• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Chaumont-sur-Loire · Date: 07.07.1810
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Chaumont-sur-Loire
  • Date: 07.07.1810
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 144‒147.
  • Incipit: „[1] Wien den 7ten July 1810
    Geliebter Freund, mit unbeschreiblicher Sehnsucht habe ich von einer Woche zur andern auf einen Brief von [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,II,20
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs. m. U.
  • Format: 19 x 11,5 cm
    Language
  • German
[1] Wien den 7ten July 1810
Geliebter Freund, mit unbeschreiblicher Sehnsucht habe ich von einer Woche zur andern auf einen Brief von Dir gewartet. Zwar hatten wir durch Henrietten liebevolle Nachricht von Dir, Hammer hatte Dich wenigstens gesehen, aber wie vieles war nicht, was diese mir nicht sagen konnten und was ich von Dir selbst zu hören wünschte. Dazu kam dann noch die Ungewißheit Deines Aufenthaltes! – Freilich hättest Du sehr großmüthig sein müßen, wenn Du aber anschaulich wüßtest, warum ich geschwiegen, so würdest Du gewiß nicht zürnen können. Mißmuth, Traurigkeit, Verdruß und Aengstlichkeit hatten sich meiner ganz und gar bemächtigt. Kaum gelingt es mir noch jetzt, durch den Genuß der Sommerluft, Poesie und heitre Gesellschaft mich einen oder den andern Tag der Schwermuth zu entreißen, aber nur zu oft sinke ich wieder zurück. Kränklichkeit hat den größten Antheil an dieser Verstimmung. Noch nie habe ich so viel [2] an meiner Gesundheit gelitten, als vergangenen Spätwinter und Frühling, und kaum fängt es nur an, durch vieles Baden und Bewegung, ein weniges besser zu werden. Ich habe es nun begreifen lernen daß der Spleen eine wahre physische Krankheit sein kann, auch stimmen alle Doctoren überein, mich auf Hypochondrie zu behandeln. Damit Du aber nicht denkst, daß es eitel Einbildung sei, so will ich nur noch hinzusetzen, daß ich seit mehr als 9 Wochen unter andern auch an einem fürchterlichen Krampfhusten leide, der bis jetzt allen Gegenmitteln wiederstanden hat.
[3] Um die Sommerluft zu geniessen, wohne ich jetzt in dem grossen Zollerischen Hause auf der Jägerzeil, wenn Du Dich dessen noch erinnerst. Die Söhne meiner Frau sind jetzt zum Besuche bei uns, Philipp ist recht liebenswürdig geworden. Sonst ist man hier einsam im Sommer.
Meine Vorlesungen werden jetzt bei Schaumburg gedruckt. Die Ausarbeitung derselben wurde mir in der letzten Zeit, wegen meiner immer steigenden Kränklichkeit, äusserst schwer. Zu meinen eifrigsten Zuhörern gehörten die Lichtensteins besonders die junge Fürstin geb. Esterhazy, und der Herzog von Würtemberg. – Da ich 160 Pränumeranten hatte, so blieben mir nach Abzug der Unkosten etwas über 4000 fl. die uns sehr heilsam gewesen sind. Doch glaubst Du gar nicht, wie sich der Werth dieses Geldes seit Deinem Hiersein geändert hat; man bezahlt alles 2 mal, vieles 3 mal so theuer als zu Deiner Zeit oder auch noch vor dem Kriege.
Die größte Erquickung gewährte mir mit beginnendem Frühjahr das erste was ich zur Erholung las, die erste Abtheilung Deines 2ten Bandes dramaturgische Vorlesungen. Den Beschluß aber habe ich leider noch nicht erhalten. Desgleichen Deine Recensionen über das Buch der Liebe und den Ariost. Ich wünschte aber fast, Du gäbest den Heidelbergern nichts mehr (sie lassen ohnehin den jungen ungewaschenen Gesellen etwas zu viel Spielraum) – und wende[4]test mir alles zu, für den litterarischen Theil des Oesterreichischen Beobachters. Varnhagen hat die meisten Nummern mit nach Paris genommen, mit dem Versprechen sie durch Henriette Dir zukommen zu lassen. Du wirst Dich leicht in die Verhältnisse versetzen. Mühe, ja auch Verdruß macht mir die ganze Sache genug. Außer allen Arten der Beschränktheit und Eitelkeit, die man zu schonen hat, fehlt es auch dem kleinsten Gelingen nie an Neidern. – In der Jungfrau von Orleans wirst Du eine Zeile verändert finden; sie ist dem admittitur zum Opfer gefallen. Ich hoffe, Du bist nicht ungehalten darüber.
