Bonn d. 5ten Sept. [18]27
Lange versäumte Familienbesuche haben meine Zurückkunft bis zur Mitte des vorigen Monats verzögert, nach einer viermonatlichen Abwesenheit fand ich wie natürlich mancherlei Geschäfte und Besorgungen vor. Ich hoffe daher auf gütige Nachsicht, da ich [jetzt] erst dazu komme an Sie, mein hochverehrter Freund, zu schreiben, und Ihnen meinen wärmsten Dank für alle mir in Berlin erwiesene Freundschaft zu erneuern.
Ich habe bereits, in Bezug auf Ihre Auffoderung, Niebuhrs Römische Geschichte mit großer Aufmerksamkeit ganz durchgelesen: eine wahrlich sehr unerfreuliche Arbeit. Der Zuwachs an Gelehrsamkeit und Citaten ist anzuerkennen, vielleicht auch die etwas weniger verworrene und schwerfällige Schreibart. Sonst aber muß ich der ersten Ausgabe den Vorzug ertheilen. Ich glaube in der That, durch meinen Beifall habe ich Hrn. N.[iebuhr] einige seiner früheren Ansichten verleidet: namentlich die Stiftung Roms als einer Tuskischen Colonie im Latium. Er giebt sie jetzt gänzlich auf, wiewohl er die Stärke der Gründe eingesteht. Ich glaube, das wünschenswertheste wäre, wenn Prof. Otfr. Müller in Göttingen die Recension übernähme. Er arbeitet zwar gewöhnlich für die [2] Göttingischen Anzeigen: aber dort hat er schwerlich Raum zu einer erschöpfenden Beurtheilung, und möchte sich also wohl dazu entschließen. Die Gegenstände müssen ihm geläufig seyn: mit den Pelasgern hat er sich schon viel herumgeschlagen, und neuerdings eine Preisschrift über die Etrusker geliefert. Ich würde schwerlich den Schein der Unparteilichkeit bewahren; es kommt so ungeschickt heraus, sich zu wiederholen, sich auf sich selbst zu berufen, und dieß ließe sich doch nicht vermeiden. Zudem liegt mir der Spott so nahe, daß er sich wie eine Zuthat in der Dinte einmischen würde. Wenn also Böckh durchaus nicht will, so scheint mir obiger Vorschlag der zweckmäßigste.
Zum erstenmal kann man wohl gelehrte und scharfsinnige Irrthümer zurechtweisen; aber, wenn es gar nichts fruchtet, Zeit und Kräfte daran zu verschwenden, wäre eine zu weit getriebene Gutmüthigkeit: zumal, wenn man selbst etwas aufstellen kann. Ich unternehme es, eine Prüfung der älteren Römischen Geschichte zu schreiben, welche die Weltleute zur Unterhaltung lesen sollen. Dagegen behaupte ich, daß auch der geduldigste Gelehrte dieses dicke Buch nicht ohne Pein zu Ende lesen kann. Ich habe hundertmal ausgerufen: Passons au déluge, avocat!
[3] Von obigem bitte ich Sie nichts als meinen Vorschlag, Hrn. Otfried Müller betreffend, dem Comité der J[ahr] B[ücher] mitzutheilen – Hrn. Hegel ausgenommen. Beiliegender Scherz in Reimen, und zwar in Rime sdrucciole, ist aber für Sie ganz allein bestimmt, und ich rechne darauf, daß Sie das Blättchen gleich nach der Lesung verbrennen.
Das sonst übernommene, Hrn. von Varnhagens Biographien der Dichter, Lachmanns Nibelungen, werde ich möglichst bald fördern. Ich erwarte täglich ein schon vor geraumer Zeit von Berlin abgesandtes Packet, worin die Bücher enthalten sind. Übrigens habe ich alle Hände voll zu thun. Ich bin wieder am Râmâyańa, und war diese Tage mit der Durchsicht, Auswahl und Anordnung meiner kritischen Schriften beschäftigt.
Sie haben vielleicht gesehen, daß Heinrich und N.[iebuhr] einander über Byzantii und Byzantini in die Haare gerathen. So etwas kann tödliche Feindschaften verursachen, wie jenes von einem Leipziger Magister gerügte vel für an.
Sagen Sie denen, die sich in Berlin wohlwollend meiner erinnern, viel Schönes von [4] meinetwegen, und empfangen Sie, mein hochverehrter Freund und Gönner, die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung, und meiner dankbarsten Anhänglichkeit.
A. W. v. Schlegel
[5] [Neutranskription:]
Ich achte sehr die Curien,
Die Tribus, die Centurien,
Auspicien, Augurien
Wahrsager aus Etrurien,
Und nächtliche Lemurien.
Doch schwörʼ ich bei Veturien,
Ich wollte, daß die Furien
Verschlängen die Centurien,
Samt allen dreißig Curien
Und tausend Sammelsurien,
Von Zankle bis Ligurien,
Im neuesten Niebuhrien!
[6] [leer]