• Friedrich Gottlieb Welcker to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Berlin · Date: 15.06.1827
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich Gottlieb Welcker
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 15.06.1827
  • Notations: Körner 1930, Bd. 2, S. 201: „Die Klammern bezeichnen ein am Briefrand ausgerissenes Stück.“ – Datum nach der Handschrift korrigiert.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 455‒457.
  • Incipit: „[1] Bonn den 18ten Jun. 1827
    Schon längst wollte ich Sie auf einen Augenblick an Bonn erinnern, mein verehrter Freund, welches Sie [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34336
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.29,Nr.11
  • Number of Pages: 3S. auf Doppelbl., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 25,3 x 20,9 cm
  • Particularities: Datum nach der Handschrift korrigiert.
    Language
  • German
[1] Bonn den 18ten Jun. 1827
Schon längst wollte ich Sie auf einen Augenblick an Bonn erinnern, mein verehrter Freund, welches Sie leicht ganz aus dem Auge verlieren könnten, über all der Kunst, der Gesellschaft und der Zerstreuung, die Ihnen Berlin darbietet, und der bedeutenden Thätigkeit dazu, in die Sie sich versetzt haben. Wie Sie unter so viel anziehender Geselligkeit Sammlung genug finden um Vorlesungen zu halten, die durch ihren beschränkten Zuschnitt, selbst Ihnen nicht ganz leicht werden können, begreife ich nicht sehr: denn mich verdirbt für wissenschaftliche Thätigkeit nichts so sehr als manigfaltige und bunte Gesellschaft, und gerade die angenehmste läßt mir am meisten eine gewisse geistige Trägheit für den folgenden Tag zurück. Ich unterdessen vermisse Sie recht sehr und habe es oft zu beklagen, daß Sie nicht hier sind. Freuen werde ich mich daher wenn wieder an Ihre baldige Rückkehr zu denken seyn wird. Hn. Lassen habe ich ein einzigesmal gesprochen, und nur flüchtige Umrisse ihrer Reisebeschreibung erhalten. Daß ich die öffentlichen Nachrichten über Ihre Vorlesungen mit großer Theilnahme verfolgt habe, können Sie denken. Es kommt noch der besondere Grund hinzu, daß ich hoffe, Sie werden wenigstens zum großen Theil niederschreiben und also auch künftig mittheilen: ein äusserer Anlaß ist oft nöthig um über zusammenhängende Gegenstände zur Äußerung zu gelangen.
Wenn Sie im Humboldtischen Hause sind so bitte ich auch meinetwegen, alles was menschlich und was wissenschaftlich aufzufassen und in einem so guten Gedächtniß als das Ihrige zu behalten ist, in dessen Tafeln wohl einzuschreiben, da Sie ausserdem ein Memorandum book schwerlich führen. An dem Neid, den ich in Bezug auf diese Familie gegen Sie empfinde, fühle ich wieder lebhaft, wie viel Antheil ich an ihr nehme, und wie unveränderlich in mir eine fest gewurzelte Anhänglichkeit besteht.
[2] Wenn Sie unsern Minister und die Räthe in Bezug auf unsere Universität sprechen, so sind Sie der Mann, der eine unbefangene Rede nicht vergeblich führen wird. Leicht kommt einmal die Rede auf die Bibliothek, und Sie könnten sich dahin aussprechen, was ja doch wohl ihre Überzeugung auch ist, daß die Wissenschaft auf einer Universität auf die Masse der Bücher doch fester als auf alle Sammlungen begründet wird, und daß unsere Bibliothek nach allem, was geschehen ist, doch in keinem Verhältniß steht zu allen übrigen Instituten. Wenn ich meins theils diese Ansicht ausspreche, so hält man mich für partheyisch: man ahndet gar nicht, daß ich mich aufopfere wenn ich in dieser Amtssache selbstisch erscheine. Denn ich gehe halb zu Grunde bey den kleinlichen Geschäften, die mir jede Vermehrung der Bibliothek zuzieht, bey der Lage, in welche ich durch die guten Leute meine Gehülfen gesetzt bin. In der That, ich habe zu viel unannehmliches in meinen Amtsverhältnissen, und von zu hartnäckiger Art, als daß ich mich jeden Tag frisch darüber erheben könnte. Doch ich weiß nicht wie ich darauf komme, die üble Laune, die mich seit einiger Zeit, Gott weiß aus welcher Quelle zuletzt, überzogen hat, Ihnen zu verrathen. Die Briefe machen mich schwatzhaft, wenn ich es sonst eben nicht bin.
