• Friedrich Schleiermacher to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Jena · Date: 24.12.1799
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich Schleiermacher
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Jena
  • Date: 24.12.1799
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich: Kritische Gesamtausgabe. Hg. v. Hans-Joachim Birkner u. Hermann Fischer. Berlin u.a. 1980ff. Abt. 5, Bd. 3. Briefwechsel 1799‒1800 (Briefe 553‒849). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1992, S. 317‒320.
  • Weitere Drucke: Elstner, Josefa: Briefe Friedrich Schleiermachers an August Wilhelm Schlegel. In: Euphorion 21 (1914), S. 595‒598.
    Klein, Christiane: Das Jenaer Romantikertreffen im November 1799: Dokumentation und Analyse. Heidelberg 2017, S. 248‒249.
  • Incipit: „[1] Berlin d 24t. Dec. 99.
    Meinen schönsten Dank liebster Freund für Ihren Brief der mich um so mehr erfreut hat je [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-34477
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.25,Nr.6
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,7 x 11,7 cm
    Language
  • German
[1] Berlin d 24t. Dec. 99.
Meinen schönsten Dank liebster Freund für Ihren Brief der mich um so mehr erfreut hat je sehnlicher ich ihn wünschte, und je weniger ich ihn ausdrüklich zu fordern wagte da mein Gewißen anfing mich in Rüksicht Ihrer und in Ihrem Namen tüchtig zu schlagen. Indeß finde ich es doch ganz natürlich und billig daß Sie mit mir keinen Kerbstok halten. Ich bin ja nur einer, und Eurer sind Viele, deren Jeder etwas Anderes mir am Besten sagen kann, und wenn Ihr auch eben so beschäftigt seid als ich so seid Ihr doch gewiß nicht so geplagt. Ja ja, man hat hier seine liebe Noth und es ist gar schön daß Fichte Ihnen eine kleine Idee davon gemacht hat. Nun bin ich inzwischen beinahe durch; nur mit ein Paar noch dazu mäßigen Philistern habe ich es noch durchzusprechen, und wenn Nichts Neues geschieht, wozu Sie ja keine Lust haben so hoffe ich mit dem neuen Jahre ziemlich in Ruhe zu sein. Das mit der Litteraturzeitung haben die Leute hier vornemlich moralisch genommen [2] als Arroganz, Hoffahrt pp. und darauf war ihnen noch leicht genug zu dienen, indeß wird es mir an Gelegenheit nicht fehlen von den Briefen, für die ich für meine Person Ihnen sehr danke Gebrauch zu machen. Wie sehr ich übrigens für die Aufzählung Ihrer Recensionen stimme werden Sie aus meinem lezten Briefe an Friedrich schon gesehen haben, es sei nun im Athenäum oder sonst wo. Ueber die Recension habe ich noch nicht viel gehört weil ich seit einiger Zeit zufälligerweise besonders wenig sogenannte Menschen gesehen habe, mir aber scheint ihre Abgeschmaktheit so klar zu sein, daß sie sich auch dem Gemeinsten muß begreiflich machen laßen. Daß auf diese nichts zu erwiedern ist, darin bin ich sehr Ihrer Meinung, aber privatim sollten Sie doch dem Huber ein wenig demonstriren wie gewaltig er sich prostituirt hat. Wenn ich verlangen könnte daß irgend Jemand von Ihnen sich zum Abschreiben für mich Zeit nähme, so wäre denn doch Hubers Brief das lezte worum ich bitten würde[.] Ich kann mir das Gewäsch der eleganten und geschraubten Biederkeit am Ende wol denken. Wovon ich aber gar gewaltig gern etwas näheres wüßte, das wäre von Goethes Reden und Stimmenabgabe über alle diese Dinge und so auch über den [3] Widerporst um den es mir gar sehr leid thut daß er nicht gedrukt werden soll. Wenn Sie so einen Tachygraphen unter Sich hätten der das wesentlichste aus seinen Reden für mich zu Papier brächte, das wäre ein rechtes Labsal für mich in dieser fatalen Entfernung
Daß es keine Teufeleien mehr geben soll jammert mich auch recht sehr. Warum sollten sie denn nicht exquis sein können? Wenn Ihr da alle zusammen nicht eine recht ordentliche Parthie recht vortreflicher und untadelicher bei nur einigem guten Willen zu Stande gebracht hättet, verdient Ihr ja, daß ichs grade heraus sage das liebe Leben nicht. Oder singt Ihr etwa je suis maussade? Mit den sujets das ist nur Nichts; es giebt deren noch genug. Die ich vorgeschlagen habe sind gewiß keine Hunde, und ich will noch mehr bringen wenn Ihr nur die Teufeleien machen wollt. Höchst ungern unterwerfe ich mich in diesem Punkt.
