• Christian Friedrich Tieck to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Zürich · Place of Destination: Coppet · Date: 16.11.1811
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Christian Friedrich Tieck
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Zürich
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 16.11.1811
    Printed Text
  • Bibliography: „Geliebter Freund und Bruder“. Der Briefwechsel zwischen Christian Friedrich Tieck und August Wilhelm Schlegel in den Jahren 1804 bis 1811. Hg. und kommentiert v. Cornelia Bögel. Dresden 2015, S. 297–300.
  • Incipit: „[1] Zürich den 16ten 9br 1811.
    Du wirst böse auf mich sein geliebter Freund daß ich dir auf deinen lezten Brief nicht [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,17,23
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 22,3 x 19,1 cm
    Language
  • German
[1] Zürich den 16ten 9br 1811.
Du wirst böse auf mich sein geliebter Freund daß ich dir auf deinen lezten Brief nicht geantwortet habe, und in der That du hast es um so mehr Uhrsach da ich schon vor 14 Tagen wieder einen Brif von der Schwester erhalten habe, und heute wieder einen von ihr erwarte da ich seit 14 Tagen keinen erhalten habe. In disem lezten in welchen sie mir eine Summe Geld schikte, schrieb sie mir das die Briefe sehr lange anfingen unterwegs zu sein, oder der Kaufmann dise hatte eine Zeitlang liegen lassen, wie die Herren es zuweilen thun. Den[n] Knorrings Brief war wenn ich recht verstanden habe auf seiner Hinreise nach Finnland geschrieben, von dort aus hatt sie nun noch keine Nachricht da Sie mir noch nichts davon geschrieben. Das es mich sehr bekümmert kannst du denken da ich immer länger hir sitzen und warten muß und immer mehr Zeit verliehre, und am Ende eine Reise ganz ohne Genuß, und nur voll grausamer Beschwerden über die Berge haben werde, außerdem daß mein Auffenthalt immer noch mehr kostet, und ich vom Gewinn immer länger zurükgehalten werde. Ich glaube im Ernst du bist böse auf mich gewesen, weil du die Auflagen wegen der Bücher Horner und nicht mir gegeben hast, indessen ist auch daraus erfolgt das du solche gar nicht erhalten würdest wenn ich es nicht zufällig von Horner erfahren hätte, Er hatt ein Billet geschrieben, und solches in die Buchhandlung geschikt, wahrscheinlich ist dis aber verlohren gegangen, denn in der Handlung wollte Niemand etwas davon wissen, um so mehr da man beide Bücher gehabt hatt. Das Heldenbuch wirst du nun mit dem nächsten Gütherwagen erhalten, dise Grimmschen Lieder aber muß mann erst wieder verschreiben, welches ich beordert habe, und beide Bücher auf meine Rechnung schreiben lassen, das du also für keine Bezahlung zu sorgen hast, es kann eben leicht ein paar Monathe dauern ehe du das zweite erhälst, denn da mehrere Fürsten in Deutschland die alten Postordnungen aufgehoben, so kann man fast nirgends hin [2] wie ehemahls Bücher mit den Posten schiken, sondern läßt solche meist mit Frachten kommen, so ist es auch wohl erklärlich das deine Gedichte Horner erst gestern erhalten hatt.
Ueber die dänischen Lieder hatt dein Bruder gewiß sehr recht, mir ist Grimms Vorrede ordentlich Albern vorgekommen, darin er allen so ein hohes Alterthum geben will, und besonders die Gedichte Sigfrids betreffend, da jene doch jede Spur des Neuen tragen, besonders das gehäufte Wunderbare ohne Noth, dessen Mässigung bei den uranfänglichen Gedichten, oder alten immer ist, doch daß habe ich ja eben von dir gelernt. Auch seine Uebersetzung mag sehr richtig sein, dis will ich nicht bestreiten, aber die Gedichte welche Herder früher davon übersezt hatt, klingen schöner und origineller selbst. Auch möchte ich aus ein paar Kleinigkeiten welche mir einmahl Oehlenschläger bei Gelegenheit der Herderschen Uebersetzung sagte nicht immer auf das ganz richtige verständniß schließen. Seit ich dir zum leztenmahl schrieb ist Schik hier durchgereißt, und hatt sich zwei Tage bei mir aufgehalten, doch habe ich wenig Freude daran gehabt, denn der Unglüklige ist sehr krank, und ich fürchte sehr für ihn das es am Ende in eine Auszehrung ausarten wird, zugleich war seine Frau zum dritten mahl schwanger, und erwartet in wenigen Tagen ihre Entbindung so daß er eilen mußte nach Hause zu kommen. Er will im Frühjahr nach Wien gehen. Seine Frau war aber liebenswürdiger als je, und seine beiden jungen sind außerordentlich Gesund. Noch habe ich aber keine Nachricht von seiner Ankunft in Stuttgardt. Mit seiner Krankheit ist es sehr übel, da Niemand eigentlich sagen kann was ihm fehlt. Er leidet an Schmertzen in der linken Seite, in der Weiche, und etwas höher hinauf im Rüken, aber diser Schmerz hatt sich nun seit einiger Zeit dort festgesezt, früh ist er fast im ganzen Körper herum zugegen, dabei ist er eine Zeitlang bis an die Brust hinauf geschwollen gewesen.
