• August Wilhelm von Schlegel to Friedrich Schiller

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Jena · Date: 28.07.1797
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Friedrich Schiller
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Jena
  • Date: 28.07.1797
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Friedrich Schiller ‒ August Wilhelm Schlegel. Der Briefwechsel. Hg. v. Norbert Oellers. Köln 2005, S. 104‒108.
  • Incipit: „[1] Jena d. 28 Jul 97 [Freitag]
    Es war mir sehr erfreulich von Göthen im Allgemeinen zu erfahren, daß mein Prometheus Ihren [...]“
    Manuscript
  • Provider: Weimar, Klassik Stiftung Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv
  • Classification Number: GSA 83/428
    Language
  • German
  • Latin
[1] Jena d. 28 Jul 97 [Freitag]
Es war mir sehr erfreulich von Göthen im Allgemeinen zu erfahren, daß mein Prometheus Ihren Beyfall erlangt habe, und es jetzt von Ihnen näher bestätigt zu lesen, ist mir doppelt werth. Auch sage ich Ihnen meinen herzlichsten Dank für die Mittheilung der Kritiken. Ich fühle das ganze Gewicht derselben, und wünschte nur, ihnen auf eine befriedigende Weise abhelfen zu können. Allein manche dieser Einwürfe schwebten mir schon bey der Anlage vor, und doch mußte ich zufrieden seyn im Gedränge der Schwierigkeiten bey dieser Behandlung der Fabel, die mir doch in mancher Rücksicht so wichtig war, die Auskunft zu treffen, die mir die leidlichste schien.
Daß das Sinnliche und Symbolische bey dem Feuerraube auf die bedenklichste Art zusammenstößt, ist sehr wahr. Doch mußte Prometheus das Sonnenfeuer heimlich entwenden: er konnte es also nicht von dem umstrahlten Haupte des Helios nehmen; eine Fackel zu dichten, die dem Sonnengotte wohl nie eigentlich, sondern nur in solchen unbestimmteren Redensarten: Phoebea lustrabat lampade terras u.s.w. zugeschrieben wird, schien mir eine zu starke Abweichung vom Alten Kostum; noch weniger wäre ein ruhender Sonnenball antik gewesen. Auf der andern Seite durfte ich die Handlung des Feuerraubes nicht bloß nennen, sondern mußte sie darstellen, weil die Unterredung mit der Themis, um ihre ganze dramatische Wirkung zu thun, in den bestimmten Augenblick zwischen den Raub und die Belebung des Menschen fallen mußte. Ich habe jetzt eine Änderung versucht, wobey [2] die Erwähnung des Sonnenwagens ganz wegbleibt, und die näheren Umstände des Entwendens etwas mehr ins Dunkel gerückt werden. Zugleich kommt auch dadurch das als Lunte dienende Rohr, der narthex oder Ferulstab der alten Fabel, den mir Göthe als gegen die Pracht des Sonnenwagens abstechend und kleinlich tadelte, weg. Die drey Terzinen die ich S. 6 eingeklammert, werden herausgeworfen, und die beyden angränzenden durch eine eingeschobne Terzine verknüpft, wie Sie auf dem hier beygefügten Blatte sehen werden. Doch überlasse ich es Ihrem Urtheile, ob Sie die Veränderung aufnehmen, oder wenn sie Ihnen nicht gefällt, die alte Leseart beybehalten wollen. Das Ändern ist bey diesem verzweifelten Sylbenmaaße, wo alles wie Glieder einer Kette in einander greift, sehr schwierig, ja manchmal fast unmöglich.
