• Charlotte Ernst to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Dresden · Place of Destination: Bonn · Date: [12. April 1823]
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Charlotte Ernst
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Dresden
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: [12. April 1823]
  • Notations: Datum und Empfangsort erschlossen. – Datierung durch den beiliegenden Brief von Ludwig Emanuel Ernst.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-33449
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.7,Nr.27
  • Number of Pages: 8S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,1 x 12 cm
  • Incipit: „[1] Liebster Bruder
    Ich habe dir schon längst meinen innigsten Dank sagen wollen, daß durch deinen Schutz alles so herrlich für [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
[1] Liebster Bruder
Ich habe dir schon längst meinen innigsten Dank sagen wollen, daß durch deinen Schutz alles so herrlich für Gustchen in Paris geht. Dir verdanken wir allein Ihre glückliche Aufnahme bey Gerard. Nun ist mein größter Wunsch erfüllt daß ein großer Maler sie ordentlich in die Schule genommen und nun kann auch etwas ordentliches aus ihr werden, denn bisher kann man sagen hatte sie sich im malen ganz selbst fort gehalten, fände Gerard nicht das sie Fortschritte machte so würde er sie nicht mit solcher Beharrlichkeit und Liebe bey sich behalten, sondern sie bald nach dem Louvre zum Copiren expediren, für diese Sache muß ich dir ewig dankbar bleiben. Gustchen hatte für sich ganz allein ohne unsere Zuthun diesen Beruf erwählt, nun war mir aber eine Unvollkommenheit darinnen auch unbeschadet ihres Nutzens unerträglich, ich glaube das ist ein Schlegelsches Gefühl, das ich das Stümperhafte so haße. Nun wünsche ich daß du ganz allein ihre Bahn leitest, bey Gustchen mag wohl man[2]nigmal ein heimisches Gefühl wieder eintreten, auch den Kosten Aufwand scheuen das muß aber keine Einwirkung haben sondern ihre Studien müßten gut und Gründlich vollendet werden, auch bin ich gar nicht so unruhig darüber ob sie etwas verdient wenn sie nur lernt. Sie hat schon ein paar mal den Gedanken geäußert daß sie künftigen Herbst glaubte Paris verlaßen zu können. Wenn ich aber bedenke was ihr alles noch fehlte so kann ich es kaum glauben. Perspektive praktisch angewandt, um die Gegenstände gehörig hervor und zurück treten zu laßen, der effect des Halbdunkels Schlagschatten & dazu gehört sehr vil Rößler Rösler der große Bilder malt versteht dieß gar nicht, Auch Vogeln habe ich in der Linealperspective fehlen sehen in dem Studium wird sie wohl niemals groß werden, denn kein Mathematisch Genie ist sie nicht, doch muß sie sich doch etwas wenig Kenntniß erlangen, bey kleinen Zeichnungen ist es unumgänglich nöthig es komt doch mannigmal ein Gebäude oder ein inneres Zimmer vor, man ist sonst gar zu beschränket schränkt. Die erstere nämlich die Luft Perspective ist nun ganz unumgänglich nöthig – [3] die braucht freylich mehr auch ein inneres Gefühl, aber es will practisch geübt seyn und auch seinen Rathgeber haben, und in Dresden glaube ich könnte sie den umsonst suchen. Als Zeichnerinn hat sie zwar einen guten Unterricht für eine Liebhaberinn gehabt Köpfe richtig nach Gyps zeichnen, gute Handzeichnungen mit großer Accuratesse nachgzegezeichnet, aber die Natur ist ganz an die Seite geblieben, und eigne Entwürfe aus der Phantasie sind gar nicht vorgekommen, welches allemal mit dem copiren Hand in Hand gehen muß auch hat sie zuvil Zeichnungen ausgearbeitet, es wäre beßer gewesen ihr häufiger Conture und nur den Schatten in Maße andeuten zu laßen, damit sie dadurch Haltung lernte, denn bey dem auspitzeln denkt man zu sehr ans einzelne, und nimt auch zuvil Zeit weg. In München hat sie zwar schöne Gelegenheit gehabt sich zu üben aber keinen sonderlichen Corrector, glaube ich, und so bleibt gewiß da noch vil viel nachzuholen übrig. Ueber alles sprich mit ihr ich gebe dir ihre Leitung ganz in die Hände geliebtester Bruder, sie muß dir über alles gründliche Auskunft geben
[4] wir wollen ihr so lange es Noth thut, regelmäßig alle Vierthel Jahr 250 r. nach [un]serm sächsischen Gelde schicken, freylich zu extraordinairen Summen zu reisen, könnten wir uns nicht einlaßen, das überstieg[e] unsere Kräfte. Sey so gütig bester Bruder und schreib mir und mit ganz lakonischen Worten was du denkst denn ich weiß wie kostbar dir deine Zeit ist. Du bist Director bey der Ausgrabung der Antiquen am Rhein geworden, wahrscheinlich ist dies angenehm aber es kostet dir Zeit, wie wird sich das vereinbaren? bringt es dir was ein?