Wegen Bachs muß ich Sie bitten, wenn Sie finden, daß gegen ihn ein Vorurtheil besteht, es zu berichtigen. Auf mein Gewissen können Sie es. Schon vor langer Zeit wurde hier herumgesprochen, er habe an Heinrich geschrieben, sich eingeschmeichelt, Sie und Rehfues als die genannt, die ihn verleitet hätten usw. Der Brief Bachs, welchen Passow veranlaßt hatte, war offen durch meine Hand gegangen, und enthielt nichts als einen nochmaligen Ausdruck von Dankbarkeit und Versöhnlichkeit, nichts irgend zu mißbilligende als etwa den Irrthum, daß auf solch einen Charakter solche Motive wirken könnten. Bey Personen, [3] [wo] es mir darum zu thun war, habe ich durch Vorzeigung von Bachs Briefen an mich und Erzählung der Sache ihn von der ärgsten Verläumdung, die nach der von dem entwandten Reisegeld möglich war, gereinigt, namentlich bey Niebuhr, Windischmann, Näke. Aber leicht könnte auch dieses Zischeln, verstärkt wie in einem Ohr des Dionysius bis nach Berlin gedrungen seyn, und das Exil des armen Menschen verlängern. Rehfues wird, wie ich höre, im künftigen Monath wieder hier erwartet.
Vor kurzem hat uns Eßlair hier zehn Vorstellungen gegeben, die ich nicht ermangelt habe der Reihe nach zu sehn, obgleich sie mir zu schnell hinter einander kamen.
Hier hat man sich viel Sorge gemacht über die Louisdors, die Sie in B.[erlin] einnehmen oder nicht für sich behalten würden: in B.[erlin] [würde] es Ihnen bey dem Publicum gewiß großen Schaden thun, wenn Sie [sich nicht] über das Zeitliche hinwegsetzten. – Hr. Steffens sagen sie, ist tief [...] aber wer es nicht braucht usw.
Doch zu lange schon ist mein Brief für Ihre Zeit. Kommen Sie nur recht bald wieder – ich warte darauf sehr, und werde mich freuen Sie wohlbehalten, rüstig, heiter, und voll neuer Plane und Beziehungen wieder hier zu sehen.
Mit aufrichtiger Ergebenheit
der Ihrige
F. G. Welcker
Die Einlage, die nicht eilt, bitte ich gütigst zu entschuldigen.
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[1] Bonn den 18ten Jun. 1827
Schon längst wollte ich Sie auf einen Augenblick an Bonn erinnern, mein verehrter Freund, welches Sie leicht ganz aus dem Auge verlieren könnten, über all der Kunst, der Gesellschaft und der Zerstreuung, die Ihnen Berlin darbietet, und der bedeutenden Thätigkeit dazu, in die Sie sich versetzt haben. Wie Sie unter so viel anziehender Geselligkeit Sammlung genug finden um Vorlesungen zu halten, die durch ihren beschränkten Zuschnitt, selbst Ihnen nicht ganz leicht werden können, begreife ich nicht sehr: denn mich verdirbt für wissenschaftliche Thätigkeit nichts so sehr als manigfaltige und bunte Gesellschaft, und gerade die angenehmste läßt mir am meisten eine gewisse geistige Trägheit für den folgenden Tag zurück. Ich unterdessen vermisse Sie recht sehr und habe es oft zu beklagen, daß Sie nicht hier sind. Freuen werde ich mich daher wenn wieder an Ihre baldige Rückkehr zu denken seyn wird. Hn. Lassen habe ich ein einzigesmal gesprochen, und nur flüchtige Umrisse ihrer Reisebeschreibung erhalten. Daß ich die öffentlichen Nachrichten über Ihre Vorlesungen mit großer Theilnahme verfolgt habe, können Sie denken. Es kommt noch der besondere Grund hinzu, daß ich hoffe, Sie werden wenigstens zum großen Theil niederschreiben und also auch künftig mittheilen: ein äusserer Anlaß ist oft nöthig um über zusammenhängende Gegenstände zur Äußerung zu gelangen.
