• Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Berlin · Date: 16.07.1802
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 16.07.1802
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph: Historisch-kritische Ausgabe. Hg. v. Thomas Buchheim, Jochen Hennigfeld, Wilhelm G. Jacobs, Jörg Jantzen u. Siegbert Peetz. Stuttgart 1976ff. Reihe III: Briefe 2,1: Briefwechsel 1800–1802. Hg. v. Thomas Kisser unter Mitwirkung von Walter Schieche und Alois Wieshuber. Stuttgart 2010, S.443–445.
  • Incipit: „[1] Jena 16ter Jul. 02.
    Es ist schon längst meine Absicht gewesen, Ihnen zu schreiben, immer aber durch andre Arbeiten und Zerstreuungen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-36872
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.20,Nr.18
  • Number of Pages: 6 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,8 x 12 cm
    Language
  • German
[1] Jena 16ter Jul. 02.
Es ist schon längst meine Absicht gewesen, Ihnen zu schreiben, immer aber durch andre Arbeiten und Zerstreuungen verhindert ergreife ich die Gelegenheit der Übersendung des beykommenden Hefts des Krit. Journals, es zu thun. – Vielleicht wird nicht nur Interesse an der Philosophie überhaupt, sondern auch an einigen der Individualitæten, die in dem Aufsatz von Hegel, welcher es anfüllt, berührt sind, Sie bewegen, es eines genaueren Anblicks zu würdigen; Jacobis speculative Seite ist bis zu den neuesten Äußerungen die Sie kennen und bis in das offenbare Grundprincip aller, die Scheu vor der Vernichtung des Endlichen, recht gut verfolgt; nur finden Sie vielleicht zu wünschen, daß der Theil, welcher ihn betrifft, selbst gezänk- und wolkenloser wære, wie es der Verf[asser] von Jacobis Pole [2] mik zu wünschen findet, so wie ˹es˺ um die erste Idee, die vortrefflich ist, wirklich Schade scheinen könnte, daß sie nicht mit mehr Klarheit und Correktheit herausgearbeitet ist. Wegen Fichteʼs könnte Ihre Freundschaft wirklich einigermaßen in’s Gedränge kommen, jedoch, wenn Sie es nur immer damit vereinigen können, wünsche ich fast, daß Sie ihm dieses Stück nicht zeigen, da ich für meinen Theil völlig überzeugt bin, daß er nicht das Geringste ˹davon˺ versteht, und es ganz unbegreiflich findet, wie man so mit der Aufklærerei, ˹u.˺ dem Berlinismus zusammenarbeiten kann, andrerseits ist es auch zu wünschen, daß er bey der Vollendung der Wissensch[afts]lehre nicht einmal durch die historische Notiz von solchen extremen Äußerungen, (denn an das Lesen ist ohnehin nicht zu denken) in der Unbefangenheit und Naivetät der seinigen [3] gestört werde. Am Ende des Abschnitts über Jacobi finden Sie auch etwas von den Reden über die Religion, das freylich mehr einem allgemeinen darinn ausgedrückten Bestreben, wie ihnen als besonderem Werk gilt.
Die neueren Hefte meiner Zeitschr. werde ich Ihnen nebst einer andern kleinen Schrift von mir, die noch diesen Sommer erscheint, zusammen überschicken, wenn es Sie interessiren kann, sie zu erhalten.
Zufälliger Weise nachdem ich sein Daseyn längst vergessen hatte kam mir in der eleg. Zeitung der Brief, den Bericht von der W[eimar]ischen Vorstellung des Ion betreffend, zu Gesicht, und ich gestehe, daß ich nicht umhin konnte, mich einigermaßen darüber zu verwundern, so wie ich, um diesen Spaß weiter fortzusetzen, wirklich etwas darüber aufgesetzt habe, das Spazier, unerachtet ihn der Bericht von 4. Bogen über die Berlinische Vorstellung, in Ansehung der Ionischen Händel etwas beengt, einzurücken versprochen hat. Um das Verhæltniß mit der Unhöflichkeit, die sich der Verfasser gegen eine Dame erlaubt, und der Zartheit des Gefühls, das [4] man ihm zutrauen kann, zu beobachten, habe ich ihn in allewege etwas hart anlassen müssen; indessen ich hoffe, er wird es mit seiner sonstigen guten Art zurecht zu legen wissen.