Die ganz definitive Bestimmung meines Verhältnisses wird wohl erst jetzt nach Zurückkunft von Metternich erfolgen; indessen ziehe ich die Besoldung wie bisher. – Was sagst Du dazu, daß ich mich jetzt ganz auf die Bühne lenke? Ich habe mich sogar verleiten lassen, eine Bearbeitung der Schillerschen Jungfrau für die [5] Bühne zu versprechen. Wenn meine Gesundheit nur nicht gar zu elend bleibt, und der Druck der Vorlesungen mir nicht zu viel Zeit raubt, so soll gewiß bis zum Ende Herbst wenigstens ein Stück von Karl dem Vten fertig sein, und ist das erst der Fall, dann ist mir wegen der übrigen nicht bange. Als übende Nebenarbeit habe ich auch große Lust, den Cid von Corneille für unser Theater zu poetisiren.
Dieß führt mich recht auf meinen schon oft geäußerten Wunsch zurück, daß Du ganz als dramatischer Dichter die Herrschaft der Deutschen Bühne übernehmen möchtest! Ich bin gewiß, es würde auch zu Deiner innern Zufriedenheit viel beitragen. Mit den einzelnen Gedichten das erschöpft sich doch; in kritischen Werken hast Du nun eine solche Vollendung und Sicherheit erreicht, daß Dir dieß allein auch wohl keine neue Befriedigung mehr gewähren kann. Von größern Werken sind aber die dramatischen Dir auch schon um deßwillen angemeßner, als solche die man einzig aus sich heraus spinnt, weil der äußre Anreiz [6] und Antrieb der lebendigen Mittheilung und äußern Einwirkens auf Dich sehr wohlthätig wirkt. – Liebster Bruder, könnte ich es doch noch einmal erleben, Dich mit vollen Kräften dichterisch wirken, und dann gewiß auch innerlich zufrieden zu sehn! –
Wenn Du mir von den Umrissen – oder was es auch sonst immer sein möchte, für den Beobachter etwas schicken könntest, das wäre sehr schön und würdest Du mir einen treflichen Liebesdienst dadurch erweisen. Ich bitte sehr darum. – Fouqué hat mir weil er gehört, wie sehr ich seinen Sigurd gelobt, einen freundlichen Brief geschrieben. Er sagt darin, es habe geheißen, Du wärest als Professor nach Berlin berufen, aber nun bezweifle er es wieder. Ist denn so etwas im Werke gewesen? –
Wie begierig sehe ich nun aber der Hauptsache entgegen, der Entscheidung über die Reise! – Ich muß Dir nur gestehen, daß an meiner Betrübniß im Winter diese Sorge einen großen Antheil [7] hatte, und ich mich mehr als ich ausdrücken kann, desfalls gegrämt. Jetzt hat mir der Aufschub wieder einige Hoffnung gegeben.
Franz Baader will herkommen, was für mich ein großer Gewinn sein würde. Es fehlt mir hier doch gar sehr an Mittheilung.
Die Fortsetzung der von Dir nicht übersetzten Stücke Shakespeare bei Hitzig geht schnell fort. Die beiden ersten Bände von Keßler und Krause enthalten Cymbeline, Ende gut alles gut, Viel Lärmen um Nichts und ein Wintermährchen. Der dritte Band soll gleich nach der Meße erscheinen. Hier ist bei Pichler ein Shakespeare von A. W. S.[chlegel] und Eschenburg angekündigt, vermuthlich also ein Nachdruck, wo sie was Du nicht hast, aus Eschenburg nehmen.
Könntest Du mir das Werk von der Stael über uns arme Deutsche recht schnell und gleich aus der Presse verschaffen, so würdest Du mir dadurch einen sehr wichtigen Dienst erzeigen. Du dürftest nur auf die Addresse setzen an F S.[chlegel] bei der Staatskanzlei zu Wien; und es dann an die kaiserliche Gesandt[8]schaft in Paris besorgen lassen. – Wenn Du noch einmahl nach Paris gehst, so sprich doch mit Bühler über das Manuscript von Tauler, einem Gelehrten der bei dem Fürsten Schwarzenberg im Hause ist, und dem ich alle meine Aufträge und Bitten desfalls vorgetragen habe. Vielleicht findest Du auch Gelegenheit, mit Fürst Schwarzenberg selbst ein Wort davon zu reden. Mein ganzer Sinn steht nun hierauf.
