• Louise Brachmann to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Weißenfels · Place of Destination: Unknown · Date: 28.05.1800 bis 31.05.1800
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Louise Brachmann
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Weißenfels
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 28.05.1800 bis 31.05.1800
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 109‒112.
  • Incipit: „[1] Weißenfels den 28. Mai 1800
    Sie haben Ihr Wort nicht gehalten uns auf der Rückreise noch einmal zu besuchen, und alle [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-38972
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.3,Nr.84
  • Number of Pages: 6 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,4 x 11,7 cm
    Language
  • German
[1] Weißenfels den 28. Mai 1800
Sie haben Ihr Wort nicht gehalten uns auf der Rückreise noch einmal zu besuchen, und alle das Vergnügen das wir uns von diesem zweiten Besuche versprochen hatten ist uns durch Ihre Wortbrüchigkeit verlohren gegangen; meine Freundin war unter dieser Zeit wieder hergestellt worden, und hatte sich vorgenommen das auf das zweite mal wieder einzuhohlen was sie das erste von Ihrer Gesellschaft verlohren hatte, auch mir blieb noch hunderterlei übrig was ich so gern mit Ihnen gesprochen hätte und woran ich jenen Abend, theils durch das Uibelbefinden meiner Freundin, theils durch den unerwarteten Besuch der uns nach Tische noch dazwischen kam, verhindert wurde. Vorzüglich hatte ich Ihnen noch so manches über Ihre Gedichte zu sagen, und über den individuellen Eindruck den sie auf mich gemacht haben; doch nein! zu sagen hatte ich Ihnen nichts darüber! von [2] Tönen kann man eigentlich nur in Tönen sprechen, von Liedern nur in Liedern! ich will Ihnen hier das Sonett niederschreiben das ich in der ersten Begeistrung worein mich Ihre göttlichen Sonette versezten dichtete; von jeher hatte das Sonett einen eignen Zauber für mich doch hatte ich mich nie an diese Dichtart gewagt weil ich sie für mich zu schwer hielt, doch diesmal fühlte ich mich unwillkührlich fortgerißen, die künstlichen Reihen fügten sich von selbst in einander, und das Gedicht war vollendet ehe ich mir noch des mindesten Vorsatzes dazu bewußt gewesen war; ich habe auf diese Weise wenigstens nicht mit Willen gesündigt wenn ich mich an der Poesie vergangen habe und ich überlaße es ganz Ihrem Urtheil ob ich es wagen darf mich weiter in dieser Gattung zu versuchen.

Für Töne kann man danken nur in Tönen;
Nim denn dies Lied für Deine zarten Lieder
Gern, gäb ich Dir den süßen Zauber wieder,
Könnt ich wie Du dem Himmel ihn entlehnen.

[3] Melodisch hebt im holden Maaß des Schönen
Sich bald Dein Lied auf freudigem Gefieder;
Bald irrt mann unter Blüthen auf und nieder
Und sinkt vergessend in ein süßes Sehnen.

Vor allem feßelt mich der holde Kranz
Den Du aus Deinen schönsten Blüthen windest
Den Sängern vorʼger Zeiten ihn zu weihn;

Und fühlst Du nicht daß sich in Frühlingsglanz
Die Blüthen die Du nur für andre findest
Zu einem eignen schönen Kranz Dir reihn?
________

Außer diesen Sonnetten auf Cervantes und die italiänischen Dichter gefällt mir unter den Sonetten die ich noch nicht gelesen hatte vorzüglich: Licht und Liebe. Sinbilder. Die Brüder. Ewige Jugend. und der heilige Sebastian. unter den übrigen mir noch unbekannten Gedichten, die rührende Elegie auf Ihren edlen Bruder, die ich nicht ohne die innigste Bewegung habe lesen können, und das Lied in der Stunde des Abschieds. Die Zueignung von Romeo und Julia hatte ich schon vorher gelesen sonst würde ich Ihnen dies mein Lieblingsgedicht vor allen genant haben.
Beiliegend übersende ich Ihnen die versprochnen Beiträge zum Dammenskalender; ich glaube ich habe die dazu am meisten paßen[4]den unter meinen Gedichten gewählt es befindet sich unter diesen Beiträgen auch ein Sonnet auf Sidoniens Genesung, das ich ebenfals Ihrem Urtheil überlaße. Sollten Sie das vorhergehende auch des Drucks in diesem Almanache werth finden, so werde ich mirs zur Freude machen Ihnen auch öffentlich meinen Dank zu bezeigen, ich habe es Ihnen zu diesem Behufe noch einmal aufgeschrieben.
Das Märchen von dem ich Ihnen lezthin den Plan mittheilte habe ich noch nicht vollenden können denn die Reihe des Krankseins ist unterdeßen auch an mich gekommen ich bin seit vierzehn Tagen sehr krank gewesen, und das Schreiben ist mir beinah unmöglich gewesen so bald ich es aber werde haben, so benutze ich gewiß Ihre gütige Erlaubniß und überschicke Ihnen das Manuscript.

