• Christian Friedrich Tieck to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Zürich · Place of Destination: Genf · Date: 21.03.1811
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Christian Friedrich Tieck
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Zürich
  • Place of Destination: Genf
  • Date: 21.03.1811
    Printed Text
  • Bibliography: „Geliebter Freund und Bruder“. Der Briefwechsel zwischen Christian Friedrich Tieck und August Wilhelm Schlegel in den Jahren 1804 bis 1811. Hg. und kommentiert v. Cornelia Bögel. Dresden 2015, S. 274–278.
  • Incipit: „[1] Zürich den 21. Märtz 1811.
    Verzeih geliebter Freund das ich dir nicht eher als heut Antwort gebe und dich benachrichtige, aber [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,17,16
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 24,7 x 20,1 cm
    Language
  • German
[1] Zürich den 21. Märtz 1811.
Verzeih geliebter Freund das ich dir nicht eher als heut Antwort gebe und dich benachrichtige, aber ich wollte bestimmte Antwort geben können und zugleich den Brif in Copia mitschikken, welchen du zu haben wünschtest. Ich erhielt heut vor acht Tagen deinen Brif, und ging damit Sonnabend Abend zu Horner, in der Meinung ihn zu bereden das Buch gleich am Montag auf seinen Nahmen von der Bibliothek hohlen zu lassen, und solches mir einzuhändigen, das du es alsdenn heut schon statt aller Antwort erhalten hättest, aber ich traf ihn zu meinem Leidwesen krank mit geschwollnem Gesicht. Er äußerte mir er könne es nicht wagen dis allein für sich zu thun, er müsse den darüber Sprechen welcher die Ober Aufsicht ueber die Bibliothek führt, und welcher ein Neveu von Meisters Frau wäre, und wo er auch keine Schwierigkeit glaubt er haben würde. Natürlich war aber daran bis Montag nicht zu denken, da er bis dahin unmöglich ausgehen konnte. Gestern Abend sagte er mir nun das du das Buch erhalten solltest. Ich bat ihn darum mir es bis Montag zu schikken, und ich zweifle keinen Augenblik daran, das ich solches Montag Abend dem Fourgon übergeben kann. Horner will dir Antworten, ich weis aber nicht ob es bis Morgen früh um 10 geschehen sein wird, als wo dise Brife auf die Post sein müssen. Denn er hatt oft viel zu thun, und ist über dem ein Mann der etwas gemächlich ist. Auch ist er Inspector Collegii Alumnorum, nicht der Bibliothek, und hatt 12 oder 14 junge Theologen zu beobachten, zu speisen und zu tränken, et cetera, und außerdem allerlei Profässuren.
Ich habe den sehr langen und sehr beschwerlichen Brif Bodmers ganz von Wort zu Wort abgeschrieben, mit alledem was gar der Sache nichts angeth aber du wirst eben falls sehen, das du gar nichts weiter dadurch erfährst [2]als was du schon gewissermassen deutlicher aus dem Wocherschen Brif, und den dazu geschriebenen Notizen, weist. Die übrigen Brife enthalten wie diser zum Theil beklagen über das wenige Interesse der Menschen an diesen herrlichen Sachen, und über den Zustand der Litteratur überhaupt. bald Notizen über den Druk, und einige Mahl sehr heftiges Antreiben den Druk zu befördern, und Vorwürffe das sein Eifer auch wohl erkaltet wäre. Dann sind eine Menge Müllerscher Antworten dazu. Das ganze ist Interessant genug, und wenn du einige Tage hier sein könntest, so wäre es wohl möglich das du noch mancherlei nützliches oder curiöses fändest, aber dir senden kann man es nicht, weil die Sachen aus lauter einzelnen Blättern, nemlich Brifen bestehen, die nicht gebunden sind, und oft eine sehr bizzare Form haben. Ich kann es auch unmöglich alles durchlesen, es ist eine grausame Arbeit und die außerdem noch mir viel Zeit kosten würde. Horner will die Sachen in Ordnung bringen, aber, wann wird das geschehen?