Wenn Du irgend kannst, so rathe Helmina ja ab, hieher zu kommen. Ich kann Dir nicht alle Gründe auseinander setzen, warum ich gewiß bin, daß sie sich in allen Erwartungen hier getäuscht finden würde; ich würde so wenig für sie thun können, daß ich mir kaum getraue ihr die fortdauernde Erlaubniß des Aufenthaltes zu erwirken. Auch würden ihr fast alle ihre litterarischen Hülfsmittel abgeschnitten sein. Und wie kann sie denn versichert sein, daß Chezy ihr auch Geld schicken wird? – Wenn sie aber schlechterdings nach Deutschland muß, so wäre Frankfurt vielleicht oder eine andre Deutsche Stadt ungleich besser für sie als Wien.
[9] Wegen unsres Siebenbürgischen Document[s] darf ich jetzt noch keinen Schritt wagen. Es könnte mir sehr schaden, da der Neid ohnehin rege genug ist. Doch werde ich den ersten günstigen Augenblick nicht versäumen. – Von Tiecks höre ich, daß Knorring einmal wieder Geld bekommen, und daß sie nach der Schweiz gehn; wenn sie Euch da nur nicht etwa gegen den Winter zur Last fallen.
Liebster Freund, ich habe eine recht große Bitte an Dich; schenke mir doch eine Abschrift von Deinen beiden Gedichten, auf Fichte und Tieck. Verlaß Dich auf meinen vorsichtigsten Gebrauch. Mir würde es zur höchsten Erquickung gereichen, denn es sind dieses Gedichte, woran man sozusagen nur zu riechen braucht, um guter Laune zu werden.
Sonderbar, daß wir uns in unsern Vermuthungen über den Verfasser des Niebelungenliedes so begegnet haben. Denn auch ich habe mich schon in Kölln überzeugt, daß er in Oesterreich gelebt haben müsse – nur habe ich auf Heinrich von Ofterdingen gerathen. Die kritische Ausgabe von Hagen steht [10] schon im Meßkatalog angekündigt, aber erhalten habe ich sie nicht. Möchte der Himmel wollen daß ich eine Ausgabe der Niebelungen von Dir erlebte! An solchem Tage müßte ein großes Fest gefeiert werden. – Geliebter Bruder, lebe herzlich wohl und vergilt mir nicht gleiches mit gleichem. Laß mich bald von Dir hören, empfiehl mich der Staël aufs beste. Meine Frau grüßt Dich vielmals; wir führen ein recht stilles einfaches Leben.
Dein
Friedrich

Ist die Uebersetzung meines indischen Werks von Manget nicht zu Stande gekommen, thut mir doch recht herzlich leid.
[1] Wien den 7ten July 1810
Geliebter Freund, mit unbeschreiblicher Sehnsucht habe ich von einer Woche zur andern auf einen Brief von Dir gewartet. Zwar hatten wir durch Henrietten liebevolle Nachricht von Dir, Hammer hatte Dich wenigstens gesehen, aber wie vieles war nicht, was diese mir nicht sagen konnten und was ich von Dir selbst zu hören wünschte. Dazu kam dann noch die Ungewißheit Deines Aufenthaltes! – Freilich hättest Du sehr großmüthig sein müßen, wenn Du aber anschaulich wüßtest, warum ich geschwiegen, so würdest Du gewiß nicht zürnen können. Mißmuth, Traurigkeit, Verdruß und Aengstlichkeit hatten sich meiner ganz und gar bemächtigt. Kaum gelingt es mir noch jetzt, durch den Genuß der Sommerluft, Poesie und heitre Gesellschaft mich einen oder den andern Tag der Schwermuth zu entreißen, aber nur zu oft sinke ich wieder zurück. Kränklichkeit hat den größten Antheil an dieser Verstimmung. Noch nie habe ich so viel [2] an meiner Gesundheit gelitten, als vergangenen Spätwinter und Frühling, und kaum fängt es nur an, durch vieles Baden und Bewegung, ein weniges besser zu werden. Ich habe es nun begreifen lernen daß der Spleen eine wahre physische Krankheit sein kann, auch stimmen alle Doctoren überein, mich auf Hypochondrie zu behandeln. Damit Du aber nicht denkst, daß es eitel Einbildung sei, so will ich nur noch hinzusetzen, daß ich seit mehr als 9 Wochen unter andern auch an einem fürchterlichen Krampfhusten leide, der bis jetzt allen Gegenmitteln wiederstanden hat.
[3] Um die Sommerluft zu geniessen, wohne ich jetzt in dem grossen Zollerischen Hause auf der Jägerzeil, wenn Du Dich dessen noch erinnerst. Die Söhne meiner Frau sind jetzt zum Besuche bei uns, Philipp ist recht liebenswürdig geworden. Sonst ist man hier einsam im Sommer.