Tiek grüßt dich herzlich er ist sehr leidend an der Gicht und ich fürchte fast für ihn. Er wünscht auch so herzlich daß du einmal kommen möchtest, ich glaube auch es sollte dir recht wohl hier seyn. Bey Tiek fändest du eine Versammlung interreßanter Leute, der so genannte Dichterzirkel, wo der Minister Nostiz a la tête ist würde dich auf den Händen tragen, und was ich dabey für Freude empfinden würde, kann ich dir gar nicht sagen. Ich habe eben einen Brief von meiner Schwiegerinn aus Hannover bekommen, diese hat den Wunderbaren Einfall auf mehrere Monathe mit ihrem Enkelchen nach Dresde[n] [5] zu kommen, der mich in nicht geringe Verlegenheit setzt. Ich begreife gar nicht den Grund den sie dazu haben kann, die Musik reizte sie nicht sonderlich, die Malerey, Abgüsse & gar nicht, das Gute Gustchen wandte ihre Dukaten dran, es ihr zu zeigen ud sie erklärte immer sie gieng Gustchen zu gefallen, die Natur zog sie auch nicht sonderlich an, den Weg nach meinen großen Garten, der mir heute noch lieblich ist ob ich ihn gleich alle Tage gehe war ihr gleich zum erstenmale zur last das Putchardische Gebäude gefiel ihr am besten wo ich nichts als Spielerey sehe. Unser Tisch gefiel ihr nicht, freylich gebe ich zu, daß ich damals selbst sehr matt, meine Köchinn nicht sonderlich ud ich auch keinen großen Kosten Aufwand machen konnte, doch sind alle Einquartirungen mit den Tisch zufrieden gewesen, so muß er doch nicht so gar schlecht gewesen seyn. Ich habe mit aller möglichen resignation ud Aufwand meiner Kräfte, sie alle Morgen ein paar Stunden unterhalten und Nachmittags gieng die Noth wieder an wenn keine Parthie vor war. So haben wir uns nun 7 Wochen hingequält, und das gute Gustchen ängstigte sich ab, weil sie doch mit Schuld war ich hofte auch glücklich das Ende zu erreichen doch wurde sie die letzten Tage unpäßlich, und nun war ihre Humeur Humeur gar nicht mehr auszuhalten, sie bezeigte über alles was wir thaten die größte Unzufriedenheit, obgleich alles ud jedes Geschah was ihr der Doctor verordnete, freylich verlangte sie, der Tisch für uns ge[6]sunde sollte so besetzt seyn, daß wenn der sie dabey herum gienge und es besähe, ihr durch was friandes ihr Apetit gereizt würde, ich wiedersprach ihr nie mit einem Worte, ud so blieb den allemal einseitiger Friede. Mein guter Mann, der allemal alle Mittage ihr den besten Wein aus seinem Keller auftischte, war ihr doch nicht assidus genug und sie hatte eine pique auf ihn er betrieb ihre Reise Angelegenheiten nicht genug, er setzte sich nicht genug persönlich in Bewegung, mein Mann dadurch aufgeregt, will es recht gut machen, ud will den letzten Morgen sich ihrer ritterlich annehmen *welches aber jämmerlich ablief der Fuhrmann hatte wieder die Bedingung andre Leute aufgepackt mein Mann hilt ihm das vor, und es entsteht dadurch ein kleiner Wortwechsel; darüber war sie ganz außer sich sie machte meinem Mann eine schreckliche Scene, der ganz Stupefais war, kam ganz außer sich wieder herauf wollte ohnmächtig werden, und warf sich endlich im Wagen, der Hofräthinn Althof die sie begleitete als wie zum Schutz in die Arme mein Mann hatte kein Wort gesagt, ich bin nachher etwas zurückhaltend in meinen Briefen gewesen doch höflich und artig, habe mich mehr an meinen Bruder addressirt und nun will sie wieder kommen!! Auch liegt etwas undelicates