Den 31. Mai.
Soeben erhalte ich Ihren gütigen Brief, ich bewundre die seltsame Uibereinstimmung die zwischen uns geherrscht haben muß; man könnte meinen schon vor zwei Tagen geschriebnen Brief füglich für eine Antwort auf den Ihrigen halten, und wieder umgekehrt den [5] Ihrigen für eine Antwort auf den meinigen; vorzüglich freut es mich daß Sie meine Begeistrung zu Sonetten schon geahndet haben, ich darf Ihnen nun auch ohne Furcht gestehen, daß ich außer den beiden übersandten noch einige andre verfertigt habe die ich aber heute wegen Kürze der Zeit nicht niederschreiben kann, das Nächstemal werdʼ ich sie Ihnen übersenden.
In acht oder zehn Tagen werdʼ ich wahrscheinlich eine kurtze Reise nach Dresden machen, um einige Familienangelegenheiten zu besorgen, auf diesen Fall wünschte ich freilich Entrée bei Ihrer Frau Schwester zu haben deren Bekantschaft ich schon längst aufs lebhafteste gewünscht habe, und wenn ich nicht fürchtete Ihnen alzu viel Beschwerde zu machen so bäte ich Sie gern mir vor meiner Abreise noch einige schriftliche Empfelung an sie mitzugeben, oder was ich wohl für noch beßer hielte sie unmittelbar von Jena aus von meinen Verlangen sie kennen zu lernen zu preveniren (denn ohne Vorsprache kann ich es unmöglich wagen ihre Bekantschaft zu suchen) und [6] ich zweifle nicht daß Ihre Güte die bisher allen meinen Wünschen zuvorgekommen ist auch diesen nicht unerfüllt laßen würde, aber ich fühle auch zugleich daß Sie mich eben durch diese zuvorkommende Güte schon ganz und gar verwöhnt haben.
Leben Sie wohl! ich werde oft an Sie denken wenn mein Wunsch die Gallerie zu sehen erfüllt werden sollte, Sie werden mir in Ihren Sonetten gegenwärtig sein!
Ihre
Louise Brachmann

Ich habe eben jezt mit Hardenbergen gesprochen und er hat sich von selbst erboten mir die Empfelung zu geben um die ich Sie vorher bat; wenn Sie indeßen doch gelegentlich so gütig sein wollen und meiner gedenken, so nehme ich meine Bitte keineswegs zurück. Denn daß mir Ihre Vorsprache nicht gleichgültig sein kann, können Sie wohl glauben.
[1] Weißenfels den 28. Mai 1800
Sie haben Ihr Wort nicht gehalten uns auf der Rückreise noch einmal zu besuchen, und alle das Vergnügen das wir uns von diesem zweiten Besuche versprochen hatten ist uns durch Ihre Wortbrüchigkeit verlohren gegangen; meine Freundin war unter dieser Zeit wieder hergestellt worden, und hatte sich vorgenommen das auf das zweite mal wieder einzuhohlen was sie das erste von Ihrer Gesellschaft verlohren hatte, auch mir blieb noch hunderterlei übrig was ich so gern mit Ihnen gesprochen hätte und woran ich jenen Abend, theils durch das Uibelbefinden meiner Freundin, theils durch den unerwarteten Besuch der uns nach Tische noch dazwischen kam, verhindert wurde. Vorzüglich hatte ich Ihnen noch so manches über Ihre Gedichte zu sagen, und über den individuellen Eindruck den sie auf mich gemacht haben; doch nein! zu sagen hatte ich Ihnen nichts darüber! von [2] Tönen kann man eigentlich nur in Tönen sprechen, von Liedern nur in Liedern! ich will Ihnen hier das Sonett niederschreiben das ich in der ersten Begeistrung worein mich Ihre göttlichen Sonette versezten dichtete; von jeher hatte das Sonett einen eignen Zauber für mich doch hatte ich mich nie an diese Dichtart gewagt weil ich sie für mich zu schwer hielt, doch diesmal fühlte ich mich unwillkührlich fortgerißen, die künstlichen Reihen fügten sich von selbst in einander, und das Gedicht war vollendet ehe ich mir noch des mindesten Vorsatzes dazu bewußt gewesen war; ich habe auf diese Weise wenigstens nicht mit Willen gesündigt wenn ich mich an der Poesie vergangen habe und ich überlaße es ganz Ihrem Urtheil ob ich es wagen darf mich weiter in dieser Gattung zu versuchen.

Für Töne kann man danken nur in Tönen;
Nim denn dies Lied für Deine zarten Lieder
Gern, gäb ich Dir den süßen Zauber wieder,
Könnt ich wie Du dem Himmel ihn entlehnen.

