• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Köln · Place of Destination: Coppet · Date: 21.07.1804
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Köln
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 21.07.1804
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 125‒128.
  • Weitere Drucke: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 26. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Pariser und Kölner Lebensjahre (1802‒1808). Erster Teil Juni 1802 ‒ Dezember 1805). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Dierkes. Paderborn 2018, S. 221‒224.
  • Incipit: „[1] Kölln. Den 21ten Julius. 1804.
    Herzlich geliebter Bruder, ich muß mir Vorwürfe machen, daß ich nicht schon einige Zeit eher geschrieben [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,I,15
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl. u. 1 S., hs. m. U.
  • Format: 20 x 11,9 cm
    Language
  • German
[1] Kölln. Den 21ten Julius. 1804.
Herzlich geliebter Bruder, ich muß mir Vorwürfe machen, daß ich nicht schon einige Zeit eher geschrieben habe; aber theils war ich sehr beschäftigt, theils wollte ich auch recht bestimmt und weitläuftig schreiben. – Unaussprechlich hab ich mich gefreut über die guten Nachrichten die Dein Brief enthält, und über die Aeußerung Deiner brüderlichen Liebe. Ich fühle mehr als je Sehnsucht und Bedürfniß Dich wieder zu sehen, ja wo möglich recht lange mit Dir vereint zu leben. Ich wünsche von Herzen, daß es möglich wird, uns bald zu sehen; wo nicht so muß es künftigen Sommer desto länger geschehen. – Ich habe erst vor einigen Wochen meine Vorlesungen anfangen können; ich würde also wenn ich sie auch so sehr beschleunigen und verdoppeln will als nur irgend schicklich ist, doch nicht vor dem 18ten September reisen können, vielleicht erst den 20ten. Ist Dir nun diese Zeit nicht zu kurz bis zu Eurer Abreise nach Italien, so soll es an meiner Bereitwilligkeit und Schnelligkeit im Reisen nicht liegen. Nur freilich sind es 180 lieues. Diese hin und her zu reisen, werde ich wohl 25–30 Karolin haben müssen; und dazu habʼ ich für mich eben keine Aussicht. Ja wenn ich sie auch erübrigen [2] könnte, so müßte ich sie wohl anders anwenden, da ich trotz alles Sparens in Paris doch einige wenn gleich nicht sehr große doch sehr dringende Schulden zurückgelassen habe; noch weit dringender aber wärʼ es mir, für die Mutter etwas zu thun, wärʼs auch nur um ihr meinen guten Willen zu beweisen. Daß ich dieß bisher nicht konnte ist mir eine der drückendsten und quälendsten Sorgen. Mit einer Reise nach Paris, wo ich Dir anfänglich eine Zusammenkunft vorschlug, wär es eine andre Sache; denn meine Freunde haben mir, eh ich mit ihnen hieher ging, das bestimmte Versprechen gegeben, mir alle Mittel zu einer Rückreise nach Paris zu verschaffen, um meine indischen Studien fortsetzen zu können.
Du erbietest Dich nun zwar, mir behülflich zu sein; aber kaum weiß ich ob ich es noch zugeben darf, meine Schuld an Dich von neuem zu vermehren. Kannst Du indessen, weil ich keine andre Mittel sehe, unsere Zusammenkunft schon jezt zu Stande zu bringen, die Summe des Reisegeldes für mich auf eine solche Art leihen, die Dir durchaus nicht nachtheilig sein kann, so thuʼ es und ich will dann zu Dir eilen so schnell als es geht. Fünf Tage sind es von hier bis [3] Basel, wie weit es von da ist, wirst Du besser wissen. Schreib mir auch, wenn dieser Plan ausführbar ist, wie ich von Basel zu reisen habe, hoffentlich doch über Bern, und nicht durch französische Länder? – Kannst Du nun jene Einrichtung treffen, so bitte ich Dich, mir zeitig genug eine Anweisung auf die größere Hälfte jener Summe zu schicken; da hier in Kölln mehre sehr angesehene Speditions- und Banquier-Handlungen sind, so wird es Dir mit einiger Mühe nicht schwer werden sie zu finden.