darinn, von meinen Kindern hat sie Kostgeld genommen, zwar nicht vil aber doch den Tag ½ Thaler Kaffee, Thee Licht & haben sie sich selbst gehalten Wein ist gar nicht vorgekommen. bey ihrer Her[7]reise mit den Kindern hat sie zwar ihren 5 3ten Theil bezahlt aber alles so theuer eingerichtet, daß den Kindern die Herreise auf 50 r. theurer gekommen als die Heimreise. Wenn nun der Mann wie sie sagt bis an 3000 r. mit seinen juristischen Arbeiten komt, so sollte sie sich doch in Acht nehmen jemanden von dem sie es denken kann daß er genau herrechnen muß, nur die geringste Last aufzulegen, ich werde die Sache so viel als möglich zu um gehen suchen, aber ich glaube das wird schwer halten, es würde mir den ganzen Sommer verderben, das Schlimmste ist, das durch diese zu voreilige Reise, ich villeicht um meine beiden Brüder komme die ich so sehnlichst wünsche zu sehn, Karl hatte es ihr auf künftiges Jahr versprochen, er muß doch dieß Jahr keine Zeit haben, ist sie nun aber da gewesen, so komt er gewiß nicht und Moritz auch nicht. Wenn aber auch Carl komt so will sie doch allein voran reisen ud einige Monathe hier verweilen. Ich sollte villeicht mich nicht so weitläuftig über die Schwigerinn ausgelaßen haben. Aber ich sehe es auch als eine Rechtfertigung meiner guten Mutter an, die beständig so bitter über sie geklagt und die doch wirklich nicht unrecht gehabt haben mag. Uebrigens verkenne ich ihre guten Eigenschaften nicht, sie hat vil savoir faire, und besonders wenn ihre Eitelkeit im Spiele ist kann sie Wunder thun. Sie hat wahres Talent für weibliche elegante Arbeiten, und erzählt mun[8]ter und angenehm, wo sie geschmeichelt seyn will, kann sie angenehm schmeicheln, aber so wie manche Leute nicht ohne Schulden leben können so kann sie nicht ohne Zwist leben, einer muß immer bestehn, da giebt es denn theilnehmende Vertraute, es wird darüber geklatscht die Köpfe zusammengestekt kurz es bingt Würze in das Leben, dieß ist es auch hauptsächlich glaube ich, was ihr so wenig Beyfall in Hannover erworben hat. Wie sich die Schwiegerinn bey dem ehelichen Zwist ihrer Kinder nimt kann ich nicht sagen weil ich davon nichts weiß, doch fiengen schon die Mishelligkeiten zwischen der Schwiegermutter an, da er mit seiner Frau noch ganz gut stand sie *und mit ihr in Dresden war die junge Frau äußerte mir sie wäre wie zwischen Thür und Angel. Es ist recht ungla[ub]lich für die gute Büchting doch soll sie sich auch nicht ganz so nehmen wie sie in einer so kritischen Lage sollte, zu sehr dem Vergnügen nachgehen, Aufwand machen &
Bloß um ihrer Kinder willen ließ sie sich nicht scheiden schreibt die Schwiegerinn und daran thut sie klug, sie sollte nur alles thun was einmal eine künftige Annäherung wieder bewirken könnte. Verzeih es ja lieber Bruder daß ich dich mit lauter solchen Sachen unterhalten habe. Gott erhalte dich gesund. Deine
dich liebende Schwester
Charlotte Ernst
[1] Liebster Bruder
