einander in die Hände arbeiten.
Erlauben Sie mir, Ihnen einige Fragen vorzulegen, und Sie um Nachrichten von den neuesten Erscheinungen im Fache der Indischen Litteratur zu bitten.
Ich sehe, Sie haben das Wörterbuch von Wilson noch nicht gehabt? Ist gar keine Hoffnung da, daß dieß lange angekündigte Werk endlich erscheinen wird?
Wäre es Ihnen nicht möglich, mir das Wurzel-Lexicon von Wilkins zu verschaffen? Hat es in der That Vorzüge vor dem Careyschen? – Ist Wilkins wirklich stark in der Auslegung schwieriger Texte? Sie haben natürlich seine Uebersetzung des Bhagavad-Gita loben müssen, von der wir doch wissen, wie es damit beschaffen ist. Seine Uebersetzung des Hitopadesa ist ein einziges großes Mißverständniß, u. noch in seiner Grammatik hat er hier und da ganz einfache Zeilen falsch gedeutet. – Wilkins hat sich gegen mich sehr grob betragen; ich habe ihm zweymal geschrieben, ein Mitglied des Parlaments hat die Briefe an ihn gefördert u. er hat mit keiner Sylbe geantwortet. – Ist von Colebrooke noch etwas zu erwarten?
Mir fehlen noch folgende Originale: die Gesetze des ManuBhagavad-GitaGita Govinda. Wenn Sie Gelegenheit haben, diese Bücher zu kaufen, beym Buchhändler, in Auctionen oder sonst aus der Hand, so werde ich Ihnen unendlich verbunden sein, und Sorge tragen, die Auslage schleunigst zu erstatten. Auch den Kirat-Arjuniya habe ich noch nicht. Mit diesen Ausnahmen ist meine Sammlung der in Devanagari gedruckten Texte ziemlich vollständig.
Sie sind glücklicher als ich, mein Freund, Sie können Ihre ganze Muße auf dieses Eine Studium verwenden. Mir bleiben bey meinem Akademischen Lehramt nur Nebenstunden dazu übrig. lch hatte eine Dissertation angekündigt: De usu linguae Brachmanum sacrae in caussis linguae Latinae et Graecae indagandis, als Probe eines größeren Werkes. Ich werde aber wohl gleich zur Ausführung dieses letzteren schreiten, welches heißen soll Etymologicum novum s. Synopsis linguarum, Indicae, Graecae, Latinae, Etruscae, Gothicae, Anglosaxonicae, Francicae, Alemmanicae. Aber dieß werde ich freylich durchaus nicht anders drucken als mit Indischen Typen.
Leben Sie recht wohl, lassen Sie mich bald erfreuliche Nachrichten hören, bewahren Sie mir Ihre freundschaftlichen Gesinnungen, und seyn Sie der meinigen gewiß.
Ganz der Ihrige
A. W. von Schlegel.
Bonn d. 5ten März 20.
Schon längst habe ich Ihnen, mein theuerster Herr und Freund, schreiben wollen, um Ihnen zur Herausgabe Ihres Nalus Glück zu wünschen, und Ihnen an meinem Theil für diese Förderung der Brahmanischen Studien den herzlichsten Dank zu sagen. Die Richtigkeit des Textes ist musterhaft, und ich darf sagen beyspiellos: ich habe alles zwey bis dreymal gelesen, und kaum drey bis vier Druckfehler entdeckt. Die Wahl ist vortrefflich: diese Episode macht ein Ganzes aus; die Geschichte ist unendlich interessant; die Darstellung ist zugleich erhaben und allgemein faßlich, und alles, Sitten, Leidenschaft, Verwickelung, und das mäßig eingemischte Wunderbare, ist geeignet den vortheilhaftesten Begriff von der Indischen Poesie zu geben.
Das Buch ist weit angemeßner für den ersten Unterricht als der Hitopadesa, den man ja ohnehin, wie ich höre, nicht mehr haben kann, u. es bedarf nun weiter keiner Chrestomathie. Auch haben Sie durch Vergleichung der Handschriften, durch die wörtliche lateinische Uebersetzung und die Anmerkungen gerade das geleistet, was ich von einem wahrhaft philologischen Herausgeber neulich foderte, in einem Aufsatze über den gegenwärtigen Zustand der Indischen Philologie, den Sie französisch, freylich fehlerhaft übersetzt, in der Genfer Bibliothèque Universelle finden werden. Ich benutze meine nächste Muße, um das Buch nach Verdienst anzuzeigen, ich denke in den Wiener Jahrbüchern.