Von hiesigen Neuigkeiten giebt es nichts, als etwa daß Fernow hier Professor wird, der also wahrscheinlich eine Kantische Ästhetik hierherbringt, so daß ich fast dieses Umstandes wegen noch mehr bedauren könnte, Ihr Manuscript wegen der Zerstreuungen in Berlin nicht mehr benuzt zu haben, um meiner empirischen Armuth so weit aufzuhelfen, als nöthig wære, selbst diese Lehre vorzutragen.
Den Bruder von Schütz habe ich hier nur Einmal gesehen, obgleich ich ihn einlud mich öfters zu besuchen; er scheint noch viel von einem Berliner Gymnasiumsschüler an sich zu haben, u. Hufeland hat ihm gleich einen juristischen Lectionencursus vorgeschrieben, worin er sich selbst am besten bedacht hat, der ihm auch nicht viel weiter helfen wird. Einladen können wir ihn nicht, da wir noch nicht anders als auf Freunde die uns von selbst besuchen eingerichtet sind. – Dürfte ich Sie bey dieser Ge[5]legenheit ersuchen, Schüz angelegentlichst von mir zu grüßen, und ihn an sein Versprechen zu erinnern, mir von seinem neuen dramatischen Werk eine Abschrift zukommen zu lassen: versichern Sie ihn in meinem Namen, daß es nicht aus meiner Hand kommen soll.
Goethe der dieser Tage von Lauchstädt zurükkommt will den ganzen Monat August hier zubringen.
Es würde vielleicht unterhaltend seyn, von Mme Sander die Höflichkeiten zu vernehmen, die sie und ihr Gemahl hier u. in Weimar von Goethe genossen haben. Für uns war es nicht wenig lustig, es zum Theil mit anzusehen, und zu hören, wie sie bey Goethe’s Ankunft in Lauchstädt schon wieder gegenwærtig waren, ˹und er˺ ihn beym Aussteigen empfieng, von ihm aber mit der Äußerung gegen seinen Reisegefährten, daß es ein wahres Zigeunerpack sey, empfangen wurde. Natürlich, daß Sander das nicht hörte.
[6] Wir wünschen zu wissen, ob Sie denn nicht einen Bericht über die Aufführung der Brüder in Weimar in der eleg. Z. haben abdrucken lassen, es will niemand davon wissen, und gleichwohl erinnern wir uns, daß Sie einen solchen abgefaßt haben.
Sie erinnern sich vielleicht meiner Neigung zu den Quartausgaben, seit ich die von Jacob Böhm gesehen habe, ist mir die in 8. wirklich unlieb geworden, sollten Sie oder Ihre Freunde Gelegenheit haben, die Ausg[abe] in 4to jezt oder künftig für mich in Berlin zu kaufen, so würde ich dafür höchst verbunden seyn.
Ich wünsche Ihnen bestens zu leben, und empfehle mich Ihrem freundschaftlichen Andenken.
Schelling.
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[1] Jena 16ter Jul. 02.
Es ist schon längst meine Absicht gewesen, Ihnen zu schreiben, immer aber durch andre Arbeiten und Zerstreuungen verhindert ergreife ich die Gelegenheit der Übersendung des beykommenden Hefts des Krit. Journals, es zu thun. – Vielleicht wird nicht nur Interesse an der Philosophie überhaupt, sondern auch an einigen der Individualitæten, die in dem Aufsatz von Hegel, welcher es anfüllt, berührt sind, Sie bewegen, es eines genaueren Anblicks zu würdigen; Jacobis speculative Seite ist bis zu den neuesten Äußerungen die Sie kennen und bis in das offenbare Grundprincip aller, die Scheu vor der Vernichtung des Endlichen, recht gut verfolgt; nur finden Sie vielleicht zu wünschen, daß der Theil, welcher ihn betrifft, selbst gezänk- und wolkenloser wære, wie es der Verf[asser] von Jacobis Pole [2] mik zu wünschen findet, so wie ˹es˺ um die erste Idee, die vortrefflich ist, wirklich Schade scheinen könnte, daß sie nicht mit mehr Klarheit und Correktheit herausgearbeitet ist. Wegen Fichteʼs könnte Ihre Freundschaft wirklich einigermaßen in’s Gedränge kommen, jedoch, wenn Sie es nur immer damit vereinigen können, wünsche ich fast, daß Sie ihm dieses Stück nicht zeigen, da ich für meinen Theil völlig überzeugt bin, daß er nicht das Geringste ˹davon˺ versteht, und es ganz unbegreiflich findet, wie man so mit der Aufklærerei, ˹u.˺ dem Berlinismus zusammenarbeiten kann, andrerseits ist es auch zu wünschen, daß er bey der Vollendung der Wissensch[afts]lehre nicht einmal durch die historische Notiz von solchen extremen Äußerungen, (denn an das Lesen ist ohnehin nicht zu denken) in der Unbefangenheit und Naivetät der seinigen [3] gestört werde. Am Ende des Abschnitts über Jacobi finden Sie auch etwas von den Reden über die Religion, das freylich mehr einem allgemeinen darinn ausgedrückten Bestreben, wie ihnen als besonderem Werk gilt.