Ich habe dir schon längst meinen innigsten Dank sagen wollen, daß durch deinen Schutz alles so herrlich für Gustchen in Paris geht. Dir verdanken wir allein Ihre glückliche Aufnahme bey Gerard. Nun ist mein größter Wunsch erfüllt daß ein großer Maler sie ordentlich in die Schule genommen und nun kann auch etwas ordentliches aus ihr werden, denn bisher kann man sagen hatte sie sich im malen ganz selbst fort gehalten, fände Gerard nicht das sie Fortschritte machte so würde er sie nicht mit solcher Beharrlichkeit und Liebe bey sich behalten, sondern sie bald nach dem Louvre zum Copiren expediren, für diese Sache muß ich dir ewig dankbar bleiben. Gustchen hatte für sich ganz allein ohne unsere Zuthun diesen Beruf erwählt, nun war mir aber eine Unvollkommenheit darinnen auch unbeschadet ihres Nutzens unerträglich, ich glaube das ist ein Schlegelsches Gefühl, das ich das Stümperhafte so haße. Nun wünsche ich daß du ganz allein ihre Bahn leitest, bey Gustchen mag wohl man[2]nigmal ein heimisches Gefühl wieder eintreten, auch den Kosten Aufwand scheuen das muß aber keine Einwirkung haben sondern ihre Studien müßten gut und Gründlich vollendet werden, auch bin ich gar nicht so unruhig darüber ob sie etwas verdient wenn sie nur lernt. Sie hat schon ein paar mal den Gedanken geäußert daß sie künftigen Herbst glaubte Paris verlaßen zu können. Wenn ich aber bedenke was ihr alles noch fehlte so kann ich es kaum glauben. Perspektive praktisch angewandt, um die Gegenstände gehörig hervor und zurück treten zu laßen, der effect des Halbdunkels Schlagschatten & dazu gehört sehr vil Rößler Rösler der große Bilder malt versteht dieß gar nicht, Auch Vogeln habe ich in der Linealperspective fehlen sehen in dem Studium wird sie wohl niemals groß werden, denn kein Mathematisch Genie ist sie nicht, doch muß sie sich doch etwas wenig Kenntniß erlangen, bey kleinen Zeichnungen ist es unumgänglich nöthig es komt doch mannigmal ein Gebäude oder ein inneres Zimmer vor, man ist sonst gar zu beschränket schränkt. Die erstere nämlich die Luft Perspective ist nun ganz unumgänglich nöthig – [3] die braucht freylich mehr auch ein inneres Gefühl, aber es will practisch geübt seyn und auch seinen Rathgeber haben, und in Dresden glaube ich könnte sie den umsonst suchen. Als Zeichnerinn hat sie zwar einen guten Unterricht für eine Liebhaberinn gehabt Köpfe richtig nach Gyps zeichnen, gute Handzeichnungen mit großer Accuratesse nachgzegezeichnet, aber die Natur ist ganz an die Seite geblieben, und eigne Entwürfe aus der Phantasie sind gar nicht vorgekommen, welches allemal mit dem copiren Hand in Hand gehen muß auch hat sie zuvil Zeichnungen ausgearbeitet, es wäre beßer gewesen ihr häufiger Conture und nur den Schatten in Maße andeuten zu laßen, damit sie dadurch Haltung lernte, denn bey dem auspitzeln denkt man zu sehr ans einzelne, und nimt auch zuvil Zeit weg. In München hat sie zwar schöne Gelegenheit gehabt sich zu üben aber keinen sonderlichen Corrector, glaube ich, und so bleibt gewiß da noch vil viel nachzuholen übrig. Ueber alles sprich mit ihr ich gebe dir ihre Leitung ganz in die Hände geliebtester Bruder, sie muß dir über alles gründliche Auskunft geben
[4] wir wollen ihr so lange es Noth thut, regelmäßig alle Vierthel Jahr 250 r. nach [un]serm sächsischen Gelde schicken, freylich zu extraordinairen Summen zu reisen, könnten wir uns nicht einlaßen, das überstieg[e] unsere Kräfte. Sey so gütig bester Bruder und schreib mir und mit ganz lakonischen Worten was du denkst denn ich weiß wie kostbar dir deine Zeit ist. Du bist Director bey der Ausgrabung der Antiquen am Rhein geworden, wahrscheinlich ist dies angenehm aber es kostet dir Zeit, wie wird sich das vereinbaren? bringt es dir was ein?
