• Christian Friedrich Tieck to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Rom · Place of Destination: Coppet · Date: 09.04.1806
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Christian Friedrich Tieck
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Rom
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 09.04.1806
    Printed Text
  • Bibliography: „Geliebter Freund und Bruder“. Der Briefwechsel zwischen Christian Friedrich Tieck und August Wilhelm Schlegel in den Jahren 1804 bis 1811. Hg. und kommentiert v. Cornelia Bögel. Dresden 2015, S. 119–122 sowie S. 124–133.
  • Weitere Drucke: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 3. Kommentar. Bern u.a. 1958, S. 158.
  • Incipit: „[1] Rom den 9ten Aprill 1806.
    Geliebter Freund und Bruder ich hätte dir schon auf deinen Brief geantwortet, wenn er nicht gerade [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,15,70
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs. m. U.
  • Format: 24 x 17,5 cm
    Language
  • German
[1] Rom den 9ten Aprill 1806.
Geliebter Freund und Bruder ich hätte dir schon auf deinen Brief geantwortet, wenn er nicht gerade Mittwoch vorleztern angekommen wäre, wo ich dann Natürlich wegen des Festes nicht gleich antworten konnte. Ich hätte es freilich lieber gesehn wenn Fr[au] v[on] St.[aël] mir einen Brief für Bonaparte oder seinen Schwager geschikt hätte, doch ist es auch so gut, wenn er nicht in diser Woche zu mir kommt werde ich zu ihm gehn. Herr Bl: nehmlich hatt den Doktor Kohlrausch nach mir gefragt, und sich meine Adresse aufschreiben lassen, und er sagt, das er so bald als möglich zu mir kommen wollte. Das Basrelief ist arangirt und wäre es noch mehr wenn ich hätte ein Stück Marmor finden können, das in jeder Rüksicht meinem Wunsch entsprochen hätte.,
Doch ist solches sehr schwer, ich habe auch deshalb nach Carara geschrieben, von wo mir ein grosses und gutes Stück versprochen ist. Ich hoffe das man soll Ursach haben mit mir zufrieden zu sein. Ich habe die Büste des Somaillia vollendet, und denke in der künftigen Woche die der Erzherzogin Marianen anzufangen, und sobald ich kann beide hier noch wenigstens in Marmor. Auch an deine Zeichnungen habe ich schon gedacht, und werde sie suchen zu deiner zufriedenheit zu machen.
Humboldt hatt mir das Exemplar der Elegie noch nicht wieder gegeben, um die Verse die du bezeichnest nachzulesen. Diese deine Elegie hatt ihn begeistert auch eine zu machen, doch davon nacher.
– Was mich mehr als billig vom Fleiße hatt abgehalten, ist die Geldverlegenheit, in der wir uns von Zeit zu Zeit befunden haben, da ich durch das vielreisen des Bruders worauf ich nicht rechnete ohne Geld hir ankam.,
Meine Schwester hatt dir schon vor drei Wochen geschriben, und dich ersucht wo möglich eine zimlich bedeutende Summe zu verschaffen, welche freilich ohngefähr das ist was wir hir schuldig sind, und was nöthig ist um uns ordentlich zu situiren, bis Knorring Geld wider bekommen hatt, Ich füge meiner Bitte die meiner Schwester bei, um dich recht flehentlich anzusuchen so viel du in diser Sache thun kannst zu thun. Knorring hatt seinem Vater geschriben ihm sein Mütterliches Vermögen auszuzahlen, um es hier anzulegen, dieser muß ihm also 40000 Rubel schiken, oder die Summe welche die hiesigen Zinsen ersezt, da dieser sehr determiniert darum geschrieben, du siehst daraus das wir in weniger Zeit im stande sind wieder zu bezahlen, nur sind wir bis dahin bedürftig, zudem da unsre Bedürfnisse durch des Bruders gegenwart sehr vergrössert sind, Kannst Du nun uns auch nicht gleich, oder nicht ganz die Summe vorschissen um welche die Schwester dich gebethen, so wird auch [2] schon ein Theil vermögend sein uns in vielem zu helfen. Denn unsere hiesigen Mittel sind wirklich erschöpft, da wir bei Humboldt und durch ihn keinen Credit haben, sondern durch sie vielmehr alles gegen uns geschieht. Wir leben sehr eingezogen, aber wie wir einmahl stehn ist es doch nicht möglich es noch mehr zu leben, glaube mir sicherlich wir geben nicht zu viel aus. Mancherlei werden wir allerdings ersparen wenn der Bruder abgereist sein wird, vielleicht ich wünsche das es bald geschehen mag, denn sein Auffenthalt hier kostet uns nur, und ist jezt für uns von gar keinem Vortheil. Ich bitte dich da er über Genf und Paris zurükzugehn gedenckt, wenn dis geschehen sollte, und er dich besuchen [wird] ihm weder von disen noch von unseren Geldangelegenheiten etwas zu sagen denn wenn er erführe das wir im Besitz einer so grossen Summe wären, würde es uns wenig Gewinn bringen, sondern mit tausend Plänen, zu Reisen und dergleichen könnte es nur kommen, das ohne Genuß daran zu haben, Kno[r]ring um ein Bedeutendes Aermer geworden wäre, denn er macht nur eigennützige Plane für sich.