Den symbolischen Gebrauch der Fabel darf ich mir keinesweges ganz zueignen: ich habe auch hier die Alten vor Augen gehabt, und den mythischen Überlieferungen so wenig Gewalt angethan, als es mein Zweck irgend erlaubte. Beym Hesiodus und Äschylus ist zwar nur vom Geschenk des wirklichen materiellen Feuers die Rede, und sie sind die einzigen Dichter, von denen wir eine ausgeführte Darstellung des Mythus haben. Aber Prometheus als Menschenbildner und Schöpfer ist andern Dichtern geläufig: Horat. Carm. I, 16, v. 13–16. Propert. III, 5,7–10. Ovid. Metam. I, 82–86. Aus den Mythographen, die aus den Dichtern schöpften, nahmentlich aus dem Hyginus, sieht man daß diese Betrachtungsart auch mit dem Raube des Feuers, das dann zur Belebung [3] der oder des aus Thon geformten Menschen gebraucht ward, in Verbindung gesetzt worden ist. Ich fand sogar in dieser Verknüpfung das Rad des Sonnenwagens, und die im Ferulstabe bewahrte Scintilla, quam pectori hominis ex luto ficti applicuit, erwähnt. Eine so materielle Anstalt zu einem so geistigen Zwecke, läßt sich vielleicht nur dadurch entschuldigen, daß die Sonnenwärme die niedern Organisationen der Pflanzen u Thiere hervorruft und belebt, und sich also denken läßt, bey einem ganz unmittelbaren und wundervollen Gebrauch, könne sie auch das höhere menschliche Leben hervorbringen. – Auch in der bildenden Kunst war der menschenbildende Prometheus eine gewöhnliche Vorstellungsart, und hier wurde das Feuer so symbolisch genommen, das auf einer alten Gemme, die Moritz in seiner Mythol. hat in Kupfer stechen lassen, sogar der Schmetterling über der Fackel schwebt. Ich bin also nur einen ganz kleinen Schritt weiter in der Symbolik gegangen, indem ich durch den Funken nicht die Seele überhaupt, sondern ihre freye Selbstthätigkeit angedeutet habe. Die angeführte Stelle vom Horaz und eine noch merkwürdigere Stelle im Politicus des Plato beweisen, daß sich die Alten weit freyere philosophische Umdeutungen des Mythus erlaubt haben. Etwas symbolisirendes lag wohl schon beym ersten Ursprunge darin: der sprechende Nahme, der Vorausdenker, führt darauf; beym Hesiodus ist schon der ganz allegorische Zusatz vom Epimetheus und der Pandora; beym Äschylus ist das Feuer schon Sinnbild der Erfindung aller Künste geworden, auch solcher womit es nicht zusammenhängt.
[4] Das obige enthält zum Theil meine Zweifel gegen die vorgeschlagne Überschrift eine Allegorie. Da ich überdieß des epischen Interesse wegen das bloß Mythische mit dem Allegorischen auf das genaueste zu verweben gesucht, so befürchte ich, daß, durch einen solchen Wink geleitet, manche Leser nicht bloß den Hauptpunkt, sondern auch seine mythischen Umgebungen, den Krieg der Titanen, die Themis, den Zorn des Jupiter, die Bestrafung des Prometheus und seine endliche Befreyung durch den Herkules allegorisch würden deuten wollen. Ferner faßt das Gedicht die Erklärung dessen, was allegorisch darin ist, selbst in sich. In dem Gespräche des Prometheus und der Themis ist immer von den Wirkungen der menschlichen Freyheit die Rede, die alle aus dem himmlischen Funken entspringen. – Sie werden beurtheilen, ob das gewählte Motto aus dem Ovid:

Os homini sublime dedit, caelumque tueri
Jussit, & erectos ad sidera tollere vultus,

das ich der Popularität wegen gleich übersetzt habe, den Leser hinlänglich vorbereitet, indem es dem schaffenden Prometheus die äußre Würde der Menschengestalt zuschreibt, worin sich die Freyheit offenbart. Dieselbe Stelle bietet noch ein andres dar, das aber abgerißner ist:

Finxit in effigiem moderantum cuncta deorum.
Formte sie nach der Gestalt der alles regierenden Götter.

Die Fragen über die weitere Mittheilung der Prometheïschen Gabe habe ich nur bey Seite zu schieben gesucht, da ich sie nicht voll[5]ständig zu lösen vermochte. Von manchen alten Dichtern mag dem Prometheus die allererste Schöpfung des Menschen zugeschrieben worden seyn. Ich konnte dieß nicht brauchen: ich mußte einen Zustand des passiven Genusses, und einen andern, der thierischen Ausartung vorangehen lassen, um den Werth einer freyen selbstthätigen Existenz in sein volles Licht zu stellen. Wäre überhaupt Konsequenz in den Mythen zu suchen, so mußte es freylich vor der Prometheischen Schöpfung ein früheres Menschengeschlecht gegeben haben: denn jene fällt unter Jupiters Herrschaft, das goldne Zeitalter unter die des Saturnus. Das ausgeartete Menschengeschlecht hätte immerhin zu Grunde mögen: Prometheus äußert in der Rede, wo er seinen Entschluß faßt, genug, daß er nicht sowohl die physischen Leiden der Menschen als die Erniedrigung der Menschheit beklagt. Allein dann wäre die Unbequemlichkeit entstanden, daß er ein neues Menschenpaar hätte bilden müssen, und da der herrschende Ausdruck der von ihm geschaffnen Gestalt Kraft und Thätigkeit seyn muß, so schien es mir durchaus unschicklich, ihn ein Weib bilden zu lassen, (auch glaube ich nicht, daß es je auf einem alten Kunstwerke vorkommt) der lästigen Wiederhohlung und der Theilung des Belebungs-Aktes nicht zu gedenken. Ich habe es also unentschieden gelassen, wie sich der himmlische Funke den noch vorhandnen Menschen allmählich mitgetheilt; ob durch eine einseitige physische Fortpflanzung, oder durch die natürliche Mittheilung die z. B. zwischen Erwachsenen und Kindern Statt findet; diese sind ja gewissermaaßen immer noch in dem Zustande [6] worin damals nach meiner Dichtung das ganze Geschlecht gewesen seyn soll. Um die Idee weniger gigantisch zu machen, habe ich anzudeuten gesucht, daß die von den großen Zerrüttungen des Erdbodens und dem nachherigen Elende übrig gebliebnen Menschen nur in geringer Anzahl waren. Auf die Frage: warum Prometheus nicht unmittelbar, ohne Dazwischenkunft eines neu geschaffnen Menschen, Erzieher und Lehrer der Ausgearteten Menschen wurde, läßt sich immer noch antworten: das Wunder sey nöthig gewesen, weil die Menschheit sich aus sich selbst entwickeln muß, und nichts fremdes in sie hineinkommen darf. Wenn man mir hierauf einwendet: Prometheus sey zwar dem Mythus nach ein Gott, zeige aber in seinem Reden und Wirken alle Bestandtheile der menschlichen Natur, wie überhaupt kein handelndes Wesen anders als menschlich dargestellt werden kann; so gestehe ich, daß ich aus diesem letzten Winkel keine Retirade mehr weiß, und wünschen muß, daß man nicht zu genau zergliedre, und die Dichtung nicht zu weit über die Gränzen der von mir unternommnen Darstellung hinaus verfolgen möge.
Ich sage Ihnen nochmals meinen Dank für die Veranlassung zu dieser Rechenschaft, die mich von neuem sehr lebhaft in den Gegenstand hinein geführt hat. – Mit einem kleinern Gedichte, das ich Ihnen zu liefern wünsche, bin ich noch nicht zu Stande, und hoffe auf ein paar glückliche Stunden. Wenn sie mir zu Theil [7] werden, lasse ich sie gewiß nicht ungenutzt vorbey. Sehr gern werde ich die letzte Korrektur des Prometheus besorgen. Da Sie und Göthe den Almanach so freygebig ausstatten, wie ich höre, so bin ich begieriger darauf, als ich Ihnen sagen kann.
Schlegel

