• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Heidelberg · Place of Destination: Bonn · Date: [Spätherbst 1821]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Heidelberg
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: [Spätherbst 1821]
  • Notations: Datum sowie Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 384‒387.
  • Incipit: „[1] [Heidelberg, Spätherbst 1821]
    Theuerster Freund!
    Ihr lezter Brief hat mir aus so vielen Gründen die herzlichste Freude verursacht, daß ich eile Ihnen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-33958
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.13,Nr.30
  • Number of Pages: 6S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 21 x 12,8 cm
    Language
  • German
[1] [Heidelberg, Spätherbst 1821]
Theuerster Freund!
Ihr lezter Brief hat mir aus so vielen Gründen die herzlichste Freude verursacht, daß ich eile Ihnen sogleich dafür zu danken, und vor allen für das freundliche Versprechen uns im künftigen Frühjahr zu besuchen, denn da Sie einen so nahe gelegenen Ort als Manheim oder Darmstadt als den Punkt des Zusammentreffens bestimmen, so nenne ich dies schon uns besuchen weil es für uns gar keine Schwierigkeit hat uns dahin zu verfügen. Wenn es Ihnen möglich wäre bald genau die Zeit zu bestimmen, wenn Sie diese Reise unternehmen könten, so würden Sie dadurch uns, und vieleicht auch sich eine grosse Freude bereiten. Mein Bruder Friedrich hat mir nehmlich das bestimte Versprechen gegeben, uns im künftigen Frühling hier zu besuchen, wenn ich ihm nun bei zeiten melden könte wenn Sie in Manheim oder Darmstadt einzutreffen denken, so könte er es wohl mit seinen Arbeiten so einrichten, daß er zu derselben Zeit eintreffe, und ich denke Sie würden sich ebenfals freuen, ihn nach so langer Zeit wieder zu sehen. Wie sehr es mich erfreuen würde, wenigstens auf eine kurze Zeit im Kreise meiner liebsten Freunde zu leben, vermag ich nicht mit Worten auszudrüken.
Daß Sie so gütig sein wollen Flore und Blanscheflur herauszugeben, und sich als Herausgeber [2] zu nennen, endlich daß Sie eine Vorrede dazu schreiben wollen, erfüllt mich um so mehr mit Dankbarkeit, da Sie dadurch alle meine Wünsche erfüllen die ich nicht auszusprechen wagte, weil ich mir denken kann, wie viel Sie arbeiten und es mir daher unbescheiden däuchte, Ihre Arbeiten noch zu meinem Besten zu vermehren. Nicht allein meinen Dank für diese freundschaftliche Güte, habe ich Ihnen dar zu bringen, auch Knorring danck[t] Ihnen herzlich dafür. Er freut sich unglaublich auf die Erscheinung dieses Gedichts, woran ich viel mit Fleiß und Liebe gearbeitet habe. Ein Umstand nur ist mir unangenehm. Mit Ihrem Brief zugleich erhielt ich Einen von meinem Bruder Friedrich, worin er mir meldet daß er das Manuscript an Reimer verkauft habe, der es zu Ostern drucken wolle. Wenn es Ihnen mein theuerster Freund nun so gefällig ist, so werde ich nach Berlin schreiben, daß mann die 7 Gesänge welche sich dort befinden Ihnen sogleich zur Durchsicht zuschickt, und die 5 Gesänge, welche sich noch hier befinden, werde ich Ihnen so bald sie abgeschrieben sind zu schiken. Ich bitte Sie herzlich mir Ihre Meinung darüber sogleich mitzutheilen, damit ich keinen Zeitverlust durch meine Schuld veranlasse. Unendlich viel lieber wäre es mir gewesen, wenn Sie es übernommen hätten einem Buchhändler Vorschläge zu machen, allein da der Bruder [3] es nun gethan hat, so kann ich ihn nicht so compromittiren, daß ich nun Einwendungen machte. Diese Rüksicht wird Ihnen selbst so natürlich scheinen, daß Sie sie nicht misbilligen werden, und gewiß werden Sie mir nicht dadurch den unschäzbahren Vortheil entziehen, und sich dennoch als der Herausgeber nennen, und mit einer Vorrede eine Arbeit begleiten, der Sie immer Ihren Beifall geschenkt haben. Daß ich ein so grosses Gewicht auf die Erfüllung meines Wunsches lege ist natürlich, denn mir ist der gute Erfolg gesichert, wenn ein so tiefsinniger Kenner der Poesie, dessen Nahme allgemein anerkant ist, seine Ansicht, zu meinem Vortheil ausspricht.
