• Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Berlin · Date: 29.06.1801
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Caroline von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 29.06.1801
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 179‒183 u. S. 620 (Kommentar).
  • Incipit: „Jena d. 29 Jun. [18]01.
    Erquicklicher konnte mir nichts seyn, als was Du mir da mit Einemmal eröfnest, mein lieber S. Ein [...]“
    Language
  • German
Jena d. 29 Jun. [18]01.
Erquicklicher konnte mir nichts seyn, als was Du mir da mit Einemmal eröfnest, mein lieber S. Ein Act fertig, 500 Verse, und wenn das Ding vollendet ist, ist es ein Schauspiel und kein überseztes, und Du scheinst zufrieden! Ja, diese Aussicht macht mich unbeschreiblich vergnügt und es ist billig, daß Du sie mir nicht länger vorenthalten hast; ich will auch weiter nichts und den Deckel des Gefäßes nicht etwa öffnen von Zeit zu Zeit, sondern fest verschlossen halten bis zu dem gehörigen Tage, wo er sich von selber aufthun wird. Sag mir auch weiter nichts ‒ nur seh ich, wenn Du ein solches Werk dort fertig machen willst, so kommst Du auch im Julius noch nicht, und ich muß die erregten Hoffnungen auf Deine Ankunft bey den Hausgenossen wieder niederschlagen, die Dir mit gefülleten Oehllampen gleichsam täglich entgegen gehn ‒ aber am Ende stehen wir vielleicht sämtlich wie die thörichten Jungfrauen da! Schelling und ich sind auf die Gedanken gekommen Dich nun, wenn Du in der lezten Hälfte des Sommers doch nicht zeitig kommst, spätlich selbst abzuholen, denn er hat große Lust nach Berlin zu gehn um dort auch einige philosophische Gespräche zu führen. Halte dieses aber nur nicht etwa für ein Projekt, das Dir Thür und Thor öffnete ordentlich mit Gewissensruhe dort zu verweilen, sondern fahre fort fleißig an Deine baldige Rückkehr zu denken. Am allermeisten aber an die herrliche Ausführung der herrlichen Unternehmung. Höchstens habe ich mir einen Euripides gedacht für das Berlinische Theater eingerichtet. Das ist gewiß, Du hältst Dich frisch und grünest immer von neuen, Gott wird Dir auch noch rechtes Gedeihen geben. Du machst es nicht wie die andern befreundeten Pflanzen, die sich so schmälich hinwelken lassen. Über Tiek kann ich mich gar nicht beruhigen. Ich hoffe zwar wohl, daß er auch einmal wieder hervorkommt, aber aus einem gewissen verkümmerten Zustande nimmermehr recht heraus.
Also seyd ihr auch gespannt, wie sich das zwischen Fichte und Schelling entscheidet? Da seyd ihr auf der rechten Spur, denn es ist alle mögliche Ursache vorhanden, und die Kämpfer ehrenwerth. Hat Dich denn Fichte überzeugt, daß es nicht geht mit der spekulativen Naturphilosophie? O schriebest Du mir nur zu meinem Privatvergnügen mehr davon, ich wolt es gewiß Schelling nicht verrathen, wenn Du es verbötest. Denn wenn auch der große Brief kommt, so wird doch F. Gesinnung darinn etwas verkleidet seyn. Sch. ist in einer wackren Stimmung. Er hoft recht zu haben und ist dabey doch voll Ehrfurcht gegen die heilige Stärke seines Gegners. Wenn die beyden wirklich öffentlich auftreten sollten, so wird es redlich und in einem würdigen Tone geschehn und alles übrige Volk in die Schranken zurückweichen müssen. Sch. würde in der That F. sehr gern mündlich sprechen, wenn bis zum Herbst hin nichts äußerlich sich in dem Stand der Dinge zwischen ihnen verändert. Sag also weiter nichts davon. Das aber verhehle mir nicht, ob Schleyermacher schon ein Urtheil glaubt fällen zu können.
Wenn Schelling auch heute seinen an Dich angefangnen Brief nicht endigt, so glaube nur, daß ihn seine Gedanken in Ketten und Banden haben, er ist nicht einmal zu Tisch gekommen.
