• Christian Friedrich Tieck to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Zürich · Place of Destination: Coppet · Date: 30.05.1810
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Christian Friedrich Tieck
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Zürich
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 30.05.1810
    Printed Text
  • Bibliography: „Geliebter Freund und Bruder“. Der Briefwechsel zwischen Christian Friedrich Tieck und August Wilhelm Schlegel in den Jahren 1804 bis 1811. Hg. und kommentiert v. Cornelia Bögel. Dresden 2015, S. 210–213.
  • Incipit: „[1] Zurüch den 30. Maÿ 1810.
    Geliebter Theurer Bruder und Freund, ich schreibe dir mit beklemmtem Herzen weil ich schreibe um Abschied [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,17,1 und Mscr.Dresd.App.2712,B,17,25 und Mscr.Dresd.App.2712,B,17,26
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 23,9 x 19 cm
    Language
  • German
[1] Zurüch den 30. Maÿ 1810.
Geliebter Theurer Bruder und Freund, ich schreibe dir mit beklemmtem Herzen weil ich schreibe um Abschied von dir zu nehmen auf lange Zeit, denn ich höre kein Wort davon das deine lange Reise nicht statt habe, und wer weis ob wir uns jemahls wieder sehn, denn ich bin krank, und habe den Muth weiter zu Leben verlohren, doch von mir selbst nachher, jezt von der beiliegenden Zeichnung Ich hoffe Schelling hatt dir schon längst geschrieben, ich selbst könnte es nicht, weil ich seit fast meiner Ankunft hir ernstlich krank gewesen, so das ich eines Arztes bedurfte, und lange mein Zimmer nicht verlassen habe. So wie die Zeichnung jezt da ist, ist sie mit dem Rath andrer Verständiger Menschen abgeändert.
Schelling ist damit zufrieden, jezt kommt es auf deine Meinung an ob du es auch bist. ich habe wie du siehst dem Monument eine etwas andre Form gegeben, wodurch nur ein Basrelief, von der grösse der Platte vorn wird, die beiden andren Schmaler, das eine dafür um etwas breiter, alle höher, also das die Figuren über zwei Schuhe hoch werden. Die Sujets welche ich vorgeschlagen, sind erstens, auf dem grossen, die Tochter welche stirbt in dem sie der Mutter hülfreich ist, und von einer Schla[n]ge gestochen in die Arme eines Engels sinkt, das am schmalen ein kniend betendes Mädchen mit Blumen, als Zeichen ihres frommen Lebens das andre eine aufwärts schwebende Figur als ihre Apotheose. Schelling haben die Sujets gefallen, ich habe ein kleines Gesimms gemacht um vor dem herauslaufenden Wasser zu bewahren, ueber jedes der Basreliefs wär es nicht übel in den Stein einen Vers oder Distichon zu schreiben, vielleicht als nähere Erklärung des Basreliefs. Die Masken habe ich weggelassen, als unpassend, und heidnisch auf einem klösterlichen Kirchhof. Durch einen Zufall steth auf diser Zeichnung das seiten Basrelief [2] etwas zu hoch. es wird mit der schriftplatte gleiche höhe. Die Inschrift der Tafel müstest du aber so gut sein mir zuzusenden, oder durch Schelling senden lassen.