Verzeihe mir und nimm es nicht übel, das ich so von meinem Bruder spreche und bedenke das ich auch dich als meinen Bruder zehle, aber mich empört sein Betragen, selbst krank auf den Todt muste meine Schwester in München jede Last seiner Krankheit ertragen, die er sich durch Erkältung, und höchst wahrscheinlich durch etwas zu übertriebenen Genuß zu gezogen hatte denn er kannte vortrefflich alle öffentlichen Mädchen von München,
Da kaum konnte er dort wieder ausgehn, als er heimlich einen Abend fortlief während ich da war, um von neuem eine zu besuchen. Du weist das er zurükkehren wollte, und nur mit hieher gereist ist, um sich herzustellen, da er also nicht auf unsre Bitte, sondern der Gast meiner Schwester hir ist, sollte er sich auch als solcher betragen, aber nichts weniger sucht er nur auf jede Art meine Schwester zu kränken. Er will sie durchaus überreden sie meine Schwester thue Malchen und der Zibingischen Clike unrecht, und hätte nur von je an Malchen unrecht gethan, und will sie überreden an jene demüthigen Briefe zu schreiben, zu ähnlichen Schritten soll sie mich sogar überreden.
Er sagt ihr nur in Zibingen könne er glüklich sein, und sei er nur glüklich gewesen, dabei fodert er das ganze Haus für sich und seine Bedienung, schmählt die Domestike und macht beständigen Zank indem er immerfort Rüksicht fodert daß er noch krank sei, welches er aber niemahls ist wenn es ihm gefällt irgend eine dumme Geselschaft zu besuchen, sondern nur dann wenn der Wein und das Essen bei Tisch ihm nicht gut genug sind, der Bediente nicht hurtig genug jede Stunde bereit, und ehe das er es einmal gefodert ihn zu bedienen, und tausend ähnliche Gelegenheiten, die ihn aber so unausstehlich im Hause, als in den Gesellschaften andrer Liebenswürdig machen. Aus allen diesen Gründen mag er gehn. Seine Niebelungen sind noch nicht fertig und werden es auch wohl in disem Jahre nicht. Nicht nur ist er uns nun von gar keinem nutzen, sondern nur zum Verdruß, indem er selbst Kno[r]ring sehr empfindlich gemacht hatt, dessen Geduld Du kennst, [3] sondern auch an vielem hinderlich. Als wir hieher kamen war Flore und Blantscheflur fertig, meine Schwester sagte mir vielmal sie sehe es nur als einen Entwurf an und wolle es durchaus überarbeiten, sie habe nur manches hingeschriben um den Vers voll zu haben. Mein Bruder aber fand alles Göttlich, herrlich, nur einige kleine Fehler in der Sprache die sich leicht beim abschreiben heraus bringen liessen, als zu oft denselben Anfang mit da und nun, kurtz sprach so lange das er [sie] Endlich zwang das es ihm übergeben würde abzuschreiben, Ehe er dis aber anfing ließ er es zwei Monathe liegen und nachher brauchte er neue 4 Monathe um 2 Gesänge durchzusehn und abzuschreiben, fand nun so viele Fehler der Construktion, so viles ohne Sinn, prosaisch, und schlechte Verse, kurtz gab auf alle Art zu verstehn es sei schlecht und mache mehr Mühe es durchzusehn als ganz neu zu schreiben, versicherte aber immer es sei ganz Göttlich und herrlich, Endlich ohngleichen 6 Wochen vor Ostern rikt er damit heraus es sei nun doch zu spät zu Ostern gedrukt zu werden, und ob die Schwester nicht noch manche kleinere Zusätze machen wollte, kurtz that alles um es zurükzugeben, wie meine Schwester es längst schon gewünscht und wir alle.