Die einzige Seite Ihrer Arbeit, die ich nicht unbedingt loben kann, ist die Lateinische. Ich will darauf keinen sonderlichen Nachdruck legen, daß die Uebersetzung häufig in classischerem Latein und doch wörtlicher hätte abgefaßt werden können. Bey den zusammengesetzten Beywörtern wäre der Sprachgebrauch der älteren Lateinischen Dichter, z. B. incurvicervicum pecus, zu benutzen gewesen. Scaliger hat davon in seiner Uebersetzung der Orphischen Hymnen ein schönes Beispiel gegeben, und neuerdings Hermann bey Uebertragung der mythologischen Namen aus dem Griechischen, wiewohl seine Deutungen oft nicht zu billigen sind. Ein wesentlicher Mangel scheint es mir aber, daß Ihre Uebersetzung für den, welcher das Original nicht vergleichen kann, in vielen Stellen ganz unverständlich bleiben muß. Auch sind Ihnen eigentlich grammatische Fehler entschlüpft, selbst in den Noten, wo Sie durch nichts gebunden waren. ZB p. 211 steht interpretantur als Passivum, p. 216 ebenfalls. Ebenso p. 205 usitatur. p. 179. mirissimum: unerhört! Doch dieß sind Einzelheiten; weit wichtiger ist es, daß die Ausdrücke u. Wendungen dem Geiste ächter Latinität im ganzen nicht gemäß sind. Befragen Sie darüber einen Kenner, wenn Sie meinem Urtheile nicht trauen. Ich habe jetzt vor, auch etwas Lateinisches drucken zu lassen, aber ich lege mein Manuscript mehreren philologischen Freunden zur Prüfung vor, um meiner Sache gewiß zu seyn, u. dieß rathe ich Ihnen auch für die Zukunft. Verzeihen Sie meine Offenherzigkeit der freundschaftlichen Gesinnung.
Was mir unser gemeinschaftlicher verehrter Freund von Ihren Arbeiten und ferneren Unternehmungen aus Ihren Briefen mitgetheilt, hat mir lebhafte Freude gemacht. Wenn Sie nach Deutschland zurückkommen, so wollen wir, denke ich, einander in die Hände arbeiten.
Erlauben Sie mir, Ihnen einige Fragen vorzulegen, und Sie um Nachrichten von den neuesten Erscheinungen im Fache der Indischen Litteratur zu bitten.
Ich sehe, Sie haben das Wörterbuch von Wilson noch nicht gehabt? Ist gar keine Hoffnung da, daß dieß lange angekündigte Werk endlich erscheinen wird?
Wäre es Ihnen nicht möglich, mir das Wurzel-Lexicon von Wilkins zu verschaffen? Hat es in der That Vorzüge vor dem Careyschen? – Ist Wilkins wirklich stark in der Auslegung schwieriger Texte? Sie haben natürlich seine Uebersetzung des Bhagavad-Gita loben müssen, von der wir doch wissen, wie es damit beschaffen ist. Seine Uebersetzung des Hitopadesa ist ein einziges großes Mißverständniß, u. noch in seiner Grammatik hat er hier und da ganz einfache Zeilen falsch gedeutet. – Wilkins hat sich gegen mich sehr grob betragen; ich habe ihm zweymal geschrieben, ein Mitglied des Parlaments hat die Briefe an ihn gefördert u. er hat mit keiner Sylbe geantwortet. – Ist von Colebrooke noch etwas zu erwarten?
Mir fehlen noch folgende Originale: die Gesetze des ManuBhagavad-GitaGita Govinda. Wenn Sie Gelegenheit haben, diese Bücher zu kaufen, beym Buchhändler, in Auctionen oder sonst aus der Hand, so werde ich Ihnen unendlich verbunden sein, und Sorge tragen, die Auslage schleunigst zu erstatten. Auch den Kirat-Arjuniya habe ich noch nicht. Mit diesen Ausnahmen ist meine Sammlung der in Devanagari gedruckten Texte ziemlich vollständig.
Sie sind glücklicher als ich, mein Freund, Sie können Ihre ganze Muße auf dieses Eine Studium verwenden. Mir bleiben bey meinem Akademischen Lehramt nur Nebenstunden dazu übrig. lch hatte eine Dissertation angekündigt: De usu linguae Brachmanum sacrae in caussis linguae Latinae et Graecae indagandis, als Probe eines größeren Werkes. Ich werde aber wohl gleich zur Ausführung dieses letzteren schreiten, welches heißen soll Etymologicum novum s. Synopsis linguarum, Indicae, Graecae, Latinae, Etruscae, Gothicae, Anglosaxonicae, Francicae, Alemmanicae. Aber dieß werde ich freylich durchaus nicht anders drucken als mit Indischen Typen.
Leben Sie recht wohl, lassen Sie mich bald erfreuliche Nachrichten hören, bewahren Sie mir Ihre freundschaftlichen Gesinnungen, und seyn Sie der meinigen gewiß.
Ganz der Ihrige
A. W. von Schlegel.
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