[3] Melodisch hebt im holden Maaß des Schönen
Sich bald Dein Lied auf freudigem Gefieder;
Bald irrt mann unter Blüthen auf und nieder
Und sinkt vergessend in ein süßes Sehnen.

Vor allem feßelt mich der holde Kranz
Den Du aus Deinen schönsten Blüthen windest
Den Sängern vorʼger Zeiten ihn zu weihn;

Und fühlst Du nicht daß sich in Frühlingsglanz
Die Blüthen die Du nur für andre findest
Zu einem eignen schönen Kranz Dir reihn?
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Außer diesen Sonnetten auf Cervantes und die italiänischen Dichter gefällt mir unter den Sonetten die ich noch nicht gelesen hatte vorzüglich: Licht und Liebe. Sinbilder. Die Brüder. Ewige Jugend. und der heilige Sebastian. unter den übrigen mir noch unbekannten Gedichten, die rührende Elegie auf Ihren edlen Bruder, die ich nicht ohne die innigste Bewegung habe lesen können, und das Lied in der Stunde des Abschieds. Die Zueignung von Romeo und Julia hatte ich schon vorher gelesen sonst würde ich Ihnen dies mein Lieblingsgedicht vor allen genant haben.
Beiliegend übersende ich Ihnen die versprochnen Beiträge zum Dammenskalender; ich glaube ich habe die dazu am meisten paßen[4]den unter meinen Gedichten gewählt es befindet sich unter diesen Beiträgen auch ein Sonnet auf Sidoniens Genesung, das ich ebenfals Ihrem Urtheil überlaße. Sollten Sie das vorhergehende auch des Drucks in diesem Almanache werth finden, so werde ich mirs zur Freude machen Ihnen auch öffentlich meinen Dank zu bezeigen, ich habe es Ihnen zu diesem Behufe noch einmal aufgeschrieben.
Das Märchen von dem ich Ihnen lezthin den Plan mittheilte habe ich noch nicht vollenden können denn die Reihe des Krankseins ist unterdeßen auch an mich gekommen ich bin seit vierzehn Tagen sehr krank gewesen, und das Schreiben ist mir beinah unmöglich gewesen so bald ich es aber werde haben, so benutze ich gewiß Ihre gütige Erlaubniß und überschicke Ihnen das Manuscript.

Den 31. Mai.
Soeben erhalte ich Ihren gütigen Brief, ich bewundre die seltsame Uibereinstimmung die zwischen uns geherrscht haben muß; man könnte meinen schon vor zwei Tagen geschriebnen Brief füglich für eine Antwort auf den Ihrigen halten, und wieder umgekehrt den [5] Ihrigen für eine Antwort auf den meinigen; vorzüglich freut es mich daß Sie meine Begeistrung zu Sonetten schon geahndet haben, ich darf Ihnen nun auch ohne Furcht gestehen, daß ich außer den beiden übersandten noch einige andre verfertigt habe die ich aber heute wegen Kürze der Zeit nicht niederschreiben kann, das Nächstemal werdʼ ich sie Ihnen übersenden.
In acht oder zehn Tagen werdʼ ich wahrscheinlich eine kurtze Reise nach Dresden machen, um einige Familienangelegenheiten zu besorgen, auf diesen Fall wünschte ich freilich Entrée bei Ihrer Frau Schwester zu haben deren Bekantschaft ich schon längst aufs lebhafteste gewünscht habe, und wenn ich nicht fürchtete Ihnen alzu viel Beschwerde zu machen so bäte ich Sie gern mir vor meiner Abreise noch einige schriftliche Empfelung an sie mitzugeben, oder was ich wohl für noch beßer hielte sie unmittelbar von Jena aus von meinen Verlangen sie kennen zu lernen zu preveniren (denn ohne Vorsprache kann ich es unmöglich wagen ihre Bekantschaft zu suchen) und [6] ich zweifle nicht daß Ihre Güte die bisher allen meinen Wünschen zuvorgekommen ist auch diesen nicht unerfüllt laßen würde, aber ich fühle auch zugleich daß Sie mich eben durch diese zuvorkommende Güte schon ganz und gar verwöhnt haben.
Leben Sie wohl! ich werde oft an Sie denken wenn mein Wunsch die Gallerie zu sehen erfüllt werden sollte, Sie werden mir in Ihren Sonetten gegenwärtig sein!
Ihre
Louise Brachmann

Ich habe eben jezt mit Hardenbergen gesprochen und er hat sich von selbst erboten mir die Empfelung zu geben um die ich Sie vorher bat; wenn Sie indeßen doch gelegentlich so gütig sein wollen und meiner gedenken, so nehme ich meine Bitte keineswegs zurück. Denn daß mir Ihre Vorsprache nicht gleichgültig sein kann, können Sie wohl glauben.
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