Die Absicht scheint mir sichtbar an den Tag zu bringen, das er es nie anders gewollt als nur machen das meine Schwester nicht sollte eher etwas aus dem altdeutschen herausgegebenes Druken lassen als er, damit er der Gelehrte ist der zuerst die Welt damit beglükt, und die Schwester nur immer als Sekredair, und in seinem Abglanz erscheinen soll. Eben so weis er in jeder Rüksicht die Schwester zu benutzen. Als wir kurtze Zeit hir waren sprach er viel mit meiner Schwester über ein Buch, welches Sie in Briefen an einander gerichtet schreiben wollte, welches ihre Ideen über Geschichte, Poesie, Musik, kurtz Kunst überhaupt enthalten sollte, und trieb immer meine Schwester sollte nur anfangen. Zugleich sollte mit Kno[r]ring in gemeinschaft ein Buch über die hisigen Manuscripte, welches unter Kno[r]rings Namen gedrukt werden sollte, geschrieben werden, wozu der Plan sehr schön gemacht ward, über den Zusammenhang diser Gedichte untereinander, ihr alter ihre wahrscheinliche entstehung, hierüber wurden wie über die vorigen nur Gesprochen um meiner Schwester Ideen über alles das zu hören, und zu lernen, und dise Absicht zeigte sich sehr deutlich als er es endlich dahin gebracht daß meine Schwester den ersten Brief des ersten Buches geschrieben, den lobte er fand aber er sei zu pathetisch zu brillant geschrieben, mann würde ihn etwas überarbeiten müssen, wozu freilich sie sich nicht verstehen wollte, und hir kamm es nur sehr deutlich daß auch hir meine Schwester nur ihm hatt zur Folie dienen sollen, denn wenn [4] daß ganze fertig wäre hatte er es übergehn, ausstreichen und zusetzen wollen, Er hatt nun die Antwort geschriben, doch will ich dir gelegentlich einmahl disen Brief der Schwester in Abschrift schiken, ob wenn alles was darin angegeben ausgeführt es nicht ein vortrefliches Buch geben würde. Zugleich hatt er aber auch den Plan des andern Buchs fallen lassen und denkt gar nicht mehr daran, sondern spricht als von einem alten Plan ein Buch was er schreiben will, über alles dis. Meine Schwester und Kno[r]ring sollen ihre Beurtheilungen und Nachrichten über die Gedichte, nebst abschriften von stellen machen, eben so will er es von andrer Art machen, und trägt uns nun oft als das was diß Buch enthalten soll, meiner Schwester Ideen über die Gedichte vor, als die seinige tief ergründende Weisheit, was wir uns schon recht aus den Gesprächen vor einigen Monathen erinnern. So wie er es mit Flore und Blantscheflur wird er es mit jedem machen, wo er durch die Trägheit, das viele sprechen, als ob er es bei seinen eignen Sachen so genau nehme der Schwester alle Lust nimmt, so das sie wirklich seit wir hier sind wohl viel Italienisch gelernt hatt, aber sonst nicht viel gethan.
– Er selbst hatt nun auch gar keinen Eifer abzureisen stellt sich aber bei seiner Geliebten so an, daß man nun taußend Räuber Intriguen und gemeinheiten spielen läßt, um ihn von hir fortzubringen, wo ihn Niemand als er selbst hält. Diß ist was mich am meisten von ihm verdriest, das er mein[er] Schwester die er so hart beleidigt hatt, so grosses Unrecht thut, noch immer so beleidigen läßt, Zwar sagt er uns nichts davon was man ihm schreibt, als nur gut gemeinten Winck zu weilen, aber eben dadurch merkt man es zu deutlich. Ja er stellt sich immer fort noch [dar] das seine Edelmüthige Aufopf[er]ung gegen die Schwester geprisen wird, das er sich von ihren Kleidern ernähre und in seiner Krankheit Plagen läßt, das ist für mich zu tadeln. So viel haben wir von neuen erfahren das mann nicht mit ihm Leben kann. Burgsdorf spiegelt ihm vor sie wollen übers Jahr alle miteinander hieher kommen, das soll mir recht lieb sein, es ist dis eben nur ges[p]iegelt, um ihn zurück zu haben, und weiter nichts.
– Doch genug davon, ich wollte Du wärst hier denn in einer Stunde läßt sich sprechend mehr deutlich machen als durch zehn Briefen. Sollte er dich besuchen, lasse ihn von diser meiner Stimmung gegen ihn nichts merken, denn es ist meine Stimmung, mit meiner Schwester spreche ich nie darüber, aber desto bittrer empfinde ich es für mich selbst, das er da so viele Leiden meiner Schwester gemacht hatt, nun neue Kränkungen auf sie häuft, statt sie von alten zu heilen zu streben.