Wenn Sie im Humboldtischen Hause sind so bitte ich auch meinetwegen, alles was menschlich und was wissenschaftlich aufzufassen und in einem so guten Gedächtniß als das Ihrige zu behalten ist, in dessen Tafeln wohl einzuschreiben, da Sie ausserdem ein Memorandum book schwerlich führen. An dem Neid, den ich in Bezug auf diese Familie gegen Sie empfinde, fühle ich wieder lebhaft, wie viel Antheil ich an ihr nehme, und wie unveränderlich in mir eine fest gewurzelte Anhänglichkeit besteht.
[2] Wenn Sie unsern Minister und die Räthe in Bezug auf unsere Universität sprechen, so sind Sie der Mann, der eine unbefangene Rede nicht vergeblich führen wird. Leicht kommt einmal die Rede auf die Bibliothek, und Sie könnten sich dahin aussprechen, was ja doch wohl ihre Überzeugung auch ist, daß die Wissenschaft auf einer Universität auf die Masse der Bücher doch fester als auf alle Sammlungen begründet wird, und daß unsere Bibliothek nach allem, was geschehen ist, doch in keinem Verhältniß steht zu allen übrigen Instituten. Wenn ich meins theils diese Ansicht ausspreche, so hält man mich für partheyisch: man ahndet gar nicht, daß ich mich aufopfere wenn ich in dieser Amtssache selbstisch erscheine. Denn ich gehe halb zu Grunde bey den kleinlichen Geschäften, die mir jede Vermehrung der Bibliothek zuzieht, bey der Lage, in welche ich durch die guten Leute meine Gehülfen gesetzt bin. In der That, ich habe zu viel unannehmliches in meinen Amtsverhältnissen, und von zu hartnäckiger Art, als daß ich mich jeden Tag frisch darüber erheben könnte. Doch ich weiß nicht wie ich darauf komme, die üble Laune, die mich seit einiger Zeit, Gott weiß aus welcher Quelle zuletzt, überzogen hat, Ihnen zu verrathen. Die Briefe machen mich schwatzhaft, wenn ich es sonst eben nicht bin.
Wegen Bachs muß ich Sie bitten, wenn Sie finden, daß gegen ihn ein Vorurtheil besteht, es zu berichtigen. Auf mein Gewissen können Sie es. Schon vor langer Zeit wurde hier herumgesprochen, er habe an Heinrich geschrieben, sich eingeschmeichelt, Sie und Rehfues als die genannt, die ihn verleitet hätten usw. Der Brief Bachs, welchen Passow veranlaßt hatte, war offen durch meine Hand gegangen, und enthielt nichts als einen nochmaligen Ausdruck von Dankbarkeit und Versöhnlichkeit, nichts irgend zu mißbilligende als etwa den Irrthum, daß auf solch einen Charakter solche Motive wirken könnten. Bey Personen, [3] [wo] es mir darum zu thun war, habe ich durch Vorzeigung von Bachs Briefen an mich und Erzählung der Sache ihn von der ärgsten Verläumdung, die nach der von dem entwandten Reisegeld möglich war, gereinigt, namentlich bey Niebuhr, Windischmann, Näke. Aber leicht könnte auch dieses Zischeln, verstärkt wie in einem Ohr des Dionysius bis nach Berlin gedrungen seyn, und das Exil des armen Menschen verlängern. Rehfues wird, wie ich höre, im künftigen Monath wieder hier erwartet.
Vor kurzem hat uns Eßlair hier zehn Vorstellungen gegeben, die ich nicht ermangelt habe der Reihe nach zu sehn, obgleich sie mir zu schnell hinter einander kamen.
Hier hat man sich viel Sorge gemacht über die Louisdors, die Sie in B.[erlin] einnehmen oder nicht für sich behalten würden: in B.[erlin] [würde] es Ihnen bey dem Publicum gewiß großen Schaden thun, wenn Sie [sich nicht] über das Zeitliche hinwegsetzten. – Hr. Steffens sagen sie, ist tief [...] aber wer es nicht braucht usw.
Doch zu lange schon ist mein Brief für Ihre Zeit. Kommen Sie nur recht bald wieder – ich warte darauf sehr, und werde mich freuen Sie wohlbehalten, rüstig, heiter, und voll neuer Plane und Beziehungen wieder hier zu sehen.
Mit aufrichtiger Ergebenheit
der Ihrige
F. G. Welcker
Die Einlage, die nicht eilt, bitte ich gütigst zu entschuldigen.
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