• August Wilhelm von Schlegel to Johannes Schulze

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Berlin · Date: 23.03.1827 bis 28.03.1827
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Johannes Schulze
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 23.03.1827 bis 28.03.1827
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 452‒455.
  • Incipit: „[1] Bonn d. 23sten März 1827
    Ew. Hochwohlgeboren
    habe ich tausendmal um Verzeihung zu bitten wegen der so lange verzögerten Antwort auf Ihr [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-37174
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.6,Nr.59(5)
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl. u. 1 S., hs. m. U.
  • Format: 21,1 x 12,6 cm
    Language
  • German
[1] Bonn d. 23sten März 1827
Ew. Hochwohlgeboren
habe ich tausendmal um Verzeihung zu bitten wegen der so lange verzögerten Antwort auf Ihr letztes gütiges Schreiben, dessen Datum ich nicht erwähnen will, um nicht meine Schuld in ein noch helleres Licht zu setzen. Dießmal hat jedoch meine eingewurzelte Nachläßigkeit im Briefwechsel nicht allein die Versäumniß verursacht. Auf Ihre so schmeichelhafte Einladung zur Theilnahme an den neuen Jahrbüchern der Litteratur wollte ich nicht gern verneinend antworten; und es wäre leichtsinnig gewesen, zu versprechen wovon ich voraussah, daß ich es auch bei dem besten Willen nicht leisten könnte. Sie glauben nicht, Hochgeehrtester Herr Geheimerath, welche weitläuftige Anstalten jede Recension bei mir fodert. In meinen besten Jahren habe ich meine Kräfte daran versplittert, darüber sind viele Entwürfe zu eignen Schriften unausgeführt geblieben. Deswegen hatte ich seit einer Anzahl Jahre das Recensiren ordentlich verschworen. Aber es ist wie ein Verhängniß: die Indische Bibliothek mußte, um ihrem Zwecke zu entsprechen, Recensionen enthalten. Ja ich habe mich sogar verleiten lassen, ganz [2] gegen meine Sitte in dem Pariser Asiatischen Journal auf meine alten Tage noch eine Antikritik zu geben. Vor mehr als einem Jahre lud mich der neue Herausgeber des Quarterly Review, Hr. Lockhart, sehr dringend zur Theilnahme ein. Auf das Zureden eines Freundes in England versprach ich es auch gewissermaßen, auf die vortheilhaftesten Bedingungen, und mit dem Vorbehalt, meine Aufsätze nach einem halben Jahr auf dem festen Lande wieder drucken zu dürfen. Wirklich habe ich auch angefangen eine Abhandlung in französischer Sprache zu schreiben; aber bis jetzt war es mir nicht möglich sie zu Ende zu bringen, wiewohl der Gegenstand, die orientalischen Mährchen, meine Neigung lebhaft in Anspruch nimmt, und ich hoffen darf, ein ganz neues Licht darüber zu verbreiten. Indessen habe ich darauf gesonnen, was ich etwa für die Jahrbücher liefern könnte, wobei mir frühere Studien zu Statten kämen. Dieß wäre der Fall bei der Schrift über die Provenzalen von unserm Prof. Diez. Müßig war ich nicht im vorigen Jahre: das werden Ihnen drei Hefte der Indischen Bibliothek bewiesen haben. Ich hoffe, Ew. Hochwohlgeboren haben das letzte richtig empfangen. Daneben ist der Druck vom ersten Buche des Râmâyana vollendet, nur die Lateinische Übersetzung ist noch zurück.