Meine Frau hat schon vor einiger Zeit wegen der Geisterinsel an Hrn. von Einsiedel und Mad. Gotter geschrieben. Dieser würde es sehr erwünscht seyn, wenn die Oper ganz in die Horen eingerückt werden könnte: sie hat nur geglaubt, das Manuskript nicht ohne Rücksprache mit dem Komponisten abschicken zu dürfen, da, wenn es ganz gedruckt ist, auch andre Komponisten sich den Text durch ihre Komposition zueignen können, und ein Musiker beym Berliner Theater schon Ansprüche darauf gemacht hat. Gegen eine Einrückung zum Theil kann der bisherige Komponist Fleischmann nichts haben; und überhaupt hat er eigentlich kein Recht an die Oper; das obige ist nur billige Rücksicht auf seine Bemühungen. Sobald Mad. Gotter seine Antwort erhalten, wird sie das Manuskript überschicken.
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[1] Jena d. 28 Jul 97 [Freitag]
Es war mir sehr erfreulich von Göthen im Allgemeinen zu erfahren, daß mein Prometheus Ihren Beyfall erlangt habe, und es jetzt von Ihnen näher bestätigt zu lesen, ist mir doppelt werth. Auch sage ich Ihnen meinen herzlichsten Dank für die Mittheilung der Kritiken. Ich fühle das ganze Gewicht derselben, und wünschte nur, ihnen auf eine befriedigende Weise abhelfen zu können. Allein manche dieser Einwürfe schwebten mir schon bey der Anlage vor, und doch mußte ich zufrieden seyn im Gedränge der Schwierigkeiten bey dieser Behandlung der Fabel, die mir doch in mancher Rücksicht so wichtig war, die Auskunft zu treffen, die mir die leidlichste schien.
Daß das Sinnliche und Symbolische bey dem Feuerraube auf die bedenklichste Art zusammenstößt, ist sehr wahr. Doch mußte Prometheus das Sonnenfeuer heimlich entwenden: er konnte es also nicht von dem umstrahlten Haupte des Helios nehmen; eine Fackel zu dichten, die dem Sonnengotte wohl nie eigentlich, sondern nur in solchen unbestimmteren Redensarten: Phoebea lustrabat lampade terras u.s.w. zugeschrieben wird, schien mir eine zu starke Abweichung vom Alten Kostum; noch weniger wäre ein ruhender Sonnenball antik gewesen. Auf der andern Seite durfte ich die Handlung des Feuerraubes nicht bloß nennen, sondern mußte sie darstellen, weil die Unterredung mit der Themis, um ihre ganze dramatische Wirkung zu thun, in den bestimmten Augenblick zwischen den Raub und die Belebung des Menschen fallen mußte. Ich habe jetzt eine Änderung versucht, wobey [2] die Erwähnung des Sonnenwagens ganz wegbleibt, und die näheren Umstände des Entwendens etwas mehr ins Dunkel gerückt werden. Zugleich kommt auch dadurch das als Lunte dienende Rohr, der narthex oder Ferulstab der alten Fabel, den mir Göthe als gegen die Pracht des Sonnenwagens abstechend und kleinlich tadelte, weg. Die drey Terzinen die ich S. 6 eingeklammert, werden herausgeworfen, und die beyden angränzenden durch eine eingeschobne Terzine verknüpft, wie Sie auf dem hier beygefügten Blatte sehen werden. Doch überlasse ich es Ihrem Urtheile, ob Sie die Veränderung aufnehmen, oder wenn sie Ihnen nicht gefällt, die alte Leseart beybehalten wollen. Das Ändern ist bey diesem verzweifelten Sylbenmaaße, wo alles wie Glieder einer Kette in einander greift, sehr schwierig, ja manchmal fast unmöglich.