Ich lese jezt das lezte Stük deiner Vorlesungen, was du über Shakespear sagst hatt mir ganz außerordentlich wohl gefallen, so wie du wohl überhaupt nicht leicht etwas schreiben kannst was mir nicht außerordentlich wohl gefiele, es müste dann französisch sein, und dann wäre es doch nur das französische und nicht die Sache. Ich freue mich außerordentlich auf deine neue Arbeit. Die Horner ist hieher zurükgekommen, und weiß deines Lobes kein Ende. Auch hatt sie mir so viel von einem Roman der Fr[au] v[on] Fouquet gesprochen der so ganz vortrefflich wäre das ich warlich grosse Lust hätte ihn zu lesen, kann ich das bei dir, oder muß ich mich vorher darum bemühen? Fouquet selbst, soll ja aus dem Spanischen mit vielem Glüke übersetzen. Auch schrieb man mir [3] neulich das mann deinen Standhaften Prinzen in Weimar würklich uraufgeführt hatt, und das solcher auch bei dem Poebel großen Beifall gefunden, doch soll der Prinz etwas zu empfindsam gespielt haben. Für mich war es eine Nachricht die mich sehr erschrekt hatt, das unser Runge Todt ist, besonders weil man es mir so beiläufig schrib, als müste ich es schon längst wissen. Du liesest die Zeitungen, und hast also wohl wahrscheinlich schon Nachricht davon gehabt. Aber in Erstaunen hatt mich die Nachricht gesezt die ich heut in der Zeitung laß, das die Frechheit in München so weit geth das mann anfangen will die Protestantischen Gelehrten meuchelmördischer Weise zu Ermorden, wie dis dem Thiersch begegnet ist, dem ein Kerl einen Dolch in den Naken stoßen, und disen darin stecken lassen, Ich weiß nicht ob du Thiersch kennst. Er ist ein Mensch der viel weiß, und mit grossem Eifer das Schulwesen treibt Er giebt besonders Unterricht im Griechischen und Lateinischen, macht darueber Gedichte und Uebersetzungen, hatt auch einigen Witz, und Herz genug gegen Aretins Niederträchtigkeiten sich zu regen, und dagegen zu schreiben. Jezt hatt es nun der Minister für die Schwächen alle und jeden Eclat zu fürchten, und nicht längst Aretin so gestellt zu haben das er sich nicht regen darf, oder ihn ernsthaft zu bestrafen, und eine wunderschöne Polizei, die dergleichen nicht entdecken kann, aber währ wäre es nur Jemand anders der dergleichen unternähme, sie würden ihm bald genug einen Prozess machen. Doch was geth es mich an, bin ich doch nicht dabei, der alte Mann Jacobi dauert mich am meisten, darauf ist es gewiß hauptsächlich abgesehn ihn zu Tode zu ärgern.
Die Zeichnung hält mich viel länger auf als ich erwartet hatte, doch habe ich in diser Woche angefangen solche zum lezten mahle überzugehen, und ich schmeichle mir wenigstens, das solche in Absicht der Sauberkeit allen [4] Foderungen genügen soll, und ähnlich ist es gewiß, wenn jemahls der Kopf den ich nach der Natur gezeichnet ähnlich war, ich hoffe du sollst auch mit der Gestallt zufrieden sein. Von der Schwester erwarte ich heute Sonnabend einen Brif, denn ich habe gestern Abend den Brif nicht zu Ende geschrieben, vor acht Tagen hatte ich einen von ihr, worin sie sehr über ihren Gesundheitszustand klagt, besonders über ihre Augen, und sehr melancholisch ist, sie hatte den Avis einer zweiten kleinen Summe Geld erhalten, wovon ich Ihrer Meinung nach heut etwas erhalten müste. Eine grosse Summe hinreichend alle Bedürfnisse Abzuhalten, hatt erst am 1 März dort abgehen können, weil dis ein Termin ist wo Gelder eingehen, bis dahin natürlich jeder es zu zurükhält. Also glaube ich fast nicht das ich vor mitte Aprills werde von hir wegreisen können. Sehr angenehm wäre es gewiß dich dann schon in Coppet anzutreffen, besonders wenn es schönes Wetter wäre. Es sind dort weniger zerstreuungen als in Genf, auch keine langweiligen Besuche zu machen Lebe wohl Theurer Freund und behalt mich Lieb, wie ich dich ewig brüderlich lieben werde.
Fr.[iedrich] T.[ieck]
Weisser habe ich wiederhohlt wegen der Büsten geschrieben, auf meine lezten Brife noch keine Antwort aber erhalten, und es wunderte mich fast, das wenn er deine Büste nicht sollte zum Theil schon abgeschikt haben. Er entschuldigte sich bei mir in einem frühern Brife, das er es nicht so schnell thun könnte als er möchte, wegen der kurzen Winter Tage, und da er zuviel genöthigt von Sachen geschwind zu machen, die er augenbliklich bezahlt erhielte, da der Winter ihn immer etwas in Rüksicht des Geldes zurükbrächte, weil man den nicht soviel arbeiten könnte als im Sommer. Ich werde ihm aber dise Tage gewiß noch einmahl wieder schreiben, obgleich ich überzeugt bin das es ganz unnöthig sein wird. Noch einmal leb wohl.