Die neueren Hefte meiner Zeitschr. werde ich Ihnen nebst einer andern kleinen Schrift von mir, die noch diesen Sommer erscheint, zusammen überschicken, wenn es Sie interessiren kann, sie zu erhalten.
Zufälliger Weise nachdem ich sein Daseyn längst vergessen hatte kam mir in der eleg. Zeitung der Brief, den Bericht von der W[eimar]ischen Vorstellung des Ion betreffend, zu Gesicht, und ich gestehe, daß ich nicht umhin konnte, mich einigermaßen darüber zu verwundern, so wie ich, um diesen Spaß weiter fortzusetzen, wirklich etwas darüber aufgesetzt habe, das Spazier, unerachtet ihn der Bericht von 4. Bogen über die Berlinische Vorstellung, in Ansehung der Ionischen Händel etwas beengt, einzurücken versprochen hat. Um das Verhæltniß mit der Unhöflichkeit, die sich der Verfasser gegen eine Dame erlaubt, und der Zartheit des Gefühls, das [4] man ihm zutrauen kann, zu beobachten, habe ich ihn in allewege etwas hart anlassen müssen; indessen ich hoffe, er wird es mit seiner sonstigen guten Art zurecht zu legen wissen.
Von hiesigen Neuigkeiten giebt es nichts, als etwa daß Fernow hier Professor wird, der also wahrscheinlich eine Kantische Ästhetik hierherbringt, so daß ich fast dieses Umstandes wegen noch mehr bedauren könnte, Ihr Manuscript wegen der Zerstreuungen in Berlin nicht mehr benuzt zu haben, um meiner empirischen Armuth so weit aufzuhelfen, als nöthig wære, selbst diese Lehre vorzutragen.
Den Bruder von Schütz habe ich hier nur Einmal gesehen, obgleich ich ihn einlud mich öfters zu besuchen; er scheint noch viel von einem Berliner Gymnasiumsschüler an sich zu haben, u. Hufeland hat ihm gleich einen juristischen Lectionencursus vorgeschrieben, worin er sich selbst am besten bedacht hat, der ihm auch nicht viel weiter helfen wird. Einladen können wir ihn nicht, da wir noch nicht anders als auf Freunde die uns von selbst besuchen eingerichtet sind. – Dürfte ich Sie bey dieser Ge[5]legenheit ersuchen, Schüz angelegentlichst von mir zu grüßen, und ihn an sein Versprechen zu erinnern, mir von seinem neuen dramatischen Werk eine Abschrift zukommen zu lassen: versichern Sie ihn in meinem Namen, daß es nicht aus meiner Hand kommen soll.
Goethe der dieser Tage von Lauchstädt zurükkommt will den ganzen Monat August hier zubringen.
Es würde vielleicht unterhaltend seyn, von Mme Sander die Höflichkeiten zu vernehmen, die sie und ihr Gemahl hier u. in Weimar von Goethe genossen haben. Für uns war es nicht wenig lustig, es zum Theil mit anzusehen, und zu hören, wie sie bey Goethe’s Ankunft in Lauchstädt schon wieder gegenwærtig waren, ˹und er˺ ihn beym Aussteigen empfieng, von ihm aber mit der Äußerung gegen seinen Reisegefährten, daß es ein wahres Zigeunerpack sey, empfangen wurde. Natürlich, daß Sander das nicht hörte.
[6] Wir wünschen zu wissen, ob Sie denn nicht einen Bericht über die Aufführung der Brüder in Weimar in der eleg. Z. haben abdrucken lassen, es will niemand davon wissen, und gleichwohl erinnern wir uns, daß Sie einen solchen abgefaßt haben.
Sie erinnern sich vielleicht meiner Neigung zu den Quartausgaben, seit ich die von Jacob Böhm gesehen habe, ist mir die in 8. wirklich unlieb geworden, sollten Sie oder Ihre Freunde Gelegenheit haben, die Ausg[abe] in 4to jezt oder künftig für mich in Berlin zu kaufen, so würde ich dafür höchst verbunden seyn.
Ich wünsche Ihnen bestens zu leben, und empfehle mich Ihrem freundschaftlichen Andenken.
Schelling.
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