[5] Deine Elegie hatt uns hier viel Freude gemacht, und gefällt mehr jemehr man sie liest. Humboldt hatte anfangs gegen alles viel einzuwenden, und um zu beweisen das man eine viel bessere machen könnte, hatt er eine gemacht und zwar in 8 zeiligen Stanzen, aber nicht in 11 silbigen Jamben, sondern in 9–10 silbigen Trochäischen Versen, aber gestellt, wie Ottave rime, welch einen sonderbar närrischen Effekt diese Schillerschen Verse machen kannst Du nicht denken, Aber seitdem Humboldt dise Nachahmung, oder Umstanzung gemacht hatt, sith mann recht, und er selbst auch ein wie vortrefflich die deinige ist. Er hatt ihr dabei einen Anstrich von Empfindsamkeit gegeben, der den Leuten wohl gefallen wird, besonders Frau von Wohlzogen an welche sie dedicirt ist, ein mehres wird dir villeicht die Schwester darüber schreiben, ich habe sie nicht ganz zu Ende gelesen.
Deinen Aufsatz über die Künstler in Rom haben wir auch obgleich späth gelesen, und obgleich ich das treffende Urtheil bei den meisten bewundert, so hast Du doch bei den Künstlern selbst sehr wenig Dank damit Verdient, ausser bei Shick, der es auch wohl fühlt das Du aus Freundschaft ihn über sein Verdienst (wenn gleich nicht in Vergleich seiner Zeitgenossen) gelobt. Koch würde das was Du von ihm gesagt noch viel vortrefflicher finden, wenn Du alle andern getadelt hättest. Thorwaldsen sagt er habe in der Ausführung in Marmor immer den willen gehabt den Achill auf seinem Basrelief zu ändern, und alle Menschen würden nun glauben, er habe es nach deinem Urtheil gethan, (und daß ist doch kränkend dem Gefühl des Künstlers, nicht wahr?) Die andren deutschen Shaafsköpfe finden sich beleidigt daß Du sagst er habe deutsche Bildung, oder daß Du Wallis gelobt hast, dessen Arbeiten Notabene diese Herren sich noch nicht die Mühe gegeben anzusehen.
Am meisten in Zorn war aber der grosse Kohlrausch, dem noch nie ein solcher Dolchstoß durchs Herz gedrungen war, als daß von einem Menschen der vor der Welt gilt das er wohl Urtheil haben könnte, und der Shriftsteller ist, sein Reinhart getadelt ist, Er behauptet laut es sei unverzeihlich, du verständest unmöglich was davon, auch seist du nur ein einzigmal bei Reinhardt gewesen, und zwar nur einen Augenblik um Fr.[au] v[on] St[aël] abzuhohlen und habest gar nichts angesehen, noch bis jezt kann diser grosse Mann es nicht vergessen, und spricht noch immer von diser Ungerechtigkeit, das er nicht ganz vortrefflich sein soll, Zu seinem Unglük hatt der arme [6] Shik einige ähnliche Sachen über Reinhart gesagt, und nun muß er es sein der dir es eingegeben hatt. Ja selbst die Künstler schieben es ihm in die Schuhe, was du von Reinhart und manchen andern gesagt, denn meinen sie sehr Weise, wer nicht selbst Künstler ist kann unmöglich so viel vom Mechanischen der Kunst verstehn. Du siehst wie es in der Welt steht und mit was für Gewürm man zu thun hatt. Doch glaube ich das Koch dein Aufsatz nützlich sein wird. Seit einiger Zeit geth es disem sehr wohl, er hatt von mancherlei Orten her viel Geld zusammen bekommen, und ist in Bangen um eine Pension eingekommen, die ihm als einem Tiroler gewiß wird gegeben werden, und wozu dein Aufsatz villeicht auch etwas beiträgt.
– So stehn die Sachen und würden mich noch viel mehr amüsiren, wenn wir schon allen unsren Bedürfnissen abgeholffen sähen, Es ist freilich nur noch um einige Monathe zu thun, doch hoffe ich daß uns deine Freundschaft und Hülffe wird dise erleichtern helfen. Und wenn wir im künftigen Winter ordentlich eingerichtet sind und du kämst dann her, wie wollen wir uns miteinander freuen, und dann will ich dir auch noch mehr Zeichnungen in deiner Gegenwart machen. Jezt sinne ich sehr darauf eine oder ein paar zur Ausstellung in Berlin zu machen. – Noch einmal empfehle ich dir unsre Sache. Leb wohl Behalt mich Lieb, wie ich immer dich Lieb behalte.