Unter den Papieren, das heist Zeichnung, und Gutachten, von Schadow Meier, Goethe, und Tischbein, und Fiorillo, welche ich habe⎣in Verwahrung⎦ist die Inschrift nicht, welche du mir einmal zeigtest. Schelling drängt die Arbeiten sollen in disem Jahr noch fertig [werden] auch ich will es. Um Schelling nicht weiter darüber zu sprechen, habe ich ihm gesagt das ihm ich vielleicht nur im Anfang zu den ersten Ausgaben, als Kauf des Marmors Transport der Büste nach Rom und dergleichen Geld nöthig hätte, das übrige dir hinterdrein berechnen wollte, und ihm dafür etwa 10–14 Louisd’or bestimmt, willst du dis auf denn Fall das ich es bedürffen sollte anweisen so thue es, wenn ich es umgehen kann mache ich keinen Gebrauch davon, denn ich bin schon mehr es zu sehr dein Schuldner, ich denke in wenigen Tagen von hir abzugehen, nach Rom hin, und so schnell zu gehen als ich kann, denn noch bin ich nicht ganz wohl. Durch den Fourgeon habe ich von hir das Köpfchen der kleinen Stael nach Coppet geschikt, ich habe es eher thun wollen aber die Krankheit hatt mich daran verhindert. Die versprochene Zeichnung ist noch nicht gemacht, obgleich angefangen, und alle Studien dazu fertig, Aber, als ich nach München kamm, war nicht daran zu denken etwas zu machen. Die Schwester war krank, und ich durfte ihr fast nicht von der Seite gehen, darüber wurde ich selbst ungeduldig, weil ich später hir von einem Tag zum anderen abzureisen gedachte, bis ich anfing Büsten zu machen, wo ich den[n] abwechselnd mit Herzens Angst gearbeitet habe, über Sorgen und Kummer manchen Tag verlohr, und manchen Tag um die Schwester zu Trösten.
Auf mein Leben haben die Menschen niemals Rüksicht genommen, und vielleicht bin ich zu schwach und gebe zu viel nach. Ich bitte dich entschuldige mich bei Fr[au] v[on] Stael so gut es gehn mag, aber ich habe ihr nicht wort halten können, bleibe ich Lebendig soll sie gewiß nicht zu kurz kommen, sondern das Werk wird nur desen besser [3] werden. Schon in der Zeit das ich bei dir war hatte ich ein ängstliches Vorgefühl wie viel ich würde im beisammensein mit meiner Schwester zu leiden haben, ich habe noch mehr gelitten als ich fürchtete, und sehe für mich der Leiden kein Ende. Ich habe der Schwester in unserm Haushalt in dem Jahr das ich in München war über 1 500 fl. gegeben 1000 zu bezahlen übernommen, und auf den Papieren angewiesen. Endlich mußte ich ich gar ihr noch 15 Louisd’or einen Theil meines Reisegeldes [lassen] mit der Bed[ingun]g mir solches hieher zu senden wenn Sie Geld erhiellten um weiter Reisen zu können. Jezt bin ich nun seit 4 Wochen hier, und krank, und warte vergebens und hatte mich doch in Stutgard 14 Tagen statt drei aufgehalten. Ich kann es ihr nicht ruegen denn wahrscheinlich ist sie selbst in Noth, oder hatt geglaubt ich könne leicht hir von meinen Bekannten so viel erhalten, Aber alle haben es mir abgeschlagen, und nun habe ich das Gefühl als habe man Unrecht gegen mich, und mag doch keinen des Unrechts beschuldigen, Schikt mann mir nun endlich die Summe, so muß ich mehr als die Hälfte hir im Gasthof bezahlen, und ich habe Niemanden einmal dem ich mein Leiden klagen kann. Die lezte Zeit meines Lebens habe ich andern aufgeopfert, fast jeden Wunsch mir versagen müssen – an kein Glük für mich denken können, und auch zum Überfluß und Schmerze kann ich die Verpflichtungen nicht erfüllen, die ich gegen andre auf mich genommen, und kann es Niemandem wehren mich für einen Ehrlosen Menschen anzusehen. – Verzeihe das ich dich auch noch mit meinem Unmuth beschwere, schreibe es dem Uebelbefinden zu, und der Betrübniß die mich ergreift wenn ich daran denke, das bald vielleicht ein weites Meer uns von einander trennt, und ich nicht weis ob ich dich wider sehe, denn nehmen meine Kräfte so fort ab, wie seit ich dich verlassen, so habe ich die Aussicht bei den Anstrengungen und Borgungen in der ich ewig lebe, nicht viele Jahre mehr zu leben. Lebe wohl, und behalte mich auch entfernt lieb, und schreibe mir wohin ich dir künftighin die Briefe adressiren soll, und schreibe der Schwester nichts von dem Inhalte dises Briefes. Leb wohl, und behalte mich lieb. Empfiehl mich bestens der Fr.[au] v[on] Staehl, und Ihren Kindern und Freunden.