Tiek grüßt dich herzlich er ist sehr leidend an der Gicht und ich fürchte fast für ihn. Er wünscht auch so herzlich daß du einmal kommen möchtest, ich glaube auch es sollte dir recht wohl hier seyn. Bey Tiek fändest du eine Versammlung interreßanter Leute, der so genannte Dichterzirkel, wo der Minister Nostiz a la tête ist würde dich auf den Händen tragen, und was ich dabey für Freude empfinden würde, kann ich dir gar nicht sagen. Ich habe eben einen Brief von meiner Schwiegerinn aus Hannover bekommen, diese hat den Wunderbaren Einfall auf mehrere Monathe mit ihrem Enkelchen nach Dresde[n] [5] zu kommen, der mich in nicht geringe Verlegenheit setzt. Ich begreife gar nicht den Grund den sie dazu haben kann, die Musik reizte sie nicht sonderlich, die Malerey, Abgüsse & gar nicht, das Gute Gustchen wandte ihre Dukaten dran, es ihr zu zeigen ud sie erklärte immer sie gieng Gustchen zu gefallen, die Natur zog sie auch nicht sonderlich an, den Weg nach meinen großen Garten, der mir heute noch lieblich ist ob ich ihn gleich alle Tage gehe war ihr gleich zum erstenmale zur last das Putchardische Gebäude gefiel ihr am besten wo ich nichts als Spielerey sehe. Unser Tisch gefiel ihr nicht, freylich gebe ich zu, daß ich damals selbst sehr matt, meine Köchinn nicht sonderlich ud ich auch keinen großen Kosten Aufwand machen konnte, doch sind alle Einquartirungen mit den Tisch zufrieden gewesen, so muß er doch nicht so gar schlecht gewesen seyn. Ich habe mit aller möglichen resignation ud Aufwand meiner Kräfte, sie alle Morgen ein paar Stunden unterhalten und Nachmittags gieng die Noth wieder an wenn keine Parthie vor war. So haben wir uns nun 7 Wochen hingequält, und das gute Gustchen ängstigte sich ab, weil sie doch mit Schuld war ich hofte auch glücklich das Ende zu erreichen doch wurde sie die letzten Tage unpäßlich, und nun war ihre Humeur Humeur gar nicht mehr auszuhalten, sie bezeigte über alles was wir thaten die größte Unzufriedenheit, obgleich alles ud jedes Geschah was ihr der Doctor verordnete, freylich verlangte sie, der Tisch für uns ge[6]sunde sollte so besetzt seyn, daß wenn der sie dabey herum gienge und es besähe, ihr durch was friandes ihr Apetit gereizt würde, ich wiedersprach ihr nie mit einem Worte, ud so blieb den allemal einseitiger Friede. Mein guter Mann, der allemal alle Mittage ihr den besten Wein aus seinem Keller auftischte, war ihr doch nicht assidus genug und sie hatte eine pique auf ihn er betrieb ihre Reise Angelegenheiten nicht genug, er setzte sich nicht genug persönlich in Bewegung, mein Mann dadurch aufgeregt, will es recht gut machen, ud will den letzten Morgen sich ihrer ritterlich annehmen *welches aber jämmerlich ablief der Fuhrmann hatte wieder die Bedingung andre Leute aufgepackt mein Mann hilt ihm das vor, und es entsteht dadurch ein kleiner Wortwechsel; darüber war sie ganz außer sich sie machte meinem Mann eine schreckliche Scene, der ganz Stupefais war, kam ganz außer sich wieder herauf wollte ohnmächtig werden, und warf sich endlich im Wagen, der Hofräthinn Althof die sie begleitete als wie zum Schutz in die Arme mein Mann hatte kein Wort gesagt, ich bin nachher etwas zurückhaltend