Auf Deine Reise nach Italien freue ich mich sehr; es muß unendlich vortheilhaft auf Deinen Geist und Deine Stimmung wirken. Vermuthlich schränkt Ihr Euch nicht bloß auf Florenz und Rom ein, da Ihr nur so kurze Zeit auf der Reise seid, und Ober Italien ohnehin so nahe habt.
Meine Hefte werde ich wohl schwerlich mitbringen, wenn ich jetzt, also nur auf sehr kurze Zeit komme; fast alles bezieht sich auf meine orientalischen Studien, außerdem hab ich nicht viel aufgeschrieben. Dagegen bitte ich Dich, da Du Deutschland nun auf einige Zeit verläßst, mir einiges von Deinen Heften zurückzulassen, wo möglich mit der Erlaubniß, eins oder das andre daraus drucken zu lassen. – Die Fortsetzung des Athenäums muß wohl unterbleiben? – Mein Lessing ist fertig geworden und ich habe Mahlmann himmelhoch gebeten, ihn Dir zu verschaffen. – Das Packet mit Neuigkeiten von der Messe, [4] dessen Du erwähnst, habʼ ich nicht erhalten; ich wollte Du hättest erwähnt durch wen und an wen es gegangen ist; denn ich bin sehr begierig danach.
Hat Steffens den Ruf nach Halle angenommen von dem in den Zeitungen gestanden hat? – Will Fichte wirklich und in der That gar nicht mehr schreiben? – Es ist sonderbar, daß ich Dich um Deutsche Neuigkeiten fragen muß; aber ich höre hier von nichts. – Ist mein Brief vom 10ten April an Charlotte, von dieser an Dich geschickt worden, oder zuerst an Dich gekommen? In diesem Falle hoffʼ ich Du hast ihn ihr nachher zukommen lassen, da sie lange keine Nachrichten von mir gehabt hatte.
Zu den orientalischen Studien müssen wir nothwendig einige Monate wenigstens beisammen sein. Ich hoffe daß Du Antheil daran nehmen wirst, besonders das Persische wünschtʼ ich recht in Deine Hand. Du bist daran ohne es zu wissen; denn vom Calderone zur persischen Dichtkunst ist wirklich nur ein Schritt; die Aehnlichkeit bis auf [5] einzelne Züge und Bilder ist überraschend groß. Du wirst Dich in den Persischen Dichtern gleich ganz zu Hause fühlen. – Auch ist dieß ein Studium, was man allein überall fortsetzen kann. Du könntest, wenn Ihr nach England reiset, diese Reise dazu nutzen; denn da 5 bis 6 Bücher, was Poesie betrift eine für immer genügende und vollständige persische Bibliothek ausmachen (von epischen und romantischen Dichtern sind nur vier etwa – FirdusiNizamiJamiHatify – berühmt und in Europa vorhanden; die lyrischen Dichter aber sind so ähnlich, daß man an einem oder zwei der berühmtesten völlig genug hat) so könntest Du Dir in London für eine mäßige Summe vielleicht alle Manuscripte schaffen die Du je brauchen würdest; auch würdest Du dort leicht jemand finden, wenn Du Dich ein oder zwei Monate eine Stunde des Tages abmüssigen könntest, der im Lande selbst oder in Indien die wahre Aussprache erlernt hat; diese ist mir fremd, denn in Frankreich kennt man sie nicht, und Hamilton liest schon so viel Indisch mit mir, daß ich ihm nicht damit beschwerlich fallen konnte, da ich für ihn zuweit zurück war, als daß es ihm [6] hätte Vergnügen machen können. Freilich wärʼ es gut wenn wir vorher uns zusammen einstudiren könnten; die besten Addressen an die persischen Gelehrten in England könnte ich Dir sicher versprechen. Aus meinen indischen Papieren wirst Du Dir zwar was die Sprache betrift, einen ziemlich befriedigenden Begriff machen können; wolltest Du aber selbst dafür arbeiten, so müßten wir wohl ein halbes Jahr wenigstens mit einander in Paris zubringen. Indische Manuscripte sind in England wohl auch zu kaufen, aber nicht so gewöhnlich als persische.
