• Friederike Helene Unger to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Coppet · Date: 07.04.1809
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friederike Helene Unger
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 07.04.1809
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 25‒27.
  • Incipit: „[1] Ihre Briefe mein vortreflicher Freund, machen mir jederzeit viel Freude, nicht wegen ihrer Seltenheit, und weil das Seltne uns immer [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-9
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,IV,e,18
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,4 x 11,7 cm
    Language
  • German
[1] Ihre Briefe mein vortreflicher Freund, machen mir jederzeit viel Freude, nicht wegen ihrer Seltenheit, und weil das Seltne uns immer köstlicher erscheint, sondern – weil Sie Sie sind. Eben so willkommen soll mir S.[eine] K.[önigliche] M.[ajestät] Heinrich VIII. sein, und ich werde mich an seine Reisekosten nicht stossen, mag er nur kommen. Wie mögen Sie nur fragen mein Freund, für wen ich mich in Absicht der Uebersetzung des Shakespear entscheide? Es hat mir Freude gemacht, daß mein ehemaliger Zögling einen so guten Weg einschlägt und so kek und muthig daher schreitet: und das ist alles. Ich gab HE. v. d. Hagen das opus des jungen Mannes zum Durchsehen, und dieser erkannte es für ein todt gebornes Kind. – Die Niebelungen werden so aufgenommen, wie alles, was die flüchtige Zeit gebiert, und die Rapidität ihres Strohmes forttreibt. Die Eindrücke der unglücklichen Zeit, folgen so schnell aufeinander daß keiner bleibend ist; am unglücklichsten fühlt dies mein Gewerbe. Die Niebelungen werden gelobt – aber wenig gekauft: und an eine zweite Ausgabe, ist für die ersten Jahre nicht zu denken: HE. v. d. Hagen will jezt alles was zu diesen Niebelungen noch gehört, bearbeiten. Erfolgt eine zweite Ausgabe, so werde ich sie in 4. to veranstalten, welches Format mir das Schicklichere für ein solches Werk dünkt. Die Heidelberger haben die Niebelungen unter dieser Form sehr heruntergemacht: und das ist schlim. Sie geben die, unter der Reineke Fuchs von Göthe erschien, als die für die Zeit passendere [2] an. Kann was dran sein.
Und nun Rom? Senden Sie nur mein theurer Freund, senden Sie nur. Bei Ihrer Art zu eilen, werde ich wahrscheinlich noch die vorhandne Exemplare indeß verkaufen: und dann wollen wir recht stattlich vors ehrsame Publicum erscheinen.
Ich kann Ihnen nicht läugnen mein Theurer, daß mich in gegenwärtiger Bedrängniß, die von Unger nach allen Richtungen hin, gemachte Vorschüsse, auf Werke, die nun unvollendet liegen als Ladenhüter, sehr drückend sind. Mit Tieck schloß ich voriges Jahr bei seiner Anwesenheit in Berlin, einen Kontrakt, auf ein Periodisches Werk, der Shakespear sollte den Reihen eröfnen, nemlich die Kritik desselben, und dan so fort: es wäre ein schönes Unternehmen geworden, hätte ers ausgeführt: und er kamm aus mein Compte Buch – Aber bald nach den treuen deutschen Handschlag, den er mir darauf gab, war er in Wien in München und Gott weiß wo? Das sind freilich poetische Lizenzen, die aber in der Masse sehr drückend werden. Frid.[rich] Schlegel scheint meine Existens und das von ihm unvollendet gebliebne Werk gänzlich vergessen zu haben, samt dem appendix. So Genz der nun wieder in Wien ist, und den ich bis zu den Gegenfüßlern mit Mahnbriefen verfolgen werde. So Frid.[rich] Rambach der sein Wesen als Professor in Dorpat treibt. So Reichardt, der jezt Messerklinger Lieder in Wien macht. und ich sitze hier fest. Von einem Heere von Sorgen umlagert, und mit einer Familie umgeben, die anständigen Unterhalt von mir zu fordern berechtigt ist. Aber – schicken Sie mir nur den Shakespear, und es soll für alle eine General Amnestie erfolgen; den[n] Shakespear macht viel gut, dieser hohe herrliche Zauberer.
[3] Ihre Bibliothek mein Freund, habe ich noch nicht ausgeliefert erhalten. Der Justizkommissar Bode betreibt die Sache; und nebenher, habe ich dem D.[octor] Neubert aus Jena, der jezt hier lebt und mein Corrector ist, den Auftrag gegeben, nachzusehen: den[n] mit persönlicher Berührung mit HE. Bernhardi kann ich mich nicht befassen. Er macht alle seine Zahlungen in grob Courant. Calderon ist längst von HE. v. Fouqué bei mir abgegeben: und harrt nun seiner Brüder oder doch Mitbürger Ihrer Samlung. Bin ich so weit, daß ich sie Ihnen übersenden kann, lege ich meine Kinder bei; den[n] ich war fleißig die lezten Jahre meines bessren Glückes.