Wie unmöglich es mir ist jezt Fichte’s Moral zu notiziren habe ich schon Friedrich geschrieben dagegen will ich sehr gern die Bestimmung des Menschen – wenn sie nur erst da wäre – übernehmen, vorausgesezt, daß Fichte nichts dagegen hat, und daß Friedrich nicht dazu kommt. Aber ich hoffe daß das nächste Stük zu früh erscheinen wird als daß diese Notiz zu der ich Zeit brau[4]chen werde noch Plaz darin finden sollte. Gern gäbe ich meinem Garve, den Sie so in Schuz genomen haben im nächsten Stük auch noch einen Compagnon, wozu ich außer den objektiven auch noch subjektive Gründe habe, indem ich finde, daß solche Arbeiten mir sehr heilsam sind, wenn ich nur einen Gegenstand wüßte, dem ich mich jezt unterziehen kann. Gäbe es nicht zuviel Herder auf einmal, so möchte ich wol die neue Auflage von seinem Gott – in der ich unbesehen auf Schelmen wette – oder auch seine christlichen Schriften, wenn diese nicht dem Athenäum zu fern liegen vorläufig in Augenschein nehmen.
Das Nennen möchte ich, auch wenn ich noch etwas aus dem eigenen Gemüth ins Athenäum gebe, nicht ohne Noth anfangen; es scheint mir für mich gar keinen Zwek zu haben: aber meinen Mann will ich sehr gern stehn, und meinen Antheil an den Atrocitäten keinesweges umsonst haben. Wenn also etwas, das von mir herrührt besonders angezapft wird und vertreten werden muß: so schieben Sie es unbedenklich, wenn es Ihnen so gelegener ist, auf mich zurük: Sie haben meine unbeschränkteste Vollmacht dazu. Uebrigens bin ich so unschuldig daß ich an der Notiz von der Anthropologie gar nichts atroces finde. Die Licenz die Sie Bernhardi mit dem Herder geben wird ihm gewiß sehr angenehm sein. Noch habe ich von seiner Arbeit Nichts gesehn; indeß gestehe ich Ihnen es kommt mir vor als hätte er nicht mehr recht große Freude an diesem Stük Arbeit. Wann werde ich denn von Ihren Gedichten etwas sehen? wol nicht eher als die ganze Welt. Adieu Empfehlen Sie mich Karolinen. Den Brief an Frölich habe ich sogleich besorgt.
Schleiermacher.
[1] Berlin d 24t. Dec. 99.
Meinen schönsten Dank liebster Freund für Ihren Brief der mich um so mehr erfreut hat je sehnlicher ich ihn wünschte, und je weniger ich ihn ausdrüklich zu fordern wagte da mein Gewißen anfing mich in Rüksicht Ihrer und in Ihrem Namen tüchtig zu schlagen. Indeß finde ich es doch ganz natürlich und billig daß Sie mit mir keinen Kerbstok halten. Ich bin ja nur einer, und Eurer sind Viele, deren Jeder etwas Anderes mir am Besten sagen kann, und wenn Ihr auch eben so beschäftigt seid als ich so seid Ihr doch gewiß nicht so geplagt. Ja ja, man hat hier seine liebe Noth und es ist gar schön daß Fichte Ihnen eine kleine Idee davon gemacht hat. Nun bin ich inzwischen beinahe durch; nur mit ein Paar noch dazu mäßigen Philistern habe ich es noch durchzusprechen, und wenn Nichts Neues geschieht, wozu Sie ja keine Lust haben so hoffe ich mit dem neuen Jahre ziemlich in Ruhe zu sein. Das mit der Litteraturzeitung haben die Leute hier vornemlich moralisch genommen [2] als Arroganz, Hoffahrt pp. und darauf war ihnen noch leicht genug zu dienen, indeß wird es mir an Gelegenheit nicht fehlen von den Briefen, für die ich für meine Person Ihnen sehr danke Gebrauch zu machen. Wie sehr ich übrigens für die Aufzählung Ihrer Recensionen stimme werden Sie aus meinem lezten Briefe an Friedrich schon gesehen haben, es sei nun im Athenäum oder sonst wo. Ueber die Recension habe ich noch nicht viel gehört weil ich seit einiger Zeit zufälligerweise besonders wenig sogenannte Menschen gesehen habe, mir aber scheint ihre Abgeschmaktheit so klar zu