Zulezt war er in Rom wieder wohl und stark geworden, aber die Reise hatt ihn so ang[egr]iffen das er in Maÿland von neuem krank geworden ist, und dort sich in seines Schwagers vaters Hause einen Monath aufgehalten. Ich wollte du könntest übers Jahr wieder eine Reise nach Wien machen und dich dort von ihm mahlen lassen. Aus [3] Weimar schreibt man mir allehand wunderliche Sachen. Das Spanisch Lernen ist dort Mode geworden, und Goethe thut nichts als von Calderon sprechen.
Der alte Einsiedel hatt eins seiner Stücke übersezt, Das Leben ist ein Traum, und Goethe bearbeitet es etwas um es aufzuführen. Hast du seine Wahrheit und Dichtung schon erhalten? Hieher hatt es sich noch nicht verirrt. Ueberhaupt ist Zürich eine Art von Sibirien, was nicht gerade auf die Ostermesse erscheint, ist fast gar nicht zu haben, überhaupt treiben die Leute ihren Buchhandel sehr furchtsam wie du ja schon selber bemerkt hast. Ein Buch was mir jezt sehr viel vergnügen gemacht hatt sind Heerens Ideen über Politik und Handel der alten Völker, es hatt wieder recht die Lust in mir rege gemacht Egipten und Indien zu durchreisen. Doch was liegt daran. Lebe wohl und behalt mich lieb. Noch eins, wenn die Horner dir noch nicht geantwortet hatt. Sie ist einige Zeit in luzer Luzern gewesen, ist immer fort krank, und hatt nebenbei noch Besuch gehabt. Doch werde ich sie erinnern da ich in disen Tagen gewiß hinaus gehe. Lebe wohl und behalt mich lieb.
Ewig der deinige Fr:[iedrich] Tieck.
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[1] Zürich den 16ten 9br 1811.
Du wirst böse auf mich sein geliebter Freund daß ich dir auf deinen lezten Brief nicht geantwortet habe, und in der That du hast es um so mehr Uhrsach da ich schon vor 14 Tagen wieder einen Brif von der Schwester erhalten habe, und heute wieder einen von ihr erwarte da ich seit 14 Tagen keinen erhalten habe. In disem lezten in welchen sie mir eine Summe Geld schikte, schrieb sie mir das die Briefe sehr lange anfingen unterwegs zu sein, oder der Kaufmann dise hatte eine Zeitlang liegen lassen, wie die Herren es zuweilen thun. Den[n] Knorrings Brief war wenn ich recht verstanden habe auf seiner Hinreise nach Finnland geschrieben, von dort aus hatt sie nun noch keine Nachricht da Sie mir noch nichts davon geschrieben. Das es mich sehr bekümmert kannst du denken da ich immer länger hir sitzen und warten muß und immer mehr Zeit verliehre, und am Ende eine Reise ganz ohne Genuß, und nur voll grausamer Beschwerden über die Berge haben werde, außerdem daß mein Auffenthalt immer noch mehr kostet, und ich vom Gewinn immer länger zurükgehalten werde. Ich glaube im Ernst du bist böse auf mich gewesen, weil du die Auflagen wegen der Bücher Horner und nicht mir gegeben hast, indessen ist auch daraus erfolgt das du solche gar nicht erhalten würdest wenn ich es nicht zufällig von Horner erfahren hätte, Er hatt ein Billet geschrieben, und solches in die Buchhandlung geschikt, wahrscheinlich ist dis aber verlohren gegangen, denn in der Handlung wollte Niemand etwas davon wissen, um so mehr da man beide Bücher gehabt hatt. Das Heldenbuch wirst du nun mit dem nächsten Gütherwagen erhalten, dise Grimmschen Lieder aber muß mann erst wieder verschreiben, welches ich beordert habe, und beide Bücher auf meine Rechnung schreiben lassen, das du also für keine Bezahlung zu sorgen hast, es kann eben leicht ein paar Monathe dauern ehe du das zweite erhälst, denn da mehrere Fürsten in Deutschland die alten Postordnungen aufgehoben, so kann man fast nirgends hin [2] wie ehemahls Bücher mit den Posten schiken, sondern läßt solche meist mit Frachten kommen, so ist es auch wohl erklärlich das deine Gedichte Horner erst gestern erhalten hatt.