Doch über alles dieses mündlich, denn ich hoffe Ihnen bald in Berlin meinen Besuch zu machen. [3] Für die nächsten Ferien habe ich mir diese Reise ganz fest vorgenommen; im Herbste hielt mich mein Hausbau hier zurück, jetzt sehe ich kein Hinderniß voraus, da meine Gesundheit gegenwärtig besser ist, als sie seit Jahren gewesen. Mein vornehmster Bewegungsgrund ist der Wunsch, meinen dortigen Gönnern meine Dankbarkeit persönlich zu bezeugen, dann verspreche ich mir viel gesellschaftlichen Genuß, endlich habe ich auch Gesuche vorzutragen, nicht zwar für mich, aber für meine gelehrten Unternehmungen, und derentwegen auch für meine Schüler: wobei ich im voraus Ihre gewohnte wohlwollende Begünstigung in Anspruch nehme. Unterdessen empfehle ich mich Ihrem geneigten Andenken, und bitte Sie, die Versicherung der ausgezeichneten Verehrung zu genehmigen, womit ich die Ehre habe zu seyn
Ew. Hochwohlgeboren
gehorsamster
A. W. v. Schlegel
Mittwoch Abend
d. 28ten März
Mit einer wahren Bestürzung über meine unheilbare Saumseligkeit empfing ich heute Nachmittag Ew. Hochwohlgeboren Schreiben vom 23sten d. M. Das vorstehende wird Ihnen wenigstens beweisen, [4] daß ich auch ohne eine Mahnung darauf bedacht gewesen war, der ehrenvollen Einladung nach besten Kräften entgegen zu kommen. Der Brief ist wieder liegen geblieben. Schon viel früher hatte ich einen andern an Ew. Hochwohlgeboren angefangen, den ich aber in das Camin warf, weil er veraltet war. Ich hatte darin auch einen Hauptpunkt Ihres letzten Schreibens berührt. Ich fragte an, wer Hrn. Niebuhrs Werk dort anzeigen werde, und erklärte meinen Entschluß, nicht wieder öffentlich darüber zu sprechen. In der That, wenn ich mich selbst zum Beurtheiler angeboten hätte, so wäre die Redaction berechtigt gewesen, es abzulehnen; denn nach Hrn. Niebuhrs Äußerungen über die Beurtheiler der ersten Ausgabe, unter denen ich ja auch befindlich war, könnte ich parteiisch erscheinen. Diese Gegenstände sind mir in gewissem Grade fremd geworden: Hr. Niebuhr hat seit zwölf Jahren in der günstigsten Lage alle seine Forschungen darauf gerichtet, während ich mit ganz andern Dingen beschäftigt war. Hr. Niebuhr wünscht mich zu ignoriren: soll ich nicht seinem Beispiele folgen? Nein, es ist zu wünschen, daß ein recht gründlicher Philolog darüber komme; der mag dann auch meine Recension mit den beiden Ausgaben zusammen halten. – Aber die Vorrede, was darin gesagt und was verschwiegen ist, verdiente wohl eine eigne Rüge. Ich gestehe, so etwas belustigt mich entweder, [5] oder es empört mich, oder auch beides zugleich. Doch mündlich mehr darüber.
Bei dem Ivain sehe ich keine Schwierigkeit. Die Ausgabe wird vermuthlich von Seiten der grammatischen Genauigkeit sehr lobenswerth seyn. – Wer zeigt Hrn. Lachmanns Nibelungen an?
Ich bitte Sie, den ausgezeichneten Gelehrten, welche mit Ihnen unternommen haben, die seither fast in das Unbedeutende versunkene Kritik wieder zu heben, zu sagen, daß es mir unendlich schmeichelhaft ist, wenn sie einigen Werth auf meine Mitwirkung legen. Da ich eben im Begriffe bin, eine Reise anzutreten, und zuvor noch manche Geschäfte in Ordnung zu bringen habe, so ist es für den Augenblick nicht möglich, etwas zu liefern; aber den Sommer will ich mir es bestens angelegen seyn lassen.
Mit ausgezeichneter Verehrung
Ew. Hochwohlgeb.
gehorsamster
A. W. v. Schlegel
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[1] Bonn d. 23sten März 1827
Ew. Hochwohlgeboren
habe ich tausendmal um Verzeihung zu bitten wegen der so lange verzögerten Antwort auf Ihr letztes gütiges Schreiben, dessen Datum ich nicht erwähnen will, um nicht meine Schuld in ein noch helleres Licht zu setzen. Dießmal hat jedoch meine eingewurzelte Nachläßigkeit im Briefwechsel nicht allein die Versäumniß verursacht. Auf Ihre so schmeichelhafte Einladung zur Theilnahme an den neuen Jahrbüchern der Litteratur wollte ich nicht gern verneinend antworten; und es wäre leichtsinnig gewesen, zu versprechen wovon ich voraussah, daß ich es auch bei dem besten Willen nicht leisten könnte. Sie glauben nicht, Hochgeehrtester Herr Geheimerath, welche weitläuftige Anstalten jede Recension bei mir fodert. In meinen besten Jahren habe ich meine Kräfte daran versplittert, darüber sind viele Entwürfe zu eignen Schriften unausgeführt geblieben. Deswegen hatte ich seit einer Anzahl Jahre das Recensiren ordentlich verschworen. Aber es ist wie ein Verhängniß: die Indische Bibliothek mußte, um ihrem Zwecke zu entsprechen, Recensionen enthalten. Ja ich habe mich sogar verleiten lassen, ganz [2] gegen meine Sitte in dem Pariser Asiatischen Journal auf meine alten Tage noch eine Antikritik zu geben. Vor mehr als einem Jahre lud mich der neue Herausgeber des Quarterly Review, Hr. Lockhart, sehr dringend zur Theilnahme ein. Auf das Zureden eines Freundes in England versprach ich es auch gewissermaßen, auf die vortheilhaftesten Bedingungen, und mit dem Vorbehalt, meine Aufsätze nach einem halben Jahr auf dem festen Lande wieder drucken zu dürfen. Wirklich habe ich auch angefangen eine Abhandlung in französischer Sprache zu schreiben; aber bis jetzt war es mir nicht möglich sie zu Ende zu bringen, wiewohl der Gegenstand, die orientalischen Mährchen, meine Neigung lebhaft in Anspruch nimmt, und ich hoffen darf, ein ganz neues Licht darüber zu verbreiten. Indessen habe ich darauf gesonnen, was ich etwa für die Jahrbücher liefern könnte, wobei mir frühere Studien zu Statten kämen. Dieß wäre der Fall bei der Schrift über die Provenzalen von unserm Prof. Diez. Müßig war ich nicht im vorigen Jahre: das werden Ihnen drei Hefte der Indischen Bibliothek bewiesen haben. Ich hoffe, Ew. Hochwohlgeboren haben das letzte richtig empfangen. Daneben ist der Druck vom ersten Buche des Râmâyana vollendet, nur die Lateinische Übersetzung ist noch zurück.
