• Christian Friedrich Tieck to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Weimar · Place of Destination: Coppet · Date: 06.01.1805 bis 07.01.1805
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Christian Friedrich Tieck
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Weimar
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 06.01.1805 bis 07.01.1805
    Printed Text
  • Bibliography: „Geliebter Freund und Bruder“. Der Briefwechsel zwischen Christian Friedrich Tieck und August Wilhelm Schlegel in den Jahren 1804 bis 1811. Hg. und kommentiert v. Cornelia Bögel. Dresden 2015, S. 89–97.
  • Incipit: „[1] Weimar den 6. Januar 1805.
    Geliebter Freund und Bruder. Ich habe dir nun so lange Zeit nicht geschrieben das ich nicht [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,15,64
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 25,2 x 20,4 cm
    Language
  • German
[1] Weimar den 6. Januar 1805.
Geliebter Freund und Bruder. Ich habe dir nun so lange Zeit nicht geschrieben das ich nicht weis ob ich es jezt nicht auch unterlaßen soll, sondern erwarten bis wir uns wiedersehen. Zuerst von unsern Geschäft wegen der Fr[au] v[on] Stael. Die Zeichnung und Kupfer sind endlich hir angekommen, das heist wenige Tage vor Weihnachten, Wenn ich nun vor Ende Februar noch in Rom sein will, so ist es hir nicht mehr zu machen, da die Arbeit leicht mehr als 3 Monathe kosten würde. Ist Frau von Stael damit nicht zufrieden, oder läßt es sich nicht anders arrangiren, so zahle ich wohin es ihr gefällt die 50 Louisd’or zurük, welche ich em[p]fangen. Ich habe keine neue Arbeit weiter unternommen, und zweifle das ich vor Ende Januar von hier wegkomme. Alle deine Comißionen sollen pünktlich besorgt werden.
Wahrscheinlich hast du schon von der Schwester einen Brief, wenn du disen erhälts, Sie ist den 13. Xbr. von hir in Begleitung Knorrings und unsres Bruders gereist, der so lange bei ihr zu bleiben versprochen bis ich sie wieder einhohle. Dies letztre war Bernhardis wegen nothwendig. Der sich wie sich von selbst versteth fortfärth aufs aller schmählichste zu benehmen. Er hatte mehrere mahle geschrieben das er kommen wolle. Ich hatte ihm früh die Abreise der Schwester geschrieben, trotz dem ist er hir gewesen, nach Weihnachten, und zwei Tage hir geblieben. In Berlin hatte er den Leuten gesagt er wolle seinen ältesten Knaben hohlen. Hir that er nun als finge er erst jezt an sich zu ueberzeugen das die Schwester wirklich krank sei, und will in die Reise willigen und die Kinder entbehren. Nacher soll aber alles sein wie vorher [2] Er will versprechen die Schwester mit seinen sinnlichen Zumuthungen zu verschonen, doch soll sie dagegen anderweitige Liederlichkeit seiner seits erlauben. Du sihst der Mensch hält uns für nicht schlecht unverständig. – Er muß die Schwester ganz in Freiheit laßen, oder der Teufel soll ihn hohlen. – Wenn wir einmahl in ruhe beisammen sind wollen wir uns an seinen wahrhaft possierlich Niederträchtigen Briefen verlustigen.
Die Schwester muß jezt schon seit Acht Tagen in München sein, wo sie bleiben soll wenn es ihr dort wohlgeth, bis ich komme. Es ging ihr hir die letzte Zeit sehr schlecht, die beständige Ängstlichkeit, über Bernhardis nähe, das er kommen könnte ihr ein Kind heimlich stehlen, und tausend dergleichen Dinge ängsteten sie dermassen, das ich Gott dankte als sie in dem Wagen saß. Obgleich ich nun in der Einsamkeit wieder sitze, und Grillen fange. Es sind mir noch so tausend Dinge zu bezahlen übrig das ich gar nicht begreife wo ich Geld genug hernehmen will um alles zu bezahlen. Doch in bin noch niemahls in der Noth stehen geblieben, und so wird mir auch der Himmel dismahl helfen.