Ich danke Ihnen mein Freund, für die exactitude mit der Sie die Einlage an Madame de Morand besorgten, die ich durch sie vernahm. ey ey, soll ich die Wiedervergelterin walten lassen? – Hm? –
Es stehet noch dahin, ob wir eine Leipziger Ostermesse haben werden? Bei der Lage der Dinge kommen, wie sie schon erklärt haben, weder die oestreichischen noch andre Buchhändler jener Gegenden, wo das neue Trauerspiel aufgeführt werden soll. und die Nordischen bringen wenig ein. Wenn Bellona und Mars toben, wissen die armen friedlichen Mädchen, ihres Bleibens nicht zu finden. Wäre es mir vergönnt, in die friedlichere Gegend zu eilen, wo ich so freundlich eingeladen bin nemlich in der Ihrigen, aber – nicht bei Sie. Ich bescheide mich gern, und gestehe, daß ich in Ihrer Spähre wie ein dürftiges Pflänzchen aus sandigem Boden, von den Strahl der glühenden Sonne, bald zusammenschrumpfen würde; und dann – so hat man doch auch seinen Stolz – [4] und weiß daß wenn man gleich nicht die gluthende Rose, man doch nicht zum zertreten da ist. Mad. de Morand ist die liebenswürdige Frau, die mir ein Asyl anbot, wenn die Tage eintreten von welchen es heißt, sie gefallen mir nicht. Ach Gott! und diese sind ja schon da! Wir sind hier unsäglich unglücklich, die verlaßnen Kinder eines gütigen Familien Vaters der dem Unglück unterlag. Deutschland, Deutschland! was ist aus dich geworden! wie zagen deine Kinder! wo blieb ihre Kraft! –
Ich habe in dieser Zeit etwas geschrieben, was freilich keine politische Tendenz hat, aber für ein Sittengemälde oder doch Gruppen aus dem großen bedeutenden Gemälde, gelten kann; ich selbst verlege es nicht, den Geist der Persiflage, der hier waltet, scheuend. Zu seiner Zeit, schicke ich es Ihnen.
Und nun muß ich wohl das Lebe wohl schreiben, den[n] ich habe Sie mat und müde ob des Geschwätzes gemacht. Erinnern Sie sich meiner freundlichst, schicken mir bald, recht bald Heinrich VIII. – und halten sich meiner herzlichsten Hochachtung und Werthschätzung versichert, womit ich Zeitlebens sein werde
Ihre
treuste Verehrerin
und wahrste Freundin
Verw.[itwete] Unger
Berlin d. 7. April
1809
[1] Ihre Briefe mein vortreflicher Freund, machen mir jederzeit viel Freude, nicht wegen ihrer Seltenheit, und weil das Seltne uns immer köstlicher erscheint, sondern – weil Sie Sie sind. Eben so willkommen soll mir S.[eine] K.[önigliche] M.[ajestät] Heinrich VIII. sein, und ich werde mich an seine Reisekosten nicht stossen, mag er nur kommen. Wie mögen Sie nur fragen mein Freund, für wen ich mich in Absicht der Uebersetzung des Shakespear entscheide? Es hat mir Freude gemacht, daß mein ehemaliger Zögling einen so guten Weg einschlägt und so kek und muthig daher schreitet: und das ist alles. Ich gab HE. v. d. Hagen das opus des jungen Mannes zum Durchsehen, und dieser erkannte es für ein todt gebornes Kind. – Die Niebelungen werden so aufgenommen, wie alles, was die flüchtige Zeit gebiert, und die Rapidität ihres Strohmes forttreibt. Die Eindrücke der unglücklichen Zeit, folgen so schnell aufeinander daß keiner bleibend ist; am unglücklichsten fühlt dies mein Gewerbe. Die Niebelungen werden gelobt – aber wenig gekauft: und an eine zweite Ausgabe, ist für die ersten Jahre nicht zu denken: HE. v. d. Hagen will jezt alles was zu diesen Niebelungen noch gehört, bearbeiten. Erfolgt eine zweite Ausgabe, so werde ich sie in 4. to veranstalten, welches Format mir das Schicklichere für ein solches Werk dünkt. Die Heidelberger haben die Niebelungen unter dieser Form sehr heruntergemacht: und das ist schlim. Sie geben die, unter der Reineke Fuchs von Göthe erschien, als die für die Zeit passendere [2] an. Kann was dran sein.
Und nun Rom? Senden Sie nur mein theurer Freund, senden Sie nur. Bei Ihrer Art zu eilen, werde ich wahrscheinlich noch die vorhandne Exemplare indeß verkaufen: und dann wollen wir recht stattlich vors ehrsame Publicum erscheinen.