Leb wohl. Fr.[iedrich] Tieck.
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[1] Zurüch den 30. Maÿ 1810.
Geliebter Theurer Bruder und Freund, ich schreibe dir mit beklemmtem Herzen weil ich schreibe um Abschied von dir zu nehmen auf lange Zeit, denn ich höre kein Wort davon das deine lange Reise nicht statt habe, und wer weis ob wir uns jemahls wieder sehn, denn ich bin krank, und habe den Muth weiter zu Leben verlohren, doch von mir selbst nachher, jezt von der beiliegenden Zeichnung Ich hoffe Schelling hatt dir schon längst geschrieben, ich selbst könnte es nicht, weil ich seit fast meiner Ankunft hir ernstlich krank gewesen, so das ich eines Arztes bedurfte, und lange mein Zimmer nicht verlassen habe. So wie die Zeichnung jezt da ist, ist sie mit dem Rath andrer Verständiger Menschen abgeändert.
Schelling ist damit zufrieden, jezt kommt es auf deine Meinung an ob du es auch bist. ich habe wie du siehst dem Monument eine etwas andre Form gegeben, wodurch nur ein Basrelief, von der grösse der Platte vorn wird, die beiden andren Schmaler, das eine dafür um etwas breiter, alle höher, also das die Figuren über zwei Schuhe hoch werden. Die Sujets welche ich vorgeschlagen, sind erstens, auf dem grossen, die Tochter welche stirbt in dem sie der Mutter hülfreich ist, und von einer Schla[n]ge gestochen in die Arme eines Engels sinkt, das am schmalen ein kniend betendes Mädchen mit Blumen, als Zeichen ihres frommen Lebens das andre eine aufwärts schwebende Figur als ihre Apotheose. Schelling haben die Sujets gefallen, ich habe ein kleines Gesimms gemacht um vor dem herauslaufenden Wasser zu bewahren, ueber jedes der Basreliefs wär es nicht übel in den Stein einen Vers oder Distichon zu schreiben, vielleicht als nähere Erklärung des Basreliefs. Die Masken habe ich weggelassen, als unpassend, und heidnisch auf einem klösterlichen Kirchhof. Durch einen Zufall steth auf diser Zeichnung das seiten Basrelief [2] etwas zu hoch. es wird mit der schriftplatte gleiche höhe. Die Inschrift der Tafel müstest du aber so gut sein mir zuzusenden, oder durch Schelling senden lassen.
Unter den Papieren, das heist Zeichnung, und Gutachten, von Schadow Meier, Goethe, und Tischbein, und Fiorillo, welche ich habe⎣in Verwahrung⎦ist die Inschrift nicht, welche du mir einmal zeigtest. Schelling drängt die Arbeiten sollen in disem Jahr noch fertig [werden] auch ich will es. Um Schelling nicht weiter darüber zu sprechen, habe ich ihm gesagt das ihm ich vielleicht nur im Anfang zu den ersten Ausgaben, als Kauf des Marmors Transport der Büste nach Rom und dergleichen Geld nöthig hätte, das übrige dir hinterdrein berechnen wollte, und ihm dafür etwa 10–14 Louisd’or bestimmt, willst du dis auf denn Fall das ich es bedürffen sollte anweisen so thue es, wenn ich es umgehen kann mache ich keinen Gebrauch davon, denn ich bin schon mehr es zu sehr dein Schuldner, ich denke in wenigen Tagen von hir abzugehen, nach Rom hin, und so schnell zu gehen als ich kann, denn noch bin ich nicht ganz wohl. Durch den Fourgeon habe ich von hir das Köpfchen der kleinen Stael nach Coppet geschikt, ich habe es eher thun wollen aber die Krankheit hatt mich daran verhindert. Die versprochene Zeichnung ist noch nicht gemacht, obgleich angefangen, und alle Studien dazu fertig, Aber, als ich nach München kamm, war nicht daran zu denken etwas zu machen. Die Schwester war krank, und ich durfte ihr fast nicht von der Seite gehen, darüber wurde ich selbst ungeduldig, weil ich später hir von einem Tag zum anderen abzureisen gedachte, bis ich anfing Büsten zu machen, wo ich den[n] abwechselnd mit Herzens Angst gearbeitet habe, über Sorgen und Kummer manchen Tag verlohr, und manchen Tag um die Schwester zu Trösten.