Die schönsten grüsse, von der Schwester und Kno[r]ring, und dem Bruder.
Dein Bruder Fr.[iedrich] Tieck.
[1] Rom den 9ten Aprill 1806.
Geliebter Freund und Bruder ich hätte dir schon auf deinen Brief geantwortet, wenn er nicht gerade Mittwoch vorleztern angekommen wäre, wo ich dann Natürlich wegen des Festes nicht gleich antworten konnte. Ich hätte es freilich lieber gesehn wenn Fr[au] v[on] St.[aël] mir einen Brief für Bonaparte oder seinen Schwager geschikt hätte, doch ist es auch so gut, wenn er nicht in diser Woche zu mir kommt werde ich zu ihm gehn. Herr Bl: nehmlich hatt den Doktor Kohlrausch nach mir gefragt, und sich meine Adresse aufschreiben lassen, und er sagt, das er so bald als möglich zu mir kommen wollte. Das Basrelief ist arangirt und wäre es noch mehr wenn ich hätte ein Stück Marmor finden können, das in jeder Rüksicht meinem Wunsch entsprochen hätte.,
Doch ist solches sehr schwer, ich habe auch deshalb nach Carara geschrieben, von wo mir ein grosses und gutes Stück versprochen ist. Ich hoffe das man soll Ursach haben mit mir zufrieden zu sein. Ich habe die Büste des Somaillia vollendet, und denke in der künftigen Woche die der Erzherzogin Marianen anzufangen, und sobald ich kann beide hier noch wenigstens in Marmor. Auch an deine Zeichnungen habe ich schon gedacht, und werde sie suchen zu deiner zufriedenheit zu machen.
Humboldt hatt mir das Exemplar der Elegie noch nicht wieder gegeben, um die Verse die du bezeichnest nachzulesen. Diese deine Elegie hatt ihn begeistert auch eine zu machen, doch davon nacher.
– Was mich mehr als billig vom Fleiße hatt abgehalten, ist die Geldverlegenheit, in der wir uns von Zeit zu Zeit befunden haben, da ich durch das vielreisen des Bruders worauf ich nicht rechnete ohne Geld hir ankam.,
Meine Schwester hatt dir schon vor drei Wochen geschriben, und dich ersucht wo möglich eine zimlich bedeutende Summe zu verschaffen, welche freilich ohngefähr das ist was wir hir schuldig sind, und was nöthig ist um uns ordentlich zu situiren, bis Knorring Geld wider bekommen hatt, Ich füge meiner Bitte die meiner Schwester bei, um dich recht flehentlich anzusuchen so viel du in diser Sache thun kannst zu thun. Knorring hatt seinem Vater geschriben ihm sein Mütterliches Vermögen auszuzahlen, um es hier anzulegen, dieser muß ihm also 40000 Rubel schiken, oder die Summe welche die hiesigen Zinsen ersezt, da dieser sehr determiniert darum geschrieben, du siehst daraus das wir in weniger Zeit im stande sind wieder zu bezahlen, nur sind wir bis dahin bedürftig, zudem da unsre Bedürfnisse durch des Bruders gegenwart sehr vergrössert sind, Kannst Du nun uns auch nicht gleich, oder nicht ganz die Summe vorschissen um welche die Schwester dich gebethen, so wird auch [2] schon ein Theil vermögend sein uns in vielem zu helfen. Denn unsere hiesigen Mittel sind wirklich erschöpft, da wir bei Humboldt und durch ihn keinen Credit haben, sondern durch sie vielmehr alles gegen uns geschieht. Wir leben sehr eingezogen, aber wie wir einmahl stehn ist es doch nicht möglich es noch mehr zu leben, glaube mir sicherlich wir geben nicht zu viel aus. Mancherlei werden wir allerdings ersparen wenn der Bruder abgereist sein wird, vielleicht ich wünsche das es bald geschehen mag, denn sein Auffenthalt hier kostet uns nur, und ist jezt für uns von gar keinem Vortheil. Ich bitte dich da er über Genf und Paris zurükzugehn gedenckt, wenn dis geschehen sollte, und er dich besuchen [wird] ihm weder von disen noch von unseren Geldangelegenheiten etwas zu sagen denn wenn er erführe das wir im Besitz einer so grossen Summe wären, würde es uns wenig Gewinn bringen, sondern mit tausend Plänen, zu Reisen und dergleichen könnte es nur kommen, das ohne Genuß daran zu haben, Kno[r]ring um ein Bedeutendes Aermer geworden wäre, denn er macht nur eigennützige Plane für sich.