Daß Sie an Felix mit Wärme und Liebe denken, hat mich inniglich erfreut, und es ist ein Grund mehr weshalb ich den Frühling mit Sehnsucht herbeiwünsche, um ihn Ihnen vorzustellen. Ich fürchte nicht daß Sie die Erwartung welche Sie in seiner Kindheit von ihm hegten, getäuscht finden werden, ich glaube nicht daß ich [ihn] mit dem geblendeten Auge einer eitlen Mutter betrachte, ich kenne seine Fehler sehr gut, aber ich muß mir zu meinem Trost sagen, daß sie alle aus einem stolzen kühnen Geist, und kein einziger aus einem niedrigen Charackter entspringen. Waß Sie über seine Studien rathen, habe ich mit einer Art von Rührung gelesen, weil Sie finden werden, wenn Sie ihn sehen, daß er gerade so gebildet worden [4] ist, als ob ich Ihren Rath in dieser Hinsicht beständig hätte benutzen können. Es kam ihm sehr zu statten daß Knorring selbst sehr gute Mathematische Kentnisse hat, und er also keinen besseren Lehrer in dieser Wissenschaft wünschen konnte. Er versteht sehr gut Lateinisch, so daß er den Salust ohne Schwierigkeit liest, und diesen Winter den Tacitus lesen wird. Da er Lateinisch versteht so sind ihm die neueren Sprachen leicht geworden, er spricht und liest Französisch beinahe so gut als Deutsch, und wird diesen Winter seinen Styl üben, Italiänisch hat er schon längst so weit gebracht, daß er ohne grosse Schwierigkeit, den Petrarka und Dante gelesen hat, das Spanische ist ihm nicht schwer geworden, und da bein Englischen allein die Aussprache schwierig ist, so betrachte ich es als einen Vortheil, daß wir jezt bei Engländern im Hause wohnen, mit denen ein höflicher Umgang statt findet, wodurch es ihm leicht fallen wird die national Aussprache zu erlernen. Da ich, wie Sie wissen immer einen entschiedenen Abscheu gegen ein plumpes ungeschicktes Betragen gehabt habe, so können Sie wohl denken, daß ich dafür Sorge getragen habe, daß mein Sohn, den ich so sehr liebe, nicht einen schlechten Eindruck in der Gesellschaft macht. Er ist von allen jungen Leuten die ich kenne der beste Tänzer, er reitet, ficht und schwimt sehr gut, und der Himmel hat ihm den Vorzug einer schönen Stimme zum Gesang verliehen. Ich muß lächeln indem ich bemerke welch [5] ein vortheilhaftes Bild ich von diesen geliebten Menschen Ihnen entworfen habe, so daß es nun kommen kann, daß Sie Ihre Erwartung getäuscht finden, wenn Sie ihn sehen, auf den Fall werden Sie die Vorliebe einer Mutter entschuldigen.
Sehr richtig beurtheilen Sie ihn wenn Sie glauben daß der Parade Dienst im Frieden ihn nicht befriedigen wird. Ich glaube den würde er eben so schnel überdrüssig werden, als das nüchterne rohe Wesen der Studenten, nur darin kann ich leider nicht Ihrer Meinung sein, daß der Krieg so sehr in der Ferne zu suchen sei. Gott weiß welche Begebenheiten die nächsten Jahre bringen. Von unschäzbahrer Wichtigkeit wird uns Ihr Rath in Ansehung der Wahl der Kriegsdienste sein. Rußland ist von uns allen ausgeschlossen, denn dies unermesliche Reich liegt zu fern von der Europäischen Cultur, als daß ich wünschen könte, edle Kräfte, in diese Chaotische Masse verlohren gehen zu sehen. Über die übrigen Möglichkeiten wollen wir uns mündlich sprechen.
Betrübend ist es uns allen gewesen aus Ihrem Brief zu sehen daß Sie sich nicht wohl befinden, da Sie aber selbst Ihre Unpäßlichkeit nicht ernsthaft nehmen, wie es aus Ihrem Brief hervorgeht, so hoffen wir daß Sie nun schon völlig hergestellt sein werden. Es wäre beklagenswerth wenn Ihr thätiges [6] Leben durch Übelbefinden unterbrochen werden sollte. Ich bitte Sie uns darüber bald beruhigende Nachrichten zu geben, da Niemand wärmeren Antheil an alles waß Sie betrift zu nehmen vermag. Leben Sie wohl theuerster Freund, Knorring und Felix grüssen Sie herzlich, und freuen sich unendlich Sie wieder zu umarmen, doch niemand lebhafter als ich selbst. Mit der herzlichsten Freundschaft
die Ihrige
S[ophie] Knorring.