Auf mein Leben haben die Menschen niemals Rüksicht genommen, und vielleicht bin ich zu schwach und gebe zu viel nach. Ich bitte dich entschuldige mich bei Fr[au] v[on] Stael so gut es gehn mag, aber ich habe ihr nicht wort halten können, bleibe ich Lebendig soll sie gewiß nicht zu kurz kommen, sondern das Werk wird nur desen besser [3] werden. Schon in der Zeit das ich bei dir war hatte ich ein ängstliches Vorgefühl wie viel ich würde im beisammensein mit meiner Schwester zu leiden haben, ich habe noch mehr gelitten als ich fürchtete, und sehe für mich der Leiden kein Ende. Ich habe der Schwester in unserm Haushalt in dem Jahr das ich in München war über 1 500 fl. gegeben 1000 zu bezahlen übernommen, und auf den Papieren angewiesen. Endlich mußte ich ich gar ihr noch 15 Louisd’or einen Theil meines Reisegeldes [lassen] mit der Bed[ingun]g mir solches hieher zu senden wenn Sie Geld erhiellten um weiter Reisen zu können. Jezt bin ich nun seit 4 Wochen hier, und krank, und warte vergebens und hatte mich doch in Stutgard 14 Tagen statt drei aufgehalten. Ich kann es ihr nicht ruegen denn wahrscheinlich ist sie selbst in Noth, oder hatt geglaubt ich könne leicht hir von meinen Bekannten so viel erhalten, Aber alle haben es mir abgeschlagen, und nun habe ich das Gefühl als habe man Unrecht gegen mich, und mag doch keinen des Unrechts beschuldigen, Schikt mann mir nun endlich die Summe, so muß ich mehr als die Hälfte hir im Gasthof bezahlen, und ich habe Niemanden einmal dem ich mein Leiden klagen kann. Die lezte Zeit meines Lebens habe ich andern aufgeopfert, fast jeden Wunsch mir versagen müssen – an kein Glük für mich denken können, und auch zum Überfluß und Schmerze kann ich die Verpflichtungen nicht erfüllen, die ich gegen andre auf mich genommen, und kann es Niemandem wehren mich für einen Ehrlosen Menschen anzusehen. – Verzeihe das ich dich auch noch mit meinem Unmuth beschwere, schreibe es dem Uebelbefinden zu, und der Betrübniß die mich ergreift wenn ich daran denke, das bald vielleicht ein weites Meer uns von einander trennt, und ich nicht weis ob ich dich wider sehe, denn nehmen meine Kräfte so fort ab, wie seit ich dich verlassen, so habe ich die Aussicht bei den Anstrengungen und Borgungen in der ich ewig lebe, nicht viele Jahre mehr zu leben. Lebe wohl, und behalte mich auch entfernt lieb, und schreibe mir wohin ich dir künftighin die Briefe adressiren soll, und schreibe der Schwester nichts von dem Inhalte dises Briefes. Leb wohl, und behalte mich lieb. Empfiehl mich bestens der Fr.[au] v[on] Staehl, und Ihren Kindern und Freunden.
Leb wohl. Fr.[iedrich] Tieck.
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