• Charlotte Ernst to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Dresden · Place of Destination: Genf · Date: 14. Dezember [1808]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Charlotte Ernst
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Dresden
  • Place of Destination: Genf
  • Date: 14. Dezember [1808]
  • Notations: Datum (Jahr) sowie Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 657‒661.
  • Incipit: „[1] [Dresden] den 14ten Dec. [1808]
    Mein bester Wilhelm
    Dein Brief würde mich sehr erschreckt haben, wenn ich nicht hoffte Du würdest jetzt [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-5
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,18,8
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,4 x 12,7 cm
    Language
  • German
  • French
[1] [Dresden] den 14ten Dec. [1808]
Mein bester Wilhelm
Dein Brief würde mich sehr erschreckt haben, wenn ich nicht hoffte Du würdest jetzt schon vielleicht anders darüber denken, wie gesagt liebster Wilhelm nur ein Stündchen vertraulichen Gesprächs mit Dir und die Decke würde Dir von