Ueber die dänischen Lieder hatt dein Bruder gewiß sehr recht, mir ist Grimms Vorrede ordentlich Albern vorgekommen, darin er allen so ein hohes Alterthum geben will, und besonders die Gedichte Sigfrids betreffend, da jene doch jede Spur des Neuen tragen, besonders das gehäufte Wunderbare ohne Noth, dessen Mässigung bei den uranfänglichen Gedichten, oder alten immer ist, doch daß habe ich ja eben von dir gelernt. Auch seine Uebersetzung mag sehr richtig sein, dis will ich nicht bestreiten, aber die Gedichte welche Herder früher davon übersezt hatt, klingen schöner und origineller selbst. Auch möchte ich aus ein paar Kleinigkeiten welche mir einmahl Oehlenschläger bei Gelegenheit der Herderschen Uebersetzung sagte nicht immer auf das ganz richtige verständniß schließen. Seit ich dir zum leztenmahl schrieb ist Schik hier durchgereißt, und hatt sich zwei Tage bei mir aufgehalten, doch habe ich wenig Freude daran gehabt, denn der Unglüklige ist sehr krank, und ich fürchte sehr für ihn das es am Ende in eine Auszehrung ausarten wird, zugleich war seine Frau zum dritten mahl schwanger, und erwartet in wenigen Tagen ihre Entbindung so daß er eilen mußte nach Hause zu kommen. Er will im Frühjahr nach Wien gehen. Seine Frau war aber liebenswürdiger als je, und seine beiden jungen sind außerordentlich Gesund. Noch habe ich aber keine Nachricht von seiner Ankunft in Stuttgardt. Mit seiner Krankheit ist es sehr übel, da Niemand eigentlich sagen kann was ihm fehlt. Er leidet an Schmertzen in der linken Seite, in der Weiche, und etwas höher hinauf im Rüken, aber diser Schmerz hatt sich nun seit einiger Zeit dort festgesezt, früh ist er fast im ganzen Körper herum zugegen, dabei ist er eine Zeitlang bis an die Brust hinauf geschwollen gewesen.
Zulezt war er in Rom wieder wohl und stark geworden, aber die Reise hatt ihn so ang[egr]iffen das er in Maÿland von neuem krank geworden ist, und dort sich in seines Schwagers vaters Hause einen Monath aufgehalten. Ich wollte du könntest übers Jahr wieder eine Reise nach Wien machen und dich dort von ihm mahlen lassen. Aus [3] Weimar schreibt man mir allehand wunderliche Sachen. Das Spanisch Lernen ist dort Mode geworden, und Goethe thut nichts als von Calderon sprechen.
Der alte Einsiedel hatt eins seiner Stücke übersezt, Das Leben ist ein Traum, und Goethe bearbeitet es etwas um es aufzuführen. Hast du seine Wahrheit und Dichtung schon erhalten? Hieher hatt es sich noch nicht verirrt. Ueberhaupt ist Zürich eine Art von Sibirien, was nicht gerade auf die Ostermesse erscheint, ist fast gar nicht zu haben, überhaupt treiben die Leute ihren Buchhandel sehr furchtsam wie du ja schon selber bemerkt hast. Ein Buch was mir jezt sehr viel vergnügen gemacht hatt sind Heerens Ideen über Politik und Handel der alten Völker, es hatt wieder recht die Lust in mir rege gemacht Egipten und Indien zu durchreisen. Doch was liegt daran. Lebe wohl und behalt mich lieb. Noch eins, wenn die Horner dir noch nicht geantwortet hatt. Sie ist einige Zeit in luzer Luzern gewesen, ist immer fort krank, und hatt nebenbei noch Besuch gehabt. Doch werde ich sie erinnern da ich in disen Tagen gewiß hinaus gehe. Lebe wohl und behalt mich lieb.
Ewig der deinige Fr:[iedrich] Tieck.
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