Sehr ängstet es mich das ich von der Schwester seit ihrer Abreise von hier noch gar keine Nachricht habe, kömmt morgen früh kein Brief so schreibe ich ihnen grob,
Den 7. Januar Ich habe heut wieder den ganzen Tag vergebens auf Nachrichten von der Schwester gewartet, und wünsche dir von Herzen das es dir beßer gehn möge. Die Büste von Auguste werde ich einpaken so wie die Zeichnung des Portraits von Buri, auch die Bücher werde ich einpaken, und Deinen Nahmen drauf schreiben, und so sie dem Regierungs Rath Voigt in verwahrung geben, bei welchem auch meine Formen und andre Dinge aufgehoben werden, sobald du sie haben willst darfst [3] Du nur ihm schreiben, so wird er sie dir übersenden. – Was Genellis Zeichnung anbelangt, so hatt Goethe solche unter Glas und Rahmen in einem seiner Zimmer hängen, es scheint mir daher unbilig ihm solche abzufodern, um sie vileicht auf ein Jahr einzupaken, und hinzustelen ich dächte du ließest sie ihm bis du sie haben willst, wo du alsdenn ihm nur zu schreiben brauchst, so kann er sie ja gar nicht vorenthalten. Du darfst auch nur Voigt darum bitten sie dan von ihm sich geben zu lassen. Die Gesangbücher bringen wir sämtlich mit nach Rom, da kannst du dann besser sie selbst der Schwester abfodern. Die Zeichnung die du haben willst mache ich dir in Rom. Maries Bild von der Schwester ist noch nicht fertig, es wird aber sehr gut, zum Frühjahr kann sie dir es schicken. Sie ist jezt in Weissenfels um Hardenberg zu mahlen. Eine Copie nach einem Bilde von Corregio ist wunderbar guth, und der Junge Voigt wird sie wahrscheinlich kauffen, wie er ihr schon die Madonna nach Holbein abgekauft hatt.
Von Caroline hab ich kein Wort gehört, oder gesehen. Doch ist es ihre Schuld da es an ihr war mir zu schreiben, nicht an mir. Ich höre Schelling misfällt sich sehr in Würtzburg, und würde, oder wollte nach Erlangen gehen. Ich dächte wir überlegten es näher wegen des Monuments in Italien miteinander, und machten es dort, und stellten es dann her. Es kann auf diese Art nur wohlfeiler nicht theurer werden. Wenn wir es unter uns nur ein wenig genau machen wollten wie viel bin ich dir nicht schuldig, Es bricht mir das Herz, das so manchen meiner Freunde dir besonders das viele Gute nicht vergelten kann das ihr mir erzeugt in meiner Schwester.
Von Berlin, und den Leuten dort weis ich durchaus nichts, als das die Ausstellungen ganz Miserabel gewesen sein soll. Einem Freimüthigen ist es eingefallen, die Büste der Jagemann, unter aller Kritik, zu finden – aber die von Wolf und Voß zu loben, Nikolai hatt sich die von Wolf kommen laßen. – Das neueste was ich dir von hier aus melden kann [4] ist das ich seit heut früh 10 Uhr, per Decretum, des Herzogs von Weimar den Titel als Professors führe, also dein Herr Confrater bin.
An dem jungen Voigt haben wir alle hir einen würdigen, thätigen Freund über sein Benehmen gegen Marie als Künstlerin, und der Sinn dafür der gar nicht gerichtet aber sich glüklich schätz zu besitzen hatt mir ihn sehr werth gemacht, auch seine Besorgniß für die Schwester. Gebe der Himmel das ich es auch ihm vergelten kann. – Ich bin übrigens die Hipochondrie, und Melancholie abgerechnet Gesund und wohl, habe ich nur einmahl Weimar hinter mir, so hoffe ich in Italien soll alles guth und glüklich gehn. In 8-14 Tagen gehe ich auf einige Tage nach Berlin, der Himmel begleite mich auch dort mit seinem Segen wie bisher, und ich kehre froh zurük. Leb wohl geliebter Freund und Bruder, behalt mich Lieb. Wenn ich Anstalten zur Abreise hir mache, dann will ich dir mehr und langsam schreiben, heut kann ich ohnmöglich anders. In Roma sehen wir uns wieder bald bald.