[1] [Heidelberg, Spätherbst 1821]
Theuerster Freund!
Ihr lezter Brief hat mir aus so vielen Gründen die herzlichste Freude verursacht, daß ich eile Ihnen sogleich dafür zu danken, und vor allen für das freundliche Versprechen uns im künftigen Frühjahr zu besuchen, denn da Sie einen so nahe gelegenen Ort als Manheim oder Darmstadt als den Punkt des Zusammentreffens bestimmen, so nenne ich dies schon uns besuchen weil es für uns gar keine Schwierigkeit hat uns dahin zu verfügen. Wenn es Ihnen möglich wäre bald genau die Zeit zu bestimmen, wenn Sie diese Reise unternehmen könten, so würden Sie dadurch uns, und vieleicht auch sich eine grosse Freude bereiten. Mein Bruder Friedrich hat mir nehmlich das bestimte Versprechen gegeben, uns im künftigen Frühling hier zu besuchen, wenn ich ihm nun bei zeiten melden könte wenn Sie in Manheim oder Darmstadt einzutreffen denken, so könte er es wohl mit seinen Arbeiten so einrichten, daß er zu derselben Zeit eintreffe, und ich denke Sie würden sich ebenfals freuen, ihn nach so langer Zeit wieder zu sehen. Wie sehr es mich erfreuen würde, wenigstens auf eine kurze Zeit im Kreise meiner liebsten Freunde zu leben, vermag ich nicht mit Worten auszudrüken.
Daß Sie so gütig sein wollen Flore und Blanscheflur herauszugeben, und sich als Herausgeber [2] zu nennen, endlich daß Sie eine Vorrede dazu schreiben wollen, erfüllt mich um so mehr mit Dankbarkeit, da Sie dadurch alle meine Wünsche erfüllen die ich nicht auszusprechen wagte, weil ich mir denken kann, wie viel Sie arbeiten und es mir daher unbescheiden däuchte, Ihre Arbeiten noch zu meinem Besten zu vermehren. Nicht allein meinen Dank für diese freundschaftliche Güte, habe ich Ihnen dar zu bringen, auch Knorring danck[t] Ihnen herzlich dafür. Er freut sich unglaublich auf die Erscheinung dieses Gedichts, woran ich viel mit Fleiß und Liebe gearbeitet habe. Ein Umstand nur ist mir unangenehm. Mit Ihrem Brief zugleich erhielt ich Einen von meinem Bruder Friedrich, worin er mir meldet daß er das Manuscript an Reimer verkauft habe, der es zu Ostern drucken wolle. Wenn es Ihnen mein theuerster Freund nun so gefällig ist, so werde ich nach Berlin schreiben, daß mann die 7 Gesänge welche sich dort befinden Ihnen sogleich zur Durchsicht zuschickt, und die 5 Gesänge, welche sich noch hier befinden, werde ich Ihnen so bald sie abgeschrieben sind zu schiken. Ich bitte Sie herzlich mir Ihre Meinung darüber sogleich mitzutheilen, damit ich keinen Zeitverlust durch meine Schuld veranlasse. Unendlich viel lieber wäre es mir gewesen, wenn Sie es übernommen hätten einem Buchhändler Vorschläge zu machen, allein da der Bruder [3] es nun gethan hat, so kann ich ihn nicht so compromittiren, daß ich nun Einwendungen machte. Diese Rüksicht wird Ihnen selbst so natürlich scheinen, daß Sie sie nicht misbilligen werden, und gewiß werden Sie mir nicht dadurch den unschäzbahren Vortheil entziehen, und sich dennoch als der Herausgeber nennen, und mit einer Vorrede eine Arbeit begleiten, der Sie immer Ihren Beifall geschenkt haben. Daß ich ein so grosses Gewicht auf die Erfüllung meines Wunsches lege ist natürlich, denn mir ist der gute Erfolg gesichert, wenn ein so tiefsinniger Kenner der Poesie, dessen Nahme allgemein anerkant ist, seine Ansicht, zu meinem Vortheil ausspricht.