Verzeihe mir und nimm es nicht übel, das ich so von meinem Bruder spreche und bedenke das ich auch dich als meinen Bruder zehle, aber mich empört sein Betragen, selbst krank auf den Todt muste meine Schwester in München jede Last seiner Krankheit ertragen, die er sich durch Erkältung, und höchst wahrscheinlich durch etwas zu übertriebenen Genuß zu gezogen hatte denn er kannte vortrefflich alle öffentlichen Mädchen von München,
Da kaum konnte er dort wieder ausgehn, als er heimlich einen Abend fortlief während ich da war, um von neuem eine zu besuchen. Du weist das er zurükkehren wollte, und nur mit hieher gereist ist, um sich herzustellen, da er also nicht auf unsre Bitte, sondern der Gast meiner Schwester hir ist, sollte er sich auch als solcher betragen, aber nichts weniger sucht er nur auf jede Art meine Schwester zu kränken. Er will sie durchaus überreden sie meine Schwester thue Malchen und der Zibingischen Clike unrecht, und hätte nur von je an Malchen unrecht gethan, und will sie überreden an jene demüthigen Briefe zu schreiben, zu ähnlichen Schritten soll sie mich sogar überreden.
Er sagt ihr nur in Zibingen könne er glüklich sein, und sei er nur glüklich gewesen, dabei fodert er das ganze Haus für sich und seine Bedienung, schmählt die Domestike und macht beständigen Zank indem er immerfort Rüksicht fodert daß er noch krank sei, welches er aber niemahls ist wenn es ihm gefällt irgend eine dumme Geselschaft zu besuchen, sondern nur dann wenn der Wein und das Essen bei Tisch ihm nicht gut genug sind, der Bediente nicht hurtig genug jede Stunde bereit, und ehe das er es einmal gefodert ihn zu bedienen, und tausend ähnliche Gelegenheiten, die ihn aber so unausstehlich im Hause, als in den Gesellschaften andrer Liebenswürdig machen. Aus allen diesen Gründen mag er gehn. Seine Niebelungen sind noch nicht fertig und werden es auch wohl in disem Jahre nicht. Nicht nur ist er uns nun von gar keinem nutzen, sondern nur zum Verdruß, indem er selbst Kno[r]ring sehr empfindlich gemacht hatt, dessen Geduld Du kennst, [3] sondern auch an vielem hinderlich. Als wir hieher kamen war Flore und Blantscheflur fertig, meine Schwester sagte mir vielmal sie sehe es nur als einen Entwurf an und wolle es durchaus überarbeiten, sie habe nur manches hingeschriben um den Vers voll zu haben. Mein Bruder aber fand alles Göttlich, herrlich, nur einige kleine Fehler in der Sprache die sich leicht beim abschreiben heraus bringen liessen, als zu oft denselben Anfang mit da und nun, kurtz sprach so lange das er [sie] Endlich zwang das es ihm übergeben würde abzuschreiben, Ehe er dis aber anfing ließ er es zwei Monathe liegen und nachher brauchte er neue 4 Monathe um 2 Gesänge durchzusehn und abzuschreiben, fand nun so viele Fehler der Construktion, so viles ohne Sinn, prosaisch, und schlechte Verse, kurtz gab auf alle Art zu verstehn es sei schlecht und mache mehr Mühe es durchzusehn als ganz neu zu schreiben, versicherte aber immer es sei ganz Göttlich und herrlich, Endlich ohngleichen 6 Wochen vor Ostern rikt er damit heraus es sei nun doch zu spät zu Ostern gedrukt zu werden, und ob die Schwester nicht noch manche kleinere Zusätze machen wollte, kurtz that alles um es zurükzugeben, wie meine Schwester es längst schon gewünscht und wir alle.