Fr:[iedrich] Tieck.
[1] Weimar den 6. Januar 1805.
Geliebter Freund und Bruder. Ich habe dir nun so lange Zeit nicht geschrieben das ich nicht weis ob ich es jezt nicht auch unterlaßen soll, sondern erwarten bis wir uns wiedersehen. Zuerst von unsern Geschäft wegen der Fr[au] v[on] Stael. Die Zeichnung und Kupfer sind endlich hir angekommen, das heist wenige Tage vor Weihnachten, Wenn ich nun vor Ende Februar noch in Rom sein will, so ist es hir nicht mehr zu machen, da die Arbeit leicht mehr als 3 Monathe kosten würde. Ist Frau von Stael damit nicht zufrieden, oder läßt es sich nicht anders arrangiren, so zahle ich wohin es ihr gefällt die 50 Louisd’or zurük, welche ich em[p]fangen. Ich habe keine neue Arbeit weiter unternommen, und zweifle das ich vor Ende Januar von hier wegkomme. Alle deine Comißionen sollen pünktlich besorgt werden.
Wahrscheinlich hast du schon von der Schwester einen Brief, wenn du disen erhälts, Sie ist den 13. Xbr. von hir in Begleitung Knorrings und unsres Bruders gereist, der so lange bei ihr zu bleiben versprochen bis ich sie wieder einhohle. Dies letztre war Bernhardis wegen nothwendig. Der sich wie sich von selbst versteth fortfärth aufs aller schmählichste zu benehmen. Er hatte mehrere mahle geschrieben das er kommen wolle. Ich hatte ihm früh die Abreise der Schwester geschrieben, trotz dem ist er hir gewesen, nach Weihnachten, und zwei Tage hir geblieben. In Berlin hatte er den Leuten gesagt er wolle seinen ältesten Knaben hohlen. Hir that er nun als finge er erst jezt an sich zu ueberzeugen das die Schwester wirklich krank sei, und will in die Reise willigen und die Kinder entbehren. Nacher soll aber alles sein wie vorher [2] Er will versprechen die Schwester mit seinen sinnlichen Zumuthungen zu verschonen, doch soll sie dagegen anderweitige Liederlichkeit seiner seits erlauben. Du sihst der Mensch hält uns für nicht schlecht unverständig. – Er muß die Schwester ganz in Freiheit laßen, oder der Teufel soll ihn hohlen. – Wenn wir einmahl in ruhe beisammen sind wollen wir uns an seinen wahrhaft possierlich Niederträchtigen Briefen verlustigen.
Die Schwester muß jezt schon seit Acht Tagen in München sein, wo sie bleiben soll wenn es ihr dort wohlgeth, bis ich komme. Es ging ihr hir die letzte Zeit sehr schlecht, die beständige Ängstlichkeit, über Bernhardis nähe, das er kommen könnte ihr ein Kind heimlich stehlen, und tausend dergleichen Dinge ängsteten sie dermassen, das ich Gott dankte als sie in dem Wagen saß. Obgleich ich nun in der Einsamkeit wieder sitze, und Grillen fange. Es sind mir noch so tausend Dinge zu bezahlen übrig das ich gar nicht begreife wo ich Geld genug hernehmen will um alles zu bezahlen. Doch in bin noch niemahls in der Noth stehen geblieben, und so wird mir auch der Himmel dismahl helfen.