sein, daß sie sich auch dem Gemeinsten muß begreiflich machen laßen. Daß auf diese nichts zu erwiedern ist, darin bin ich sehr Ihrer Meinung, aber privatim sollten Sie doch dem Huber ein wenig demonstriren wie gewaltig er sich prostituirt hat. Wenn ich verlangen könnte daß irgend Jemand von Ihnen sich zum Abschreiben für mich Zeit nähme, so wäre denn doch Hubers Brief das lezte worum ich bitten würde[.] Ich kann mir das Gewäsch der eleganten und geschraubten Biederkeit am Ende wol denken. Wovon ich aber gar gewaltig gern etwas näheres wüßte, das wäre von Goethes Reden und Stimmenabgabe über alle diese Dinge und so auch über den [3] Widerporst um den es mir gar sehr leid thut daß er nicht gedrukt werden soll. Wenn Sie so einen Tachygraphen unter Sich hätten der das wesentlichste aus seinen Reden für mich zu Papier brächte, das wäre ein rechtes Labsal für mich in dieser fatalen Entfernung
Daß es keine Teufeleien mehr geben soll jammert mich auch recht sehr. Warum sollten sie denn nicht exquis sein können? Wenn Ihr da alle zusammen nicht eine recht ordentliche Parthie recht vortreflicher und untadelicher bei nur einigem guten Willen zu Stande gebracht hättet, verdient Ihr ja, daß ichs grade heraus sage das liebe Leben nicht. Oder singt Ihr etwa je suis maussade? Mit den sujets das ist nur Nichts; es giebt deren noch genug. Die ich vorgeschlagen habe sind gewiß keine Hunde, und ich will noch mehr bringen wenn Ihr nur die Teufeleien machen wollt. Höchst ungern unterwerfe ich mich in diesem Punkt.
Wie unmöglich es mir ist jezt Fichte’s Moral zu notiziren habe ich schon Friedrich geschrieben dagegen will ich sehr gern die Bestimmung des Menschen – wenn sie nur erst da wäre – übernehmen, vorausgesezt, daß Fichte nichts dagegen hat, und daß Friedrich nicht dazu kommt. Aber ich hoffe daß das nächste Stük zu früh erscheinen wird als daß diese Notiz zu der ich Zeit brau[4]chen werde noch Plaz darin finden sollte. Gern gäbe ich meinem Garve, den Sie so in Schuz genomen haben im nächsten Stük auch noch einen Compagnon, wozu ich außer den objektiven auch noch subjektive Gründe habe, indem ich finde, daß solche Arbeiten mir sehr heilsam sind, wenn ich nur einen Gegenstand wüßte, dem ich mich jezt unterziehen kann. Gäbe es nicht zuviel Herder auf einmal, so möchte ich wol die neue Auflage von seinem Gott – in der ich unbesehen auf Schelmen wette – oder auch seine christlichen Schriften, wenn diese nicht dem Athenäum zu fern liegen vorläufig in Augenschein nehmen.
Das Nennen möchte ich, auch wenn ich noch etwas aus dem eigenen Gemüth ins Athenäum gebe, nicht ohne Noth anfangen; es scheint mir für mich gar keinen Zwek zu haben: aber meinen Mann will ich sehr gern stehn, und meinen Antheil an den Atrocitäten keinesweges umsonst haben. Wenn also etwas, das von mir herrührt besonders angezapft wird und vertreten werden muß: so schieben Sie es unbedenklich, wenn es Ihnen so gelegener ist, auf mich zurük: Sie haben meine unbeschränkteste Vollmacht dazu. Uebrigens bin ich so unschuldig daß ich an der Notiz von der Anthropologie gar nichts atroces finde. Die Licenz die Sie Bernhardi mit dem Herder geben wird ihm gewiß sehr angenehm sein. Noch habe ich von seiner Arbeit Nichts gesehn; indeß gestehe ich Ihnen es kommt mir vor als hätte er nicht mehr recht große Freude an diesem Stük Arbeit. Wann werde ich denn von Ihren Gedichten etwas sehen? wol nicht eher als die ganze Welt. Adieu Empfehlen Sie mich Karolinen. Den Brief an Frölich habe ich sogleich besorgt.
Schleiermacher.
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