Die Absicht scheint mir sichtbar an den Tag zu bringen, das er es nie anders gewollt als nur machen das meine Schwester nicht sollte eher etwas aus dem altdeutschen herausgegebenes Druken lassen als er, damit er der Gelehrte ist der zuerst die Welt damit beglükt, und die Schwester nur immer als Sekredair, und in seinem Abglanz erscheinen soll. Eben so weis er in jeder Rüksicht die Schwester zu benutzen. Als wir kurtze Zeit hir waren sprach er viel mit meiner Schwester über ein Buch, welches Sie in Briefen an einander gerichtet schreiben wollte, welches ihre Ideen über Geschichte, Poesie, Musik, kurtz Kunst überhaupt enthalten sollte, und trieb immer meine Schwester sollte nur anfangen. Zugleich sollte mit Kno[r]ring in gemeinschaft ein Buch über die hisigen Manuscripte, welches unter Kno[r]rings Namen gedrukt werden sollte, geschrieben werden, wozu der Plan sehr schön gemacht ward, über den Zusammenhang diser Gedichte untereinander, ihr alter ihre wahrscheinliche entstehung, hierüber wurden wie über die vorigen nur Gesprochen um meiner Schwester Ideen über alles das zu hören, und zu lernen, und dise Absicht zeigte sich sehr deutlich als er es endlich dahin gebracht daß meine Schwester den ersten Brief des ersten Buches geschrieben, den lobte er fand aber er sei zu pathetisch zu brillant geschrieben, mann würde ihn etwas überarbeiten müssen, wozu freilich sie sich nicht verstehen wollte, und hir kamm es nur sehr deutlich daß auch hir meine Schwester nur ihm hatt zur Folie dienen sollen, denn wenn [4] daß ganze fertig wäre hatte er es übergehn, ausstreichen und zusetzen wollen, Er hatt nun die Antwort geschriben, doch will ich dir gelegentlich einmahl disen Brief der Schwester in Abschrift schiken, ob wenn alles was darin angegeben ausgeführt es nicht ein vortrefliches Buch geben würde. Zugleich hatt er aber auch den Plan des andern Buchs fallen lassen und denkt gar nicht mehr daran, sondern spricht als von einem alten Plan ein Buch was er schreiben will, über alles dis. Meine Schwester und Kno[r]ring sollen ihre Beurtheilungen und Nachrichten über die Gedichte, nebst abschriften von stellen machen, eben so will er es von andrer Art machen, und trägt uns nun oft als das was diß Buch enthalten soll, meiner Schwester Ideen über die Gedichte vor, als die seinige tief ergründende Weisheit, was wir uns schon recht aus den Gesprächen vor einigen Monathen erinnern. So wie er es mit Flore und Blantscheflur wird er es mit jedem machen, wo er durch die Trägheit, das viele sprechen, als ob er es bei seinen eignen Sachen so genau nehme der Schwester alle Lust nimmt, so das sie wirklich seit wir hier sind wohl viel Italienisch gelernt hatt, aber sonst nicht viel gethan.
– Er selbst hatt nun auch gar keinen Eifer abzureisen stellt sich aber bei seiner Geliebten so an, daß man nun taußend Räuber Intriguen und gemeinheiten spielen läßt, um ihn von hir fortzubringen, wo ihn Niemand als er selbst hält. Diß ist was mich am meisten von ihm verdriest, das er mein[er] Schwester die er so hart beleidigt hatt, so grosses Unrecht thut, noch immer so beleidigen läßt, Zwar sagt er uns nichts davon was man ihm schreibt, als nur gut gemeinten Winck zu weilen, aber eben dadurch merkt man es zu deutlich. Ja er stellt sich immer fort noch [dar] das seine Edelmüthige Aufopf[er]ung gegen die Schwester geprisen wird, das er sich von ihren Kleidern ernähre und in seiner Krankheit Plagen läßt, das ist für mich zu tadeln. So viel haben wir von neuen erfahren das mann nicht mit ihm Leben kann. Burgsdorf spiegelt ihm vor sie wollen übers Jahr alle miteinander hieher kommen, das soll mir recht lieb sein, es ist dis eben nur ges[p]iegelt, um ihn zurück zu haben, und weiter nichts.
– Doch genug davon, ich wollte Du wärst hier denn in einer Stunde läßt sich sprechend mehr deutlich machen als durch zehn Briefen. Sollte er dich besuchen, lasse ihn von diser meiner Stimmung gegen ihn nichts merken, denn es ist meine Stimmung, mit meiner Schwester spreche ich nie darüber, aber desto bittrer empfinde ich es für mich selbst, das er da so viele Leiden meiner Schwester gemacht hatt, nun neue Kränkungen auf sie häuft, statt sie von alten zu heilen zu streben.