[1] Zürich den 21. Märtz 1811.
Verzeih geliebter Freund das ich dir nicht eher als heut Antwort gebe und dich benachrichtige, aber ich wollte bestimmte Antwort geben können und zugleich den Brif in Copia mitschikken, welchen du zu haben wünschtest. Ich erhielt heut vor acht Tagen deinen Brif, und ging damit Sonnabend Abend zu Horner, in der Meinung ihn zu bereden das Buch gleich am Montag auf seinen Nahmen von der Bibliothek hohlen zu lassen, und solches mir einzuhändigen, das du es alsdenn heut schon statt aller Antwort erhalten hättest, aber ich traf ihn zu meinem Leidwesen krank mit geschwollnem Gesicht. Er äußerte mir er könne es nicht wagen dis allein für sich zu thun, er müsse den darüber Sprechen welcher die Ober Aufsicht ueber die Bibliothek führt, und welcher ein Neveu von Meisters Frau wäre, und wo er auch keine Schwierigkeit glaubt er haben würde. Natürlich war aber daran bis Montag nicht zu denken, da er bis dahin unmöglich ausgehen konnte. Gestern Abend sagte er mir nun das du das Buch erhalten solltest. Ich bat ihn darum mir es bis Montag zu schikken, und ich zweifle keinen Augenblik daran, das ich solches Montag Abend dem Fourgon übergeben kann. Horner will dir Antworten, ich weis aber nicht ob es bis Morgen früh um 10 geschehen sein wird, als wo dise Brife auf die Post sein müssen. Denn er hatt oft viel zu thun, und ist über dem ein Mann der etwas gemächlich ist. Auch ist er Inspector Collegii Alumnorum, nicht der Bibliothek, und hatt 12 oder 14 junge Theologen zu beobachten, zu speisen und zu tränken, et cetera, und außerdem allerlei Profässuren.
Ich habe den sehr langen und sehr beschwerlichen Brif Bodmers ganz von Wort zu Wort abgeschrieben, mit alledem was gar der Sache nichts angeth aber du wirst eben falls sehen, das du gar nichts weiter dadurch erfährst [2]als was du schon gewissermassen deutlicher aus dem Wocherschen Brif, und den dazu geschriebenen Notizen, weist. Die übrigen Brife enthalten wie diser zum Theil beklagen über das wenige Interesse der Menschen an diesen herrlichen Sachen, und über den Zustand der Litteratur überhaupt. bald Notizen über den Druk, und einige Mahl sehr heftiges Antreiben den Druk zu befördern, und Vorwürffe das sein Eifer auch wohl erkaltet wäre. Dann sind eine Menge Müllerscher Antworten dazu. Das ganze ist Interessant genug, und wenn du einige Tage hier sein könntest, so wäre es wohl möglich das du noch mancherlei nützliches oder curiöses fändest, aber dir senden kann man es nicht, weil die Sachen aus lauter einzelnen Blättern, nemlich Brifen bestehen, die nicht gebunden sind, und oft eine sehr bizzare Form haben. Ich kann es auch unmöglich alles durchlesen, es ist eine grausame Arbeit und die außerdem noch mir viel Zeit kosten würde. Horner will die Sachen in Ordnung bringen, aber, wann wird das geschehen?