Meine Vorlesungen werden jetzt bei Schaumburg gedruckt. Die Ausarbeitung derselben wurde mir in der letzten Zeit, wegen meiner immer steigenden Kränklichkeit, äusserst schwer. Zu meinen eifrigsten Zuhörern gehörten die Lichtensteins besonders die junge Fürstin geb. Esterhazy, und der Herzog von Würtemberg. – Da ich 160 Pränumeranten hatte, so blieben mir nach Abzug der Unkosten etwas über 4000 fl. die uns sehr heilsam gewesen sind. Doch glaubst Du gar nicht, wie sich der Werth dieses Geldes seit Deinem Hiersein geändert hat; man bezahlt alles 2 mal, vieles 3 mal so theuer als zu Deiner Zeit oder auch noch vor dem Kriege.
Die größte Erquickung gewährte mir mit beginnendem Frühjahr das erste was ich zur Erholung las, die erste Abtheilung Deines 2ten Bandes dramaturgische Vorlesungen. Den Beschluß aber habe ich leider noch nicht erhalten. Desgleichen Deine Recensionen über das Buch der Liebe und den Ariost. Ich wünschte aber fast, Du gäbest den Heidelbergern nichts mehr (sie lassen ohnehin den jungen ungewaschenen Gesellen etwas zu viel Spielraum) – und wende[4]test mir alles zu, für den litterarischen Theil des Oesterreichischen Beobachters. Varnhagen hat die meisten Nummern mit nach Paris genommen, mit dem Versprechen sie durch Henriette Dir zukommen zu lassen. Du wirst Dich leicht in die Verhältnisse versetzen. Mühe, ja auch Verdruß macht mir die ganze Sache genug. Außer allen Arten der Beschränktheit und Eitelkeit, die man zu schonen hat, fehlt es auch dem kleinsten Gelingen nie an Neidern. – In der Jungfrau von Orleans wirst Du eine Zeile verändert finden; sie ist dem admittitur zum Opfer gefallen. Ich hoffe, Du bist nicht ungehalten darüber.
Die ganz definitive Bestimmung meines Verhältnisses wird wohl erst jetzt nach Zurückkunft von Metternich erfolgen; indessen ziehe ich die Besoldung wie bisher. – Was sagst Du dazu, daß ich mich jetzt ganz auf die Bühne lenke? Ich habe mich sogar verleiten lassen, eine Bearbeitung der Schillerschen Jungfrau für die [5] Bühne zu versprechen. Wenn meine Gesundheit nur nicht gar zu elend bleibt, und der Druck der Vorlesungen mir nicht zu viel Zeit raubt, so soll gewiß bis zum Ende Herbst wenigstens ein Stück von Karl dem Vten fertig sein, und ist das erst der Fall, dann ist mir wegen der übrigen nicht bange. Als übende Nebenarbeit habe ich auch große Lust, den Cid von Corneille für unser Theater zu poetisiren.
Dieß führt mich recht auf meinen schon oft geäußerten Wunsch zurück, daß Du ganz als dramatischer Dichter die Herrschaft der Deutschen Bühne übernehmen möchtest! Ich bin gewiß, es würde auch zu Deiner innern Zufriedenheit viel beitragen. Mit den einzelnen Gedichten das erschöpft sich doch; in kritischen Werken hast Du nun eine solche Vollendung und Sicherheit erreicht, daß Dir dieß allein auch wohl keine neue Befriedigung mehr gewähren kann. Von größern Werken sind aber die dramatischen Dir auch schon um deßwillen angemeßner, als solche die man einzig aus sich heraus spinnt, weil der äußre Anreiz [6] und Antrieb der lebendigen Mittheilung und äußern Einwirkens auf Dich sehr wohlthätig wirkt. – Liebster Bruder, könnte ich es doch noch einmal erleben, Dich mit vollen Kräften dichterisch wirken, und dann gewiß auch innerlich zufrieden zu sehn! –
Wenn Du mir von den Umrissen – oder was es auch sonst immer sein möchte, für den Beobachter etwas schicken könntest, das wäre sehr schön und würdest Du mir einen treflichen Liebesdienst dadurch erweisen. Ich bitte sehr darum. – Fouqué hat mir weil er gehört, wie sehr ich seinen Sigurd gelobt, einen freundlichen Brief geschrieben. Er sagt darin, es habe geheißen, Du wärest als Professor nach Berlin berufen, aber nun bezweifle er es wieder. Ist denn so etwas im Werke gewesen? –
Wie begierig sehe ich nun aber der Hauptsache entgegen, der Entscheidung über die Reise! – Ich muß Dir nur gestehen, daß an meiner Betrübniß im Winter diese Sorge einen großen Antheil [7] hatte, und ich mich mehr als ich ausdrücken kann, desfalls gegrämt. Jetzt hat mir der Aufschub wieder einige Hoffnung gegeben.