Ich kann Ihnen nicht läugnen mein Theurer, daß mich in gegenwärtiger Bedrängniß, die von Unger nach allen Richtungen hin, gemachte Vorschüsse, auf Werke, die nun unvollendet liegen als Ladenhüter, sehr drückend sind. Mit Tieck schloß ich voriges Jahr bei seiner Anwesenheit in Berlin, einen Kontrakt, auf ein Periodisches Werk, der Shakespear sollte den Reihen eröfnen, nemlich die Kritik desselben, und dan so fort: es wäre ein schönes Unternehmen geworden, hätte ers ausgeführt: und er kamm aus mein Compte Buch – Aber bald nach den treuen deutschen Handschlag, den er mir darauf gab, war er in Wien in München und Gott weiß wo? Das sind freilich poetische Lizenzen, die aber in der Masse sehr drückend werden. Frid.[rich] Schlegel scheint meine Existens und das von ihm unvollendet gebliebne Werk gänzlich vergessen zu haben, samt dem appendix. So Genz der nun wieder in Wien ist, und den ich bis zu den Gegenfüßlern mit Mahnbriefen verfolgen werde. So Frid.[rich] Rambach der sein Wesen als Professor in Dorpat treibt. So Reichardt, der jezt Messerklinger Lieder in Wien macht. und ich sitze hier fest. Von einem Heere von Sorgen umlagert, und mit einer Familie umgeben, die anständigen Unterhalt von mir zu fordern berechtigt ist. Aber – schicken Sie mir nur den Shakespear, und es soll für alle eine General Amnestie erfolgen; den[n] Shakespear macht viel gut, dieser hohe herrliche Zauberer.
[3] Ihre Bibliothek mein Freund, habe ich noch nicht ausgeliefert erhalten. Der Justizkommissar Bode betreibt die Sache; und nebenher, habe ich dem D.[octor] Neubert aus Jena, der jezt hier lebt und mein Corrector ist, den Auftrag gegeben, nachzusehen: den[n] mit persönlicher Berührung mit HE. Bernhardi kann ich mich nicht befassen. Er macht alle seine Zahlungen in grob Courant. Calderon ist längst von HE. v. Fouqué bei mir abgegeben: und harrt nun seiner Brüder oder doch Mitbürger Ihrer Samlung. Bin ich so weit, daß ich sie Ihnen übersenden kann, lege ich meine Kinder bei; den[n] ich war fleißig die lezten Jahre meines bessren Glückes.
Ich danke Ihnen mein Freund, für die exactitude mit der Sie die Einlage an Madame de Morand besorgten, die ich durch sie vernahm. ey ey, soll ich die Wiedervergelterin walten lassen? – Hm? –
Es stehet noch dahin, ob wir eine Leipziger Ostermesse haben werden? Bei der Lage der Dinge kommen, wie sie schon erklärt haben, weder die oestreichischen noch andre Buchhändler jener Gegenden, wo das neue Trauerspiel aufgeführt werden soll. und die Nordischen bringen wenig ein. Wenn Bellona und Mars toben, wissen die armen friedlichen Mädchen, ihres Bleibens nicht zu finden. Wäre es mir vergönnt, in die friedlichere Gegend zu eilen, wo ich so freundlich eingeladen bin nemlich in der Ihrigen, aber – nicht bei Sie. Ich bescheide mich gern, und gestehe, daß ich in Ihrer Spähre wie ein dürftiges Pflänzchen aus sandigem Boden, von den Strahl der glühenden Sonne, bald zusammenschrumpfen würde; und dann – so hat man doch auch seinen Stolz – [4] und weiß daß wenn man gleich nicht die gluthende Rose, man doch nicht zum zertreten da ist. Mad. de Morand ist die liebenswürdige Frau, die mir ein Asyl anbot, wenn die Tage eintreten von welchen es heißt, sie gefallen mir nicht. Ach Gott! und diese sind ja schon da! Wir sind hier unsäglich unglücklich, die verlaßnen Kinder eines gütigen Familien Vaters der dem Unglück unterlag. Deutschland, Deutschland! was ist aus dich geworden! wie zagen deine Kinder! wo blieb ihre Kraft! –
Ich habe in dieser Zeit etwas geschrieben, was freilich keine politische Tendenz hat, aber für ein Sittengemälde oder doch Gruppen aus dem großen bedeutenden Gemälde, gelten kann; ich selbst verlege es nicht, den Geist der Persiflage, der hier waltet, scheuend. Zu seiner Zeit, schicke ich es Ihnen.
Und nun muß ich wohl das Lebe wohl schreiben, den[n] ich habe Sie mat und müde ob des Geschwätzes gemacht. Erinnern Sie sich meiner freundlichst, schicken mir bald, recht bald Heinrich VIII. – und halten sich meiner herzlichsten Hochachtung und Werthschätzung versichert, womit ich Zeitlebens sein werde
Ihre
treuste Verehrerin
und wahrste Freundin
Verw.[itwete] Unger
Berlin d. 7. April
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