Sehr ängstet es mich das ich von der Schwester seit ihrer Abreise von hier noch gar keine Nachricht habe, kömmt morgen früh kein Brief so schreibe ich ihnen grob,
Den 7. Januar Ich habe heut wieder den ganzen Tag vergebens auf Nachrichten von der Schwester gewartet, und wünsche dir von Herzen das es dir beßer gehn möge. Die Büste von Auguste werde ich einpaken so wie die Zeichnung des Portraits von Buri, auch die Bücher werde ich einpaken, und Deinen Nahmen drauf schreiben, und so sie dem Regierungs Rath Voigt in verwahrung geben, bei welchem auch meine Formen und andre Dinge aufgehoben werden, sobald du sie haben willst darfst [3] Du nur ihm schreiben, so wird er sie dir übersenden. – Was Genellis Zeichnung anbelangt, so hatt Goethe solche unter Glas und Rahmen in einem seiner Zimmer hängen, es scheint mir daher unbilig ihm solche abzufodern, um sie vileicht auf ein Jahr einzupaken, und hinzustelen ich dächte du ließest sie ihm bis du sie haben willst, wo du alsdenn ihm nur zu schreiben brauchst, so kann er sie ja gar nicht vorenthalten. Du darfst auch nur Voigt darum bitten sie dan von ihm sich geben zu lassen. Die Gesangbücher bringen wir sämtlich mit nach Rom, da kannst du dann besser sie selbst der Schwester abfodern. Die Zeichnung die du haben willst mache ich dir in Rom. Maries Bild von der Schwester ist noch nicht fertig, es wird aber sehr gut, zum Frühjahr kann sie dir es schicken. Sie ist jezt in Weissenfels um Hardenberg zu mahlen. Eine Copie nach einem Bilde von Corregio ist wunderbar guth, und der Junge Voigt wird sie wahrscheinlich kauffen, wie er ihr schon die Madonna nach Holbein abgekauft hatt.
Von Caroline hab ich kein Wort gehört, oder gesehen. Doch ist es ihre Schuld da es an ihr war mir zu schreiben, nicht an mir. Ich höre Schelling misfällt sich sehr in Würtzburg, und würde, oder wollte nach Erlangen gehen. Ich dächte wir überlegten es näher wegen des Monuments in Italien miteinander, und machten es dort, und stellten es dann her. Es kann auf diese Art nur wohlfeiler nicht theurer werden. Wenn wir es unter uns nur ein wenig genau machen wollten wie viel bin ich dir nicht schuldig, Es bricht mir das Herz, das so manchen meiner Freunde dir besonders das viele Gute nicht vergelten kann das ihr mir erzeugt in meiner Schwester.
Von Berlin, und den Leuten dort weis ich durchaus nichts, als das die Ausstellungen ganz Miserabel gewesen sein soll. Einem Freimüthigen ist es eingefallen, die Büste der Jagemann, unter aller Kritik, zu finden – aber die von Wolf und Voß zu loben, Nikolai hatt sich die von Wolf kommen laßen. – Das neueste was ich dir von hier aus melden kann [4] ist das ich seit heut früh 10 Uhr, per Decretum, des Herzogs von Weimar den Titel als Professors führe, also dein Herr Confrater bin.
An dem jungen Voigt haben wir alle hir einen würdigen, thätigen Freund über sein Benehmen gegen Marie als Künstlerin, und der Sinn dafür der gar nicht gerichtet aber sich glüklich schätz zu besitzen hatt mir ihn sehr werth gemacht, auch seine Besorgniß für die Schwester. Gebe der Himmel das ich es auch ihm vergelten kann. – Ich bin übrigens die Hipochondrie, und Melancholie abgerechnet Gesund und wohl, habe ich nur einmahl Weimar hinter mir, so hoffe ich in Italien soll alles guth und glüklich gehn. In 8-14 Tagen gehe ich auf einige Tage nach Berlin, der Himmel begleite mich auch dort mit seinem Segen wie bisher, und ich kehre froh zurük. Leb wohl geliebter Freund und Bruder, behalt mich Lieb. Wenn ich Anstalten zur Abreise hir mache, dann will ich dir mehr und langsam schreiben, heut kann ich ohnmöglich anders. In Roma sehen wir uns wieder bald bald.
Fr:[iedrich] Tieck.
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