in meinen Briefen gewesen doch höflich und artig, habe mich mehr an meinen Bruder addressirt und nun will sie wieder kommen!! Auch liegt etwas undelicates darinn, von meinen Kindern hat sie Kostgeld genommen, zwar nicht vil aber doch den Tag ½ Thaler Kaffee, Thee Licht & haben sie sich selbst gehalten Wein ist gar nicht vorgekommen. bey ihrer Her[7]reise mit den Kindern hat sie zwar ihren 5 3ten Theil bezahlt aber alles so theuer eingerichtet, daß den Kindern die Herreise auf 50 r. theurer gekommen als die Heimreise. Wenn nun der Mann wie sie sagt bis an 3000 r. mit seinen juristischen Arbeiten komt, so sollte sie sich doch in Acht nehmen jemanden von dem sie es denken kann daß er genau herrechnen muß, nur die geringste Last aufzulegen, ich werde die Sache so viel als möglich zu um gehen suchen, aber ich glaube das wird schwer halten, es würde mir den ganzen Sommer verderben, das Schlimmste ist, das durch diese zu voreilige Reise, ich villeicht um meine beiden Brüder komme die ich so sehnlichst wünsche zu sehn, Karl hatte es ihr auf künftiges Jahr versprochen, er muß doch dieß Jahr keine Zeit haben, ist sie nun aber da gewesen, so komt er gewiß nicht und Moritz auch nicht. Wenn aber auch Carl komt so will sie doch allein voran reisen ud einige Monathe hier verweilen. Ich sollte villeicht mich nicht so weitläuftig über die Schwigerinn ausgelaßen haben. Aber ich sehe es auch als eine Rechtfertigung meiner guten Mutter an, die beständig so bitter über sie geklagt und die doch wirklich nicht unrecht gehabt haben mag. Uebrigens verkenne ich ihre guten Eigenschaften nicht, sie hat vil savoir faire, und besonders wenn ihre Eitelkeit im Spiele ist kann sie Wunder thun. Sie hat wahres Talent für weibliche elegante Arbeiten, und erzählt mun[8]ter und angenehm, wo sie geschmeichelt seyn will, kann sie angenehm schmeicheln, aber so wie manche Leute nicht ohne Schulden leben können so kann sie nicht ohne Zwist leben, einer muß immer bestehn, da giebt es denn theilnehmende Vertraute, es wird darüber geklatscht die Köpfe zusammengestekt kurz es bingt Würze in das Leben, dieß ist es auch hauptsächlich glaube ich, was ihr so wenig Beyfall in Hannover erworben hat. Wie sich die Schwiegerinn bey dem ehelichen Zwist ihrer Kinder nimt kann ich nicht sagen weil ich davon nichts weiß, doch fiengen schon die Mishelligkeiten zwischen der Schwiegermutter an, da er mit seiner Frau noch ganz gut stand sie *und mit ihr in Dresden war die junge Frau äußerte mir sie wäre wie zwischen Thür und Angel. Es ist recht ungla[ub]lich für die gute Büchting doch soll sie sich auch nicht ganz so nehmen wie sie in einer so kritischen Lage sollte, zu sehr dem Vergnügen nachgehen, Aufwand machen &
Bloß um ihrer Kinder willen ließ sie sich nicht scheiden schreibt die Schwiegerinn und daran thut sie klug, sie sollte nur alles thun was einmal eine künftige Annäherung wieder bewirken könnte. Verzeih es ja lieber Bruder daß ich dich mit lauter solchen Sachen unterhalten habe. Gott erhalte dich gesund. Deine
dich liebende Schwester
Charlotte Ernst
· Beiliegender Brief von/an A.W. Schlegel , 12.04.1823
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