Doch über alles dieses mündlich, denn ich hoffe Ihnen bald in Berlin meinen Besuch zu machen. [3] Für die nächsten Ferien habe ich mir diese Reise ganz fest vorgenommen; im Herbste hielt mich mein Hausbau hier zurück, jetzt sehe ich kein Hinderniß voraus, da meine Gesundheit gegenwärtig besser ist, als sie seit Jahren gewesen. Mein vornehmster Bewegungsgrund ist der Wunsch, meinen dortigen Gönnern meine Dankbarkeit persönlich zu bezeugen, dann verspreche ich mir viel gesellschaftlichen Genuß, endlich habe ich auch Gesuche vorzutragen, nicht zwar für mich, aber für meine gelehrten Unternehmungen, und derentwegen auch für meine Schüler: wobei ich im voraus Ihre gewohnte wohlwollende Begünstigung in Anspruch nehme. Unterdessen empfehle ich mich Ihrem geneigten Andenken, und bitte Sie, die Versicherung der ausgezeichneten Verehrung zu genehmigen, womit ich die Ehre habe zu seyn
Ew. Hochwohlgeboren
gehorsamster
A. W. v. Schlegel
Mittwoch Abend
d. 28ten März
Mit einer wahren Bestürzung über meine unheilbare Saumseligkeit empfing ich heute Nachmittag Ew. Hochwohlgeboren Schreiben vom 23sten d. M. Das vorstehende wird Ihnen wenigstens beweisen, [4] daß ich auch ohne eine Mahnung darauf bedacht gewesen war, der ehrenvollen Einladung nach besten Kräften entgegen zu kommen. Der Brief ist wieder liegen geblieben. Schon viel früher hatte ich einen andern an Ew. Hochwohlgeboren angefangen, den ich aber in das Camin warf, weil er veraltet war. Ich hatte darin auch einen Hauptpunkt Ihres letzten Schreibens berührt. Ich fragte an, wer Hrn. Niebuhrs Werk dort anzeigen werde, und erklärte meinen Entschluß, nicht wieder öffentlich darüber zu sprechen. In der That, wenn ich mich selbst zum Beurtheiler angeboten hätte, so wäre die Redaction berechtigt gewesen, es abzulehnen; denn nach Hrn. Niebuhrs Äußerungen über die Beurtheiler der ersten Ausgabe, unter denen ich ja auch befindlich war, könnte ich parteiisch erscheinen. Diese Gegenstände sind mir in gewissem Grade fremd geworden: Hr. Niebuhr hat seit zwölf Jahren in der günstigsten Lage alle seine Forschungen darauf gerichtet, während ich mit ganz andern Dingen beschäftigt war. Hr. Niebuhr wünscht mich zu ignoriren: soll ich nicht seinem Beispiele folgen? Nein, es ist zu wünschen, daß ein recht gründlicher Philolog darüber komme; der mag dann auch meine Recension mit den beiden Ausgaben zusammen halten. – Aber die Vorrede, was darin gesagt und was verschwiegen ist, verdiente wohl eine eigne Rüge. Ich gestehe, so etwas belustigt mich entweder, [5] oder es empört mich, oder auch beides zugleich. Doch mündlich mehr darüber.
Bei dem Ivain sehe ich keine Schwierigkeit. Die Ausgabe wird vermuthlich von Seiten der grammatischen Genauigkeit sehr lobenswerth seyn. – Wer zeigt Hrn. Lachmanns Nibelungen an?
Ich bitte Sie, den ausgezeichneten Gelehrten, welche mit Ihnen unternommen haben, die seither fast in das Unbedeutende versunkene Kritik wieder zu heben, zu sagen, daß es mir unendlich schmeichelhaft ist, wenn sie einigen Werth auf meine Mitwirkung legen. Da ich eben im Begriffe bin, eine Reise anzutreten, und zuvor noch manche Geschäfte in Ordnung zu bringen habe, so ist es für den Augenblick nicht möglich, etwas zu liefern; aber den Sommer will ich mir es bestens angelegen seyn lassen.
Mit ausgezeichneter Verehrung
Ew. Hochwohlgeb.
gehorsamster
A. W. v. Schlegel
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