Ich lese jezt das lezte Stük deiner Vorlesungen, was du über Shakespear sagst hatt mir ganz außerordentlich wohl gefallen, so wie du wohl überhaupt nicht leicht etwas schreiben kannst was mir nicht außerordentlich wohl gefiele, es müste dann französisch sein, und dann wäre es doch nur das französische und nicht die Sache. Ich freue mich außerordentlich auf deine neue Arbeit. Die Horner ist hieher zurükgekommen, und weiß deines Lobes kein Ende. Auch hatt sie mir so viel von einem Roman der Fr[au] v[on] Fouquet gesprochen der so ganz vortrefflich wäre das ich warlich grosse Lust hätte ihn zu lesen, kann ich das bei dir, oder muß ich mich vorher darum bemühen? Fouquet selbst, soll ja aus dem Spanischen mit vielem Glüke übersetzen. Auch schrieb man mir [3] neulich das mann deinen Standhaften Prinzen in Weimar würklich uraufgeführt hatt, und das solcher auch bei dem Poebel großen Beifall gefunden, doch soll der Prinz etwas zu empfindsam gespielt haben. Für mich war es eine Nachricht die mich sehr erschrekt hatt, das unser Runge Todt ist, besonders weil man es mir so beiläufig schrib, als müste ich es schon längst wissen. Du liesest die Zeitungen, und hast also wohl wahrscheinlich schon Nachricht davon gehabt. Aber in Erstaunen hatt mich die Nachricht gesezt die ich heut in der Zeitung laß, das die Frechheit in München so weit geth das mann anfangen will die Protestantischen Gelehrten meuchelmördischer Weise zu Ermorden, wie dis dem Thiersch begegnet ist, dem ein Kerl einen Dolch in den Naken stoßen, und disen darin stecken lassen, Ich weiß nicht ob du Thiersch kennst. Er ist ein Mensch der viel weiß, und mit grossem Eifer das Schulwesen treibt Er giebt besonders Unterricht im Griechischen und Lateinischen, macht darueber Gedichte und Uebersetzungen, hatt auch einigen Witz, und Herz genug gegen Aretins Niederträchtigkeiten sich zu regen, und dagegen zu schreiben. Jezt hatt es nun der Minister für die Schwächen alle und jeden Eclat zu fürchten, und nicht längst Aretin so gestellt zu haben das er sich nicht regen darf, oder ihn ernsthaft zu bestrafen, und eine wunderschöne Polizei, die dergleichen nicht entdecken kann, aber währ wäre es nur Jemand anders der dergleichen unternähme, sie würden ihm bald genug einen Prozess machen. Doch was geth es mich an, bin ich doch nicht dabei, der alte Mann Jacobi dauert mich am meisten, darauf ist es gewiß hauptsächlich abgesehn ihn zu Tode zu ärgern.
Die Zeichnung hält mich viel länger auf als ich erwartet hatte, doch habe ich in diser Woche angefangen solche zum lezten mahle überzugehen, und ich schmeichle mir wenigstens, das solche in Absicht der Sauberkeit allen [4] Foderungen genügen soll, und ähnlich ist es gewiß, wenn jemahls der Kopf den ich nach der Natur gezeichnet ähnlich war, ich hoffe du sollst auch mit der Gestallt zufrieden sein. Von der Schwester erwarte ich heute Sonnabend einen Brif, denn ich habe gestern Abend den Brif nicht zu Ende geschrieben, vor acht Tagen hatte ich einen von ihr, worin sie sehr über ihren Gesundheitszustand klagt, besonders über ihre Augen, und sehr melancholisch ist, sie hatte den Avis einer zweiten kleinen Summe Geld erhalten, wovon ich Ihrer Meinung nach heut etwas erhalten müste. Eine grosse Summe hinreichend alle Bedürfnisse Abzuhalten, hatt erst am 1 März dort abgehen können, weil dis ein Termin ist wo Gelder eingehen, bis dahin natürlich jeder es zu zurükhält. Also glaube ich fast nicht das ich vor mitte Aprills werde von hir wegreisen können. Sehr angenehm wäre es gewiß dich dann schon in Coppet anzutreffen, besonders wenn es schönes Wetter wäre. Es sind dort weniger zerstreuungen als in Genf, auch keine langweiligen Besuche zu machen Lebe wohl Theurer Freund und behalt mich Lieb, wie ich dich ewig brüderlich lieben werde.
Fr.[iedrich] T.[ieck]
Weisser habe ich wiederhohlt wegen der Büsten geschrieben, auf meine lezten Brife noch keine Antwort aber erhalten, und es wunderte mich fast, das wenn er deine Büste nicht sollte zum Theil schon abgeschikt haben. Er entschuldigte sich bei mir in einem frühern Brife, das er es nicht so schnell thun könnte als er möchte, wegen der kurzen Winter Tage, und da er zuviel genöthigt von Sachen geschwind zu machen, die er augenbliklich bezahlt erhielte, da der Winter ihn immer etwas in Rüksicht des Geldes zurükbrächte, weil man den nicht soviel arbeiten könnte als im Sommer. Ich werde ihm aber dise Tage gewiß noch einmahl wieder schreiben, obgleich ich überzeugt bin das es ganz unnöthig sein wird. Noch einmal leb wohl.
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