Franz Baader will herkommen, was für mich ein großer Gewinn sein würde. Es fehlt mir hier doch gar sehr an Mittheilung.
Die Fortsetzung der von Dir nicht übersetzten Stücke Shakespeare bei Hitzig geht schnell fort. Die beiden ersten Bände von Keßler und Krause enthalten Cymbeline, Ende gut alles gut, Viel Lärmen um Nichts und ein Wintermährchen. Der dritte Band soll gleich nach der Meße erscheinen. Hier ist bei Pichler ein Shakespeare von A. W. S.[chlegel] und Eschenburg angekündigt, vermuthlich also ein Nachdruck, wo sie was Du nicht hast, aus Eschenburg nehmen.
Könntest Du mir das Werk von der Stael über uns arme Deutsche recht schnell und gleich aus der Presse verschaffen, so würdest Du mir dadurch einen sehr wichtigen Dienst erzeigen. Du dürftest nur auf die Addresse setzen an F S.[chlegel] bei der Staatskanzlei zu Wien; und es dann an die kaiserliche Gesandt[8]schaft in Paris besorgen lassen. – Wenn Du noch einmahl nach Paris gehst, so sprich doch mit Bühler über das Manuscript von Tauler, einem Gelehrten der bei dem Fürsten Schwarzenberg im Hause ist, und dem ich alle meine Aufträge und Bitten desfalls vorgetragen habe. Vielleicht findest Du auch Gelegenheit, mit Fürst Schwarzenberg selbst ein Wort davon zu reden. Mein ganzer Sinn steht nun hierauf.
Wenn Du irgend kannst, so rathe Helmina ja ab, hieher zu kommen. Ich kann Dir nicht alle Gründe auseinander setzen, warum ich gewiß bin, daß sie sich in allen Erwartungen hier getäuscht finden würde; ich würde so wenig für sie thun können, daß ich mir kaum getraue ihr die fortdauernde Erlaubniß des Aufenthaltes zu erwirken. Auch würden ihr fast alle ihre litterarischen Hülfsmittel abgeschnitten sein. Und wie kann sie denn versichert sein, daß Chezy ihr auch Geld schicken wird? – Wenn sie aber schlechterdings nach Deutschland muß, so wäre Frankfurt vielleicht oder eine andre Deutsche Stadt ungleich besser für sie als Wien.
[9] Wegen unsres Siebenbürgischen Document[s] darf ich jetzt noch keinen Schritt wagen. Es könnte mir sehr schaden, da der Neid ohnehin rege genug ist. Doch werde ich den ersten günstigen Augenblick nicht versäumen. – Von Tiecks höre ich, daß Knorring einmal wieder Geld bekommen, und daß sie nach der Schweiz gehn; wenn sie Euch da nur nicht etwa gegen den Winter zur Last fallen.
Liebster Freund, ich habe eine recht große Bitte an Dich; schenke mir doch eine Abschrift von Deinen beiden Gedichten, auf Fichte und Tieck. Verlaß Dich auf meinen vorsichtigsten Gebrauch. Mir würde es zur höchsten Erquickung gereichen, denn es sind dieses Gedichte, woran man sozusagen nur zu riechen braucht, um guter Laune zu werden.
Sonderbar, daß wir uns in unsern Vermuthungen über den Verfasser des Niebelungenliedes so begegnet haben. Denn auch ich habe mich schon in Kölln überzeugt, daß er in Oesterreich gelebt haben müsse – nur habe ich auf Heinrich von Ofterdingen gerathen. Die kritische Ausgabe von Hagen steht [10] schon im Meßkatalog angekündigt, aber erhalten habe ich sie nicht. Möchte der Himmel wollen daß ich eine Ausgabe der Niebelungen von Dir erlebte! An solchem Tage müßte ein großes Fest gefeiert werden. – Geliebter Bruder, lebe herzlich wohl und vergilt mir nicht gleiches mit gleichem. Laß mich bald von Dir hören, empfiehl mich der Staël aufs beste. Meine Frau grüßt Dich vielmals; wir führen ein recht stilles einfaches Leben.
Dein
Friedrich

Ist die Uebersetzung meines indischen Werks von Manget nicht zu Stande gekommen, thut mir doch recht herzlich leid.
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