[5] Deine Elegie hatt uns hier viel Freude gemacht, und gefällt mehr jemehr man sie liest. Humboldt hatte anfangs gegen alles viel einzuwenden, und um zu beweisen das man eine viel bessere machen könnte, hatt er eine gemacht und zwar in 8 zeiligen Stanzen, aber nicht in 11 silbigen Jamben, sondern in 9–10 silbigen Trochäischen Versen, aber gestellt, wie Ottave rime, welch einen sonderbar närrischen Effekt diese Schillerschen Verse machen kannst Du nicht denken, Aber seitdem Humboldt dise Nachahmung, oder Umstanzung gemacht hatt, sith mann recht, und er selbst auch ein wie vortrefflich die deinige ist. Er hatt ihr dabei einen Anstrich von Empfindsamkeit gegeben, der den Leuten wohl gefallen wird, besonders Frau von Wohlzogen an welche sie dedicirt ist, ein mehres wird dir villeicht die Schwester darüber schreiben, ich habe sie nicht ganz zu Ende gelesen.
Deinen Aufsatz über die Künstler in Rom haben wir auch obgleich späth gelesen, und obgleich ich das treffende Urtheil bei den meisten bewundert, so hast Du doch bei den Künstlern selbst sehr wenig Dank damit Verdient, ausser bei Shick, der es auch wohl fühlt das Du aus Freundschaft ihn über sein Verdienst (wenn gleich nicht in Vergleich seiner Zeitgenossen) gelobt. Koch würde das was Du von ihm gesagt noch viel vortrefflicher finden, wenn Du alle andern getadelt hättest. Thorwaldsen sagt er habe in der Ausführung in Marmor immer den willen gehabt den Achill auf seinem Basrelief zu ändern, und alle Menschen würden nun glauben, er habe es nach deinem Urtheil gethan, (und daß ist doch kränkend dem Gefühl des Künstlers, nicht wahr?) Die andren deutschen Shaafsköpfe finden sich beleidigt daß Du sagst er habe deutsche Bildung, oder daß Du Wallis gelobt hast, dessen Arbeiten Notabene diese Herren sich noch nicht die Mühe gegeben anzusehen.
Am meisten in Zorn war aber der grosse Kohlrausch, dem noch nie ein solcher Dolchstoß durchs Herz gedrungen war, als daß von einem Menschen der vor der Welt gilt das er wohl Urtheil haben könnte, und der Shriftsteller ist, sein Reinhart getadelt ist, Er behauptet laut es sei unverzeihlich, du verständest unmöglich was davon, auch seist du nur ein einzigmal bei Reinhardt gewesen, und zwar nur einen Augenblik um Fr.[au] v[on] St[aël] abzuhohlen und habest gar nichts angesehen, noch bis jezt kann diser grosse Mann es nicht vergessen, und spricht noch immer von diser Ungerechtigkeit, das er nicht ganz vortrefflich sein soll, Zu seinem Unglük hatt der arme [6] Shik einige ähnliche Sachen über Reinhart gesagt, und nun muß er es sein der dir es eingegeben hatt. Ja selbst die Künstler schieben es ihm in die Schuhe, was du von Reinhart und manchen andern gesagt, denn meinen sie sehr Weise, wer nicht selbst Künstler ist kann unmöglich so viel vom Mechanischen der Kunst verstehn. Du siehst wie es in der Welt steht und mit was für Gewürm man zu thun hatt. Doch glaube ich das Koch dein Aufsatz nützlich sein wird. Seit einiger Zeit geth es disem sehr wohl, er hatt von mancherlei Orten her viel Geld zusammen bekommen, und ist in Bangen um eine Pension eingekommen, die ihm als einem Tiroler gewiß wird gegeben werden, und wozu dein Aufsatz villeicht auch etwas beiträgt.
– So stehn die Sachen und würden mich noch viel mehr amüsiren, wenn wir schon allen unsren Bedürfnissen abgeholffen sähen, Es ist freilich nur noch um einige Monathe zu thun, doch hoffe ich daß uns deine Freundschaft und Hülffe wird dise erleichtern helfen. Und wenn wir im künftigen Winter ordentlich eingerichtet sind und du kämst dann her, wie wollen wir uns miteinander freuen, und dann will ich dir auch noch mehr Zeichnungen in deiner Gegenwart machen. Jezt sinne ich sehr darauf eine oder ein paar zur Ausstellung in Berlin zu machen. – Noch einmal empfehle ich dir unsre Sache. Leb wohl Behalt mich Lieb, wie ich immer dich Lieb behalte.
Die schönsten grüsse, von der Schwester und Kno[r]ring, und dem Bruder.
Dein Bruder Fr.[iedrich] Tieck.
×
×