Daß Sie an Felix mit Wärme und Liebe denken, hat mich inniglich erfreut, und es ist ein Grund mehr weshalb ich den Frühling mit Sehnsucht herbeiwünsche, um ihn Ihnen vorzustellen. Ich fürchte nicht daß Sie die Erwartung welche Sie in seiner Kindheit von ihm hegten, getäuscht finden werden, ich glaube nicht daß ich [ihn] mit dem geblendeten Auge einer eitlen Mutter betrachte, ich kenne seine Fehler sehr gut, aber ich muß mir zu meinem Trost sagen, daß sie alle aus einem stolzen kühnen Geist, und kein einziger aus einem niedrigen Charackter entspringen. Waß Sie über seine Studien rathen, habe ich mit einer Art von Rührung gelesen, weil Sie finden werden, wenn Sie ihn sehen, daß er gerade so gebildet worden [4] ist, als ob ich Ihren Rath in dieser Hinsicht beständig hätte benutzen können. Es kam ihm sehr zu statten daß Knorring selbst sehr gute Mathematische Kentnisse hat, und er also keinen besseren Lehrer in dieser Wissenschaft wünschen konnte. Er versteht sehr gut Lateinisch, so daß er den Salust ohne Schwierigkeit liest, und diesen Winter den Tacitus lesen wird. Da er Lateinisch versteht so sind ihm die neueren Sprachen leicht geworden, er spricht und liest Französisch beinahe so gut als Deutsch, und wird diesen Winter seinen Styl üben, Italiänisch hat er schon längst so weit gebracht, daß er ohne grosse Schwierigkeit, den Petrarka und Dante gelesen hat, das Spanische ist ihm nicht schwer geworden, und da bein Englischen allein die Aussprache schwierig ist, so betrachte ich es als einen Vortheil, daß wir jezt bei Engländern im Hause wohnen, mit denen ein höflicher Umgang statt findet, wodurch es ihm leicht fallen wird die national Aussprache zu erlernen. Da ich, wie Sie wissen immer einen entschiedenen Abscheu gegen ein plumpes ungeschicktes Betragen gehabt habe, so können Sie wohl denken, daß ich dafür Sorge getragen habe, daß mein Sohn, den ich so sehr liebe, nicht einen schlechten Eindruck in der Gesellschaft macht. Er ist von allen jungen Leuten die ich kenne der beste Tänzer, er reitet, ficht und schwimt sehr gut, und der Himmel hat ihm den Vorzug einer schönen Stimme zum Gesang verliehen. Ich muß lächeln indem ich bemerke welch [5] ein vortheilhaftes Bild ich von diesen geliebten Menschen Ihnen entworfen habe, so daß es nun kommen kann, daß Sie Ihre Erwartung getäuscht finden, wenn Sie ihn sehen, auf den Fall werden Sie die Vorliebe einer Mutter entschuldigen.
Sehr richtig beurtheilen Sie ihn wenn Sie glauben daß der Parade Dienst im Frieden ihn nicht befriedigen wird. Ich glaube den würde er eben so schnel überdrüssig werden, als das nüchterne rohe Wesen der Studenten, nur darin kann ich leider nicht Ihrer Meinung sein, daß der Krieg so sehr in der Ferne zu suchen sei. Gott weiß welche Begebenheiten die nächsten Jahre bringen. Von unschäzbahrer Wichtigkeit wird uns Ihr Rath in Ansehung der Wahl der Kriegsdienste sein. Rußland ist von uns allen ausgeschlossen, denn dies unermesliche Reich liegt zu fern von der Europäischen Cultur, als daß ich wünschen könte, edle Kräfte, in diese Chaotische Masse verlohren gehen zu sehen. Über die übrigen Möglichkeiten wollen wir uns mündlich sprechen.
Betrübend ist es uns allen gewesen aus Ihrem Brief zu sehen daß Sie sich nicht wohl befinden, da Sie aber selbst Ihre Unpäßlichkeit nicht ernsthaft nehmen, wie es aus Ihrem Brief hervorgeht, so hoffen wir daß Sie nun schon völlig hergestellt sein werden. Es wäre beklagenswerth wenn Ihr thätiges [6] Leben durch Übelbefinden unterbrochen werden sollte. Ich bitte Sie uns darüber bald beruhigende Nachrichten zu geben, da Niemand wärmeren Antheil an alles waß Sie betrift zu nehmen vermag. Leben Sie wohl theuerster Freund, Knorring und Felix grüssen Sie herzlich, und freuen sich unendlich Sie wieder zu umarmen, doch niemand lebhafter als ich selbst. Mit der herzlichsten Freundschaft
die Ihrige
S[ophie] Knorring.
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