Ich bitte Dich mich für heute bei Deiner Freundin zu entschuldigen; ich hätte ihr wohl vieles zu sagen, aber ich bin nicht gestimmt dazu. Schon seit einiger Zeit fühl ich mich trockner und unfruchtbarer als gewöhnlich; ich bin nicht so wohl verdrießlich und gestört, als traurig und niedergeschlagen. Ich muß durchaus einmal wieder etwas Ordentliches dichten; das Schreiben in Prosa gewährt mir keine Freude. – Was aber vermuthlich am meisten Schuld hat, ist die lange Entbehrung der Freundschaft. Tieck hat sich wie es scheint völlig [7] eingesponnen, Schleiermacher ist nicht glücklich, alle scheinen mich mehr oder minder in so kurzer Zeit vergessen zu haben. Du allein hast mir aus der Ferne oft ein tröstliches Wort der Freundschaft gesandt, und wenn mich sonst bisweilen der Gedanke an die unseeligen Verhältnisse störte, so sehe ich Dich jezt in einem neuen Leben und neuen Glücke wandeln. Ich wünsche daß wir uns wiedersehen nicht bloß, sondern auch künftig überhaupt näher und vereinigter sein mögen; doch das alles wird sich nur mündlich besprechen lassen. Leider bin ich immer noch wie sonst weder recht frei noch auch ganz abhängig, und wenn gleich meine äußre Lage sich zulezt immer unter meine innre Bestimmung hat fügen und für meinen Geist hat nützlich werden müssen, so fühlʼ ich doch mein Wirken nur allʼ zu oft und zu sehr beschränkt. – Nun lebe wohl und antworte mir bald, schneller als ich es gethan habe. Können wir uns diesen Herbst nicht sehen [8] so denke nur gleich darauf wie es künftigen Sommer auf die längste Art geschehen kann; mir gilt es gleich, ob ich zu Anfange oder zu Ende Sommers in Paris bin, und mit 3 Monaten dort habʼ ich genug.
Sehr gut ist es für die Staël gewiß, zu reisen. Ich bin überzeugt, daß doch auch die französische Umgebung und das Wesen, woran sie durch Erziehung und Sprache gefesselt ist, zu ihrer Melancholie beiträgt. – Ich weiß, daß nichts für einen gefühlvollen Menschen einen so unmerklichen aber tiefen Grund zur Schwermuth legt, als langer Umgang mit Franzosen.
Sehr gern hättʼ ich Hülsens Addresse von Dir gehabt. An Bernhardi deshalb zu schreiben, ist doch ganz vergeblich. Du solltest Deinen Aufenthalt in der Schweiz wenigstens künftigen Sommer nutzen, um die beiden Handschriften der Nibelungen zu HohenEms und St. Gallen zu conferiren; da Bodmer sie nach Zürch erhielt, erhältst Du sie gewiß auch durch die Staël nach Genf. Auch wär es der Mühe werth in Rom einige wichtige Cardinäle oder den Pabst kennen zu lernen, um von den noch ungedruckten Deutschen Gedichten eins oder das andre mitbekommen zu können. [9] Eine kritische Ausgabe ist doch das beste was man für die Nibelungen thun kann; vor der Hand gewiß mehr als jede Umbildung.
Meine Frau ist fleißig an den alten Romanen. Nach dem wunderschönen vom Zauberer Merlin hat sie jezt eine noch ungedruckte Deutsche sehr merkwürdige [Geschichte] vorgenommen von den Söhnen Karl des Großen. – Sie grüßt Dich aufs beste.
Ich umarme Dich von Herzensgrund.
Friedrich.

Für das Indische geht mein ganzes Dichten und Trachten dahin, eine sehr reiche Chrestomathie in den Original Lettern drucken zu lassen, und zu dem Ende eine Schriftgiesserei anzulegen; schreiben kann ich das Indische so schön, daß es jedem Formschneider zum Muster dienen kann. Meine jungen Freunde haben mir auch hiezu Hoffnung und Versprechung gegeben; aber wer weiß wann sie werden erfüllt werden können. Hat Fichte meine Dedication des Lessing gut aufgenommen?
[10]
[1] Kölln. Den 21ten Julius. 1804.
Herzlich geliebter Bruder, ich muß mir Vorwürfe machen, daß ich nicht schon einige Zeit eher geschrieben habe; aber theils war ich sehr beschäftigt, theils wollte ich auch recht bestimmt und weitläuftig schreiben. – Unaussprechlich hab ich mich gefreut über die guten Nachrichten die Dein Brief enthält, und über die Aeußerung Deiner brüderlichen Liebe. Ich fühle mehr als je Sehnsucht und Bedürfniß Dich wieder zu sehen, ja wo möglich recht lange mit Dir vereint zu leben. Ich wünsche von Herzen, daß es möglich wird, uns bald zu sehen; wo nicht so muß es künftigen Sommer desto länger geschehen. – Ich habe erst vor einigen Wochen meine Vorlesungen anfangen können; ich würde also wenn ich sie auch so sehr beschleunigen und verdoppeln will als nur irgend schicklich ist, doch nicht vor dem 18ten September reisen können, vielleicht erst den 20ten. Ist Dir nun diese Zeit nicht zu kurz bis zu Eurer Abreise nach Italien, so soll es an meiner Bereitwilligkeit und Schnelligkeit im Reisen nicht liegen. Nur freilich sind es 180 lieues. Diese hin und her zu reisen, werde ich wohl 25–30 Karolin haben müssen; und dazu habʼ ich für mich eben keine Aussicht. Ja wenn ich sie auch erübrigen [2] könnte, so müßte ich sie wohl anders anwenden, da ich trotz alles Sparens in Paris doch einige wenn gleich nicht sehr große doch sehr dringende Schulden zurückgelassen habe; noch weit dringender aber wärʼ es mir, für die Mutter etwas zu thun, wärʼs auch nur um ihr meinen guten Willen zu beweisen. Daß ich dieß bisher nicht konnte ist mir eine der drückendsten und quälendsten Sorgen. Mit einer Reise nach Paris, wo ich Dir anfänglich eine Zusammenkunft vorschlug, wär es eine andre Sache; denn meine Freunde haben mir, eh ich mit ihnen hieher ging, das bestimmte Versprechen gegeben, mir alle Mittel zu einer Rückreise nach Paris zu verschaffen, um meine indischen Studien fortsetzen zu können.
Du erbietest Dich nun zwar, mir behülflich zu sein; aber kaum weiß ich ob ich es noch zugeben darf, meine Schuld an Dich von neuem zu vermehren. Kannst Du indessen, weil ich keine andre Mittel sehe, unsere Zusammenkunft schon jezt zu Stande zu bringen, die Summe des Reisegeldes für mich auf eine solche Art leihen, die Dir durchaus nicht nachtheilig sein kann, so thuʼ es und ich will dann zu Dir eilen so schnell als es geht. Fünf Tage sind es von hier bis [3] Basel, wie weit es von da ist, wirst Du besser wissen. Schreib mir auch, wenn dieser Plan ausführbar ist, wie ich von Basel zu reisen habe, hoffentlich doch über Bern, und nicht durch französische Länder? – Kannst Du nun jene Einrichtung treffen, so bitte ich Dich, mir zeitig genug eine Anweisung auf die größere Hälfte jener Summe zu schicken; da hier in Kölln mehre sehr angesehene Speditions- und Banquier-Handlungen sind, so wird es Dir mit einiger Mühe nicht schwer werden sie zu finden.
Auf Deine Reise nach Italien freue ich mich sehr; es muß unendlich vortheilhaft auf Deinen Geist und Deine Stimmung wirken. Vermuthlich schränkt Ihr Euch nicht bloß auf Florenz und Rom ein, da Ihr nur so kurze Zeit auf der Reise seid, und Ober Italien ohnehin so nahe habt.
Meine Hefte werde ich wohl schwerlich mitbringen, wenn ich jetzt, also nur auf sehr kurze Zeit komme; fast alles bezieht sich auf meine orientalischen Studien, außerdem hab ich nicht viel aufgeschrieben. Dagegen bitte ich Dich, da Du Deutschland nun auf einige Zeit verläßst, mir einiges von Deinen Heften zurückzulassen, wo möglich mit der Erlaubniß, eins oder das andre daraus drucken zu lassen. – Die Fortsetzung des Athenäums muß wohl unterbleiben? – Mein Lessing ist fertig geworden und ich habe Mahlmann himmelhoch gebeten, ihn Dir zu verschaffen. – Das Packet mit Neuigkeiten von der Messe, [4] dessen Du erwähnst, habʼ ich nicht erhalten; ich wollte Du hättest erwähnt durch wen und an wen es gegangen ist; denn ich bin sehr begierig danach.
Hat Steffens den Ruf nach Halle angenommen von dem in den Zeitungen gestanden hat? – Will Fichte wirklich und in der That gar nicht mehr schreiben? – Es ist sonderbar, daß ich Dich um Deutsche Neuigkeiten fragen muß; aber ich höre hier von nichts. – Ist mein Brief vom 10ten April an Charlotte, von dieser an Dich geschickt worden, oder zuerst an Dich gekommen? In diesem Falle hoffʼ ich Du hast ihn ihr nachher zukommen lassen, da sie lange keine Nachrichten von mir gehabt hatte.
Zu den orientalischen Studien müssen wir nothwendig einige Monate wenigstens beisammen sein. Ich hoffe daß Du Antheil daran nehmen wirst, besonders das Persische wünschtʼ ich recht in Deine Hand. Du bist daran ohne es zu wissen; denn vom Calderone zur persischen Dichtkunst ist wirklich nur ein Schritt; die Aehnlichkeit bis auf [5] einzelne Züge und Bilder ist überraschend groß. Du wirst Dich in den Persischen Dichtern gleich ganz zu Hause fühlen. – Auch ist dieß ein Studium, was man allein überall fortsetzen kann. Du könntest, wenn Ihr nach England reiset, diese Reise dazu nutzen; denn da 5 bis 6 Bücher, was Poesie betrift eine für immer genügende und vollständige persische Bibliothek ausmachen (von epischen und romantischen Dichtern sind nur vier etwa – FirdusiNizamiJamiHatify – berühmt und in Europa vorhanden; die lyrischen Dichter aber sind so ähnlich, daß man an einem oder zwei der berühmtesten völlig genug hat) so könntest Du Dir in London für eine mäßige Summe vielleicht alle Manuscripte schaffen die Du je brauchen würdest; auch würdest Du dort leicht jemand finden, wenn Du Dich ein oder zwei Monate eine Stunde des Tages abmüssigen könntest, der im Lande selbst oder in Indien die wahre Aussprache erlernt hat; diese ist mir fremd, denn in Frankreich kennt man sie nicht, und Hamilton liest schon so viel Indisch mit mir, daß ich ihm nicht damit beschwerlich fallen konnte, da ich für ihn zuweit zurück war, als daß es ihm [6] hätte Vergnügen machen können. Freilich wärʼ es gut wenn wir vorher uns zusammen einstudiren könnten; die besten Addressen an die persischen Gelehrten in England könnte ich Dir sicher versprechen. Aus meinen indischen Papieren wirst Du Dir zwar was die Sprache betrift, einen ziemlich befriedigenden Begriff machen können; wolltest Du aber selbst dafür arbeiten, so müßten wir wohl ein halbes Jahr wenigstens mit einander in Paris zubringen. Indische Manuscripte sind in England wohl auch zu kaufen, aber nicht so gewöhnlich als persische.
Ich bitte Dich mich für heute bei Deiner Freundin zu entschuldigen; ich hätte ihr wohl vieles zu sagen, aber ich bin nicht gestimmt dazu. Schon seit einiger Zeit fühl ich mich trockner und unfruchtbarer als gewöhnlich; ich bin nicht so wohl verdrießlich und gestört, als traurig und niedergeschlagen. Ich muß durchaus einmal wieder etwas Ordentliches dichten; das Schreiben in Prosa gewährt mir keine Freude. – Was aber vermuthlich am meisten Schuld hat, ist die lange Entbehrung der Freundschaft. Tieck hat sich wie es scheint völlig [7] eingesponnen, Schleiermacher ist nicht glücklich, alle scheinen mich mehr oder minder in so kurzer Zeit vergessen zu haben. Du allein hast mir aus der Ferne oft ein tröstliches Wort der Freundschaft gesandt, und wenn mich sonst bisweilen der Gedanke an die unseeligen Verhältnisse störte, so sehe ich Dich jezt in einem neuen Leben und neuen Glücke wandeln. Ich wünsche daß wir uns wiedersehen nicht bloß, sondern auch künftig überhaupt näher und vereinigter sein mögen; doch das alles wird sich nur mündlich besprechen lassen. Leider bin ich immer noch wie sonst weder recht frei noch auch ganz abhängig, und wenn gleich meine äußre Lage sich zulezt immer unter meine innre Bestimmung hat fügen und für meinen Geist hat nützlich werden müssen, so fühlʼ ich doch mein Wirken nur allʼ zu oft und zu sehr beschränkt. – Nun lebe wohl und antworte mir bald, schneller als ich es gethan habe. Können wir uns diesen Herbst nicht sehen [8] so denke nur gleich darauf wie es künftigen Sommer auf die längste Art geschehen kann; mir gilt es gleich, ob ich zu Anfange oder zu Ende Sommers in Paris bin, und mit 3 Monaten dort habʼ ich genug.
Sehr gut ist es für die Staël gewiß, zu reisen. Ich bin überzeugt, daß doch auch die französische Umgebung und das Wesen, woran sie durch Erziehung und Sprache gefesselt ist, zu ihrer Melancholie beiträgt. – Ich weiß, daß nichts für einen gefühlvollen Menschen einen so unmerklichen aber tiefen Grund zur Schwermuth legt, als langer Umgang mit Franzosen.
Sehr gern hättʼ ich Hülsens Addresse von Dir gehabt. An Bernhardi deshalb zu schreiben, ist doch ganz vergeblich. Du solltest Deinen Aufenthalt in der Schweiz wenigstens künftigen Sommer nutzen, um die beiden Handschriften der Nibelungen zu HohenEms und St. Gallen zu conferiren; da Bodmer sie nach Zürch erhielt, erhältst Du sie gewiß auch durch die Staël nach Genf. Auch wär es der Mühe werth in Rom einige wichtige Cardinäle oder den Pabst kennen zu lernen, um von den noch ungedruckten Deutschen Gedichten eins oder das andre mitbekommen zu können. [9] Eine kritische Ausgabe ist doch das beste was man für die Nibelungen thun kann; vor der Hand gewiß mehr als jede Umbildung.
Meine Frau ist fleißig an den alten Romanen. Nach dem wunderschönen vom Zauberer Merlin hat sie jezt eine noch ungedruckte Deutsche sehr merkwürdige [Geschichte] vorgenommen von den Söhnen Karl des Großen. – Sie grüßt Dich aufs beste.
Ich umarme Dich von Herzensgrund.
Friedrich.

Für das Indische geht mein ganzes Dichten und Trachten dahin, eine sehr reiche Chrestomathie in den Original Lettern drucken zu lassen, und zu dem Ende eine Schriftgiesserei anzulegen; schreiben kann ich das Indische so schön, daß es jedem Formschneider zum Muster dienen kann. Meine jungen Freunde haben mir auch hiezu Hoffnung und Versprechung gegeben; aber wer weiß wann sie werden erfüllt werden können. Hat Fichte meine Dedication des Lessing gut aufgenommen?
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