Den symbolischen Gebrauch der Fabel darf ich mir keinesweges ganz zueignen: ich habe auch hier die Alten vor Augen gehabt, und den mythischen Überlieferungen so wenig Gewalt angethan, als es mein Zweck irgend erlaubte. Beym Hesiodus und Äschylus ist zwar nur vom Geschenk des wirklichen materiellen Feuers die Rede, und sie sind die einzigen Dichter, von denen wir eine ausgeführte Darstellung des Mythus haben. Aber Prometheus als Menschenbildner und Schöpfer ist andern Dichtern geläufig: Horat. Carm. I, 16, v. 13–16. Propert. III, 5,7–10. Ovid. Metam. I, 82–86. Aus den Mythographen, die aus den Dichtern schöpften, nahmentlich aus dem Hyginus, sieht man daß diese Betrachtungsart auch mit dem Raube des Feuers, das dann zur Belebung [3] der oder des aus Thon geformten Menschen gebraucht ward, in Verbindung gesetzt worden ist. Ich fand sogar in dieser Verknüpfung das Rad des Sonnenwagens, und die im Ferulstabe bewahrte Scintilla, quam pectori hominis ex luto ficti applicuit, erwähnt. Eine so materielle Anstalt zu einem so geistigen Zwecke, läßt sich vielleicht nur dadurch entschuldigen, daß die Sonnenwärme die niedern Organisationen der Pflanzen u Thiere hervorruft und belebt, und sich also denken läßt, bey einem ganz unmittelbaren und wundervollen Gebrauch, könne sie auch das höhere menschliche Leben hervorbringen. – Auch in der bildenden Kunst war der menschenbildende Prometheus eine gewöhnliche Vorstellungsart, und hier wurde das Feuer so symbolisch genommen, das auf einer alten Gemme, die Moritz in seiner Mythol. hat in Kupfer stechen lassen, sogar der Schmetterling über der Fackel schwebt. Ich bin also nur einen ganz kleinen Schritt weiter in der Symbolik gegangen, indem ich durch den Funken nicht die Seele überhaupt, sondern ihre freye Selbstthätigkeit angedeutet habe. Die angeführte Stelle vom Horaz und eine noch merkwürdigere Stelle im Politicus des Plato beweisen, daß sich die Alten weit freyere philosophische Umdeutungen des Mythus erlaubt haben. Etwas symbolisirendes lag wohl schon beym ersten Ursprunge darin: der sprechende Nahme, der Vorausdenker, führt darauf; beym Hesiodus ist schon der ganz allegorische Zusatz vom Epimetheus und der Pandora; beym Äschylus ist das Feuer schon Sinnbild der Erfindung aller Künste geworden, auch solcher womit es nicht zusammenhängt.
[4] Das obige enthält zum Theil meine Zweifel gegen die vorgeschlagne Überschrift eine Allegorie. Da ich überdieß des epischen Interesse wegen das bloß Mythische mit dem Allegorischen auf das genaueste zu verweben gesucht, so befürchte ich, daß, durch einen solchen Wink geleitet, manche Leser nicht bloß den Hauptpunkt, sondern auch seine mythischen Umgebungen, den Krieg der Titanen, die Themis, den Zorn des Jupiter, die Bestrafung des Prometheus und seine endliche Befreyung durch den Herkules allegorisch würden deuten wollen. Ferner faßt das Gedicht die Erklärung dessen, was allegorisch darin ist, selbst in sich. In dem Gespräche des Prometheus und der Themis ist immer von den Wirkungen der menschlichen Freyheit die Rede, die alle aus dem himmlischen Funken entspringen. – Sie werden beurtheilen, ob das gewählte Motto aus dem Ovid:

Os homini sublime dedit, caelumque tueri
Jussit, & erectos ad sidera tollere vultus,

das ich der Popularität wegen gleich übersetzt habe, den Leser hinlänglich vorbereitet, indem es dem schaffenden Prometheus die äußre Würde der Menschengestalt zuschreibt, worin sich die Freyheit offenbart. Dieselbe Stelle bietet noch ein andres dar, das aber abgerißner ist:

Finxit in effigiem moderantum cuncta deorum.
Formte sie nach der Gestalt der alles regierenden Götter.

Die Fragen über die weitere Mittheilung der Prometheïschen Gabe habe ich nur bey Seite zu schieben gesucht, da ich sie nicht voll[5]ständig zu lösen vermochte. Von manchen alten Dichtern mag dem Prometheus die allererste Schöpfung des Menschen zugeschrieben worden seyn. Ich konnte dieß nicht brauchen: ich mußte einen Zustand des passiven Genusses, und einen andern, der thierischen Ausartung vorangehen lassen, um den Werth einer freyen selbstthätigen Existenz in sein volles Licht zu stellen. Wäre überhaupt Konsequenz in den Mythen zu suchen, so mußte es freylich vor der Prometheischen Schöpfung ein früheres Menschengeschlecht gegeben haben: denn jene fällt unter Jupiters Herrschaft, das goldne Zeitalter unter die des Saturnus. Das ausgeartete Menschengeschlecht hätte immerhin zu Grunde mögen: Prometheus äußert in der Rede, wo er seinen Entschluß faßt, genug, daß er nicht sowohl die physischen Leiden der Menschen als die Erniedrigung der Menschheit beklagt. Allein dann wäre die Unbequemlichkeit entstanden, daß er ein neues Menschenpaar hätte bilden müssen, und da der herrschende Ausdruck der von ihm geschaffnen Gestalt Kraft und Thätigkeit seyn muß, so schien es mir durchaus unschicklich, ihn ein Weib bilden zu lassen, (auch glaube ich nicht, daß es je auf einem alten Kunstwerke vorkommt) der lästigen Wiederhohlung und der Theilung des Belebungs-Aktes nicht zu gedenken. Ich habe es also unentschieden gelassen, wie sich der himmlische Funke den noch vorhandnen Menschen allmählich mitgetheilt; ob durch eine einseitige physische Fortpflanzung, oder durch die natürliche Mittheilung die z. B. zwischen Erwachsenen und Kindern Statt findet; diese sind ja gewissermaaßen immer noch in dem Zustande [6] worin damals nach meiner Dichtung das ganze Geschlecht gewesen seyn soll. Um die Idee weniger gigantisch zu machen, habe ich anzudeuten gesucht, daß die von den großen Zerrüttungen des Erdbodens und dem nachherigen Elende übrig gebliebnen Menschen nur in geringer Anzahl waren. Auf die Frage: warum Prometheus nicht unmittelbar, ohne Dazwischenkunft eines neu geschaffnen Menschen, Erzieher und Lehrer der Ausgearteten Menschen wurde, läßt sich immer noch antworten: das Wunder sey nöthig gewesen, weil die Menschheit sich aus sich selbst entwickeln muß, und nichts fremdes in sie hineinkommen darf. Wenn man mir hierauf einwendet: Prometheus sey zwar dem Mythus nach ein Gott, zeige aber in seinem Reden und Wirken alle Bestandtheile der menschlichen Natur, wie überhaupt kein handelndes Wesen anders als menschlich dargestellt werden kann; so gestehe ich, daß ich aus diesem letzten Winkel keine Retirade mehr weiß, und wünschen muß, daß man nicht zu genau zergliedre, und die Dichtung nicht zu weit über die Gränzen der von mir unternommnen Darstellung hinaus verfolgen möge.
Ich sage Ihnen nochmals meinen Dank für die Veranlassung zu dieser Rechenschaft, die mich von neuem sehr lebhaft in den Gegenstand hinein geführt hat. – Mit einem kleinern Gedichte, das ich Ihnen zu liefern wünsche, bin ich noch nicht zu Stande, und hoffe auf ein paar glückliche Stunden. Wenn sie mir zu Theil [7] werden, lasse ich sie gewiß nicht ungenutzt vorbey. Sehr gern werde ich die letzte Korrektur des Prometheus besorgen. Da Sie und Göthe den Almanach so freygebig ausstatten, wie ich höre, so bin ich begieriger darauf, als ich Ihnen sagen kann.
Schlegel

Meine Frau hat schon vor einiger Zeit wegen der Geisterinsel an Hrn. von Einsiedel und Mad. Gotter geschrieben. Dieser würde es sehr erwünscht seyn, wenn die Oper ganz in die Horen eingerückt werden könnte: sie hat nur geglaubt, das Manuskript nicht ohne Rücksprache mit dem Komponisten abschicken zu dürfen, da, wenn es ganz gedruckt ist, auch andre Komponisten sich den Text durch ihre Komposition zueignen können, und ein Musiker beym Berliner Theater schon Ansprüche darauf gemacht hat. Gegen eine Einrückung zum Theil kann der bisherige Komponist Fleischmann nichts haben; und überhaupt hat er eigentlich kein Recht an die Oper; das obige ist nur billige Rücksicht auf seine Bemühungen. Sobald Mad. Gotter seine Antwort erhalten, wird sie das Manuskript überschicken.
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