Neulich habe ich vergessen Dir einen guten Einfall von Röschlaub mitzutheilen, einen materiellen Einfall jedoch: er läßt Browns Elemente bei Goeschen in einer Prachtausgabe mit einer lateinischen Vorrede drucken. Jetzt ist er auf einer Reise begriffen zu Weikard; man glaubt auch, nach München, und er würde einen Ruf nach Landshut erhalten, wie er denn auch einen als Physikus in Frankfurt gehabt, aber weil die Stelle ganz praktisch ist, nicht angenommen hat. ‒ Hier ist von nichts gescheutem die Rede. Kilian wird am Ende die Erlaubniß zu lesen bekommen, aber das wird bey alle dem Jena nicht weiter bringen.
Brentano ist in Göttingen und arbeitet an einem Preisintriguenstück! Diese Intriguen werden gewiß so verwickelt seyn, das kein Mensch draus klug werden kann. Kotzebue soll den 7 Jul. hier zubringen und d. 8ten zum Geburtstag seiner Mama, der alten Commère, in Weimar landen. Wir haben uns mit der Idee vergnügt ihm hier ein Ständchen mit Bu Bu Bu bringen zu lassen, und darauf sollte ein Bassist die Strafode absingen ‒ ja zum erstenmal haben wir den miserabeln Winkelmann hergewünscht, der dazu eben recht wäre, mit seiner Unternehmungssucht. Schelling möchte toll werden, daß er es nicht vermag. Luise und Julchen sind erbötig sich zu verkleiden und mitzusingen.
Luise ist wieder guter Laune und alles im alten Gleis. Heute ist sie besonders aufgeräumt, denn der alte Gleim ist blind geworden und Himly will ihn in Braunschweig operiren und in ihr Haus einmiethen auf ein Vierteljahr. Das ist ein recht glücklicher Umstand. Emma wird allerliebst. Schelling nimmt Luisen in den Arm und führt arge propos. Wiedemann schreibt recht oft; ich werde ihn nach Friedrich Tiek bestimmt fragen, er kann ihn noch einmal aufsuchen. Man hat auch in Weimar nichts von ihm gehört. ‒ Will Dich denn keiner von den Künstlern dort umsonst mahlen, mein guter Freund?
Das Wetter ist wieder schön, aber ich noch nicht gut. Gestern waren wir in Dornburg. Melish sind auch da, aber sie sollen sich so adelich anstellen, und er so albern, daß ich nicht die geringste Lust habe wieder zu thun, als ob ich sie kennte.
Ich danke Dir für eine Gesinnung, lieber Wilhelm, die Du äußerst ‒ ihr würdest Du die Reise nach Franken verbieten lassen, wenn Du die Macht hättest. Ja ich gestehe Dir, ich habe alle meine Kraft und Abstrakzion nöthig gehabt, wie ich es zuerst mit Gewißheit erfuhr, um mich von dem Gedanken zu wenden, daß diese Stelle entweihet werden sollte; ich habe bitterlich geweint und wolte Dir nichts sagen um mich selbst zu besiegen in dieser Empfindung. Die Unwürdige! Unreine! Werfe sie sich dort nur in den Staub ‒ im Lichte, wo sie wohnet, habt ihr keinen Theil an ihr. Und sie hat sich rühmen dürfen, daß sie die Zuneigung meines Kindes besessen? Niemals, niemals. Glaube es meiner treuesten Versichrung.
Arg ist es doch von Friedrich, daß er Dir gar nicht schreibt. Aber mache Dich auf Schamlosigkeit gefaßt. Diese nimmt er von ihr. ‒ Wir habens uns im Scherz gedacht: wenn Veit sie nun wieder nähme, weil sie so lange in Leipzig blieb. Lieben kann F. sie nicht ‒ er hat sie schon lange nicht mehr geliebt, sie glaubte es selbst schon nicht mehr in jenem Winter. Aber was er für die Person nicht thut, thut er für die Grundsäze. ‒ Könnten wir ihn auf einmal von ihr weg wieder unter uns an die alte Stelle versetzen, es würde ihm gewiß wohler seyn. Es ist consequent, daß er sich lieber ganz entfernt von uns, da er nicht von ihr kann. ‒ Ich bin auch überzeugt, zwischen ihm und Schelling liegt blos dieser Stein als unwegräumbar.
Versäume nicht mir zu schreiben, wenn es auch nur kurz ist. Wenn einmal kein Brief kommt, bin ich gleich wie desorientirt.
Lebe recht wohl.
Jena d. 29 Jun. [18]01.
Erquicklicher konnte mir nichts seyn, als was Du mir da mit Einemmal eröfnest, mein lieber S. Ein Act fertig, 500 Verse, und wenn das Ding vollendet ist, ist es ein Schauspiel und kein überseztes, und Du scheinst zufrieden! Ja, diese Aussicht macht mich unbeschreiblich vergnügt und es ist billig, daß Du sie mir nicht länger vorenthalten hast; ich will auch weiter nichts und den Deckel des Gefäßes nicht etwa öffnen von Zeit zu Zeit, sondern fest verschlossen halten bis zu dem gehörigen Tage, wo er sich von selber aufthun wird. Sag mir auch weiter nichts ‒ nur seh ich, wenn Du ein solches Werk dort fertig machen willst, so kommst Du auch im Julius noch nicht, und ich muß die erregten Hoffnungen auf Deine Ankunft bey den Hausgenossen wieder niederschlagen, die Dir mit gefülleten Oehllampen gleichsam täglich entgegen gehn ‒ aber am Ende stehen wir vielleicht sämtlich wie die thörichten Jungfrauen da! Schelling und ich sind auf die Gedanken gekommen Dich nun, wenn Du in der lezten Hälfte des Sommers doch nicht zeitig kommst, spätlich selbst abzuholen, denn er hat große Lust nach Berlin zu gehn um dort auch einige philosophische Gespräche zu führen. Halte dieses aber nur nicht etwa für ein Projekt, das Dir Thür und Thor öffnete ordentlich mit Gewissensruhe dort zu verweilen, sondern fahre fort fleißig an Deine baldige Rückkehr zu denken. Am allermeisten aber an die herrliche Ausführung der herrlichen Unternehmung. Höchstens habe ich mir einen Euripides gedacht für das Berlinische Theater eingerichtet. Das ist gewiß, Du hältst Dich frisch und grünest immer von neuen, Gott wird Dir auch noch rechtes Gedeihen geben. Du machst es nicht wie die andern befreundeten Pflanzen, die sich so schmälich hinwelken lassen. Über Tiek kann ich mich gar nicht beruhigen. Ich hoffe zwar wohl, daß er auch einmal wieder hervorkommt, aber aus einem gewissen verkümmerten Zustande nimmermehr recht heraus.
Also seyd ihr auch gespannt, wie sich das zwischen Fichte und Schelling entscheidet? Da seyd ihr auf der rechten Spur, denn es ist alle mögliche Ursache vorhanden, und die Kämpfer ehrenwerth. Hat Dich denn Fichte überzeugt, daß es nicht geht mit der spekulativen Naturphilosophie? O schriebest Du mir nur zu meinem Privatvergnügen mehr davon, ich wolt es gewiß Schelling nicht verrathen, wenn Du es verbötest. Denn wenn auch der große Brief kommt, so wird doch F. Gesinnung darinn etwas verkleidet seyn. Sch. ist in einer wackren Stimmung. Er hoft recht zu haben und ist dabey doch voll Ehrfurcht gegen die heilige Stärke seines Gegners. Wenn die beyden wirklich öffentlich auftreten sollten, so wird es redlich und in einem würdigen Tone geschehn und alles übrige Volk in die Schranken zurückweichen müssen. Sch. würde in der That F. sehr gern mündlich sprechen, wenn bis zum Herbst hin nichts äußerlich sich in dem Stand der Dinge zwischen ihnen verändert. Sag also weiter nichts davon. Das aber verhehle mir nicht, ob Schleyermacher schon ein Urtheil glaubt fällen zu können.
Wenn Schelling auch heute seinen an Dich angefangnen Brief nicht endigt, so glaube nur, daß ihn seine Gedanken in Ketten und Banden haben, er ist nicht einmal zu Tisch gekommen.
Neulich habe ich vergessen Dir einen guten Einfall von Röschlaub mitzutheilen, einen materiellen Einfall jedoch: er läßt Browns Elemente bei Goeschen in einer Prachtausgabe mit einer lateinischen Vorrede drucken. Jetzt ist er auf einer Reise begriffen zu Weikard; man glaubt auch, nach München, und er würde einen Ruf nach Landshut erhalten, wie er denn auch einen als Physikus in Frankfurt gehabt, aber weil die Stelle ganz praktisch ist, nicht angenommen hat. ‒ Hier ist von nichts gescheutem die Rede. Kilian wird am Ende die Erlaubniß zu lesen bekommen, aber das wird bey alle dem Jena nicht weiter bringen.
Brentano ist in Göttingen und arbeitet an einem Preisintriguenstück! Diese Intriguen werden gewiß so verwickelt seyn, das kein Mensch draus klug werden kann. Kotzebue soll den 7 Jul. hier zubringen und d. 8ten zum Geburtstag seiner Mama, der alten Commère, in Weimar landen. Wir haben uns mit der Idee vergnügt ihm hier ein Ständchen mit Bu Bu Bu bringen zu lassen, und darauf sollte ein Bassist die Strafode absingen ‒ ja zum erstenmal haben wir den miserabeln Winkelmann hergewünscht, der dazu eben recht wäre, mit seiner Unternehmungssucht. Schelling möchte toll werden, daß er es nicht vermag. Luise und Julchen sind erbötig sich zu verkleiden und mitzusingen.
Luise ist wieder guter Laune und alles im alten Gleis. Heute ist sie besonders aufgeräumt, denn der alte Gleim ist blind geworden und Himly will ihn in Braunschweig operiren und in ihr Haus einmiethen auf ein Vierteljahr. Das ist ein recht glücklicher Umstand. Emma wird allerliebst. Schelling nimmt Luisen in den Arm und führt arge propos. Wiedemann schreibt recht oft; ich werde ihn nach Friedrich Tiek bestimmt fragen, er kann ihn noch einmal aufsuchen. Man hat auch in Weimar nichts von ihm gehört. ‒ Will Dich denn keiner von den Künstlern dort umsonst mahlen, mein guter Freund?
Das Wetter ist wieder schön, aber ich noch nicht gut. Gestern waren wir in Dornburg. Melish sind auch da, aber sie sollen sich so adelich anstellen, und er so albern, daß ich nicht die geringste Lust habe wieder zu thun, als ob ich sie kennte.
Ich danke Dir für eine Gesinnung, lieber Wilhelm, die Du äußerst ‒ ihr würdest Du die Reise nach Franken verbieten lassen, wenn Du die Macht hättest. Ja ich gestehe Dir, ich habe alle meine Kraft und Abstrakzion nöthig gehabt, wie ich es zuerst mit Gewißheit erfuhr, um mich von dem Gedanken zu wenden, daß diese Stelle entweihet werden sollte; ich habe bitterlich geweint und wolte Dir nichts sagen um mich selbst zu besiegen in dieser Empfindung. Die Unwürdige! Unreine! Werfe sie sich dort nur in den Staub ‒ im Lichte, wo sie wohnet, habt ihr keinen Theil an ihr. Und sie hat sich rühmen dürfen, daß sie die Zuneigung meines Kindes besessen? Niemals, niemals. Glaube es meiner treuesten Versichrung.
Arg ist es doch von Friedrich, daß er Dir gar nicht schreibt. Aber mache Dich auf Schamlosigkeit gefaßt. Diese nimmt er von ihr. ‒ Wir habens uns im Scherz gedacht: wenn Veit sie nun wieder nähme, weil sie so lange in Leipzig blieb. Lieben kann F. sie nicht ‒ er hat sie schon lange nicht mehr geliebt, sie glaubte es selbst schon nicht mehr in jenem Winter. Aber was er für die Person nicht thut, thut er für die Grundsäze. ‒ Könnten wir ihn auf einmal von ihr weg wieder unter uns an die alte Stelle versetzen, es würde ihm gewiß wohler seyn. Es ist consequent, daß er sich lieber ganz entfernt von uns, da er nicht von ihr kann. ‒ Ich bin auch überzeugt, zwischen ihm und Schelling liegt blos dieser Stein als unwegräumbar.
Versäume nicht mir zu schreiben, wenn es auch nur kurz ist. Wenn einmal kein Brief kommt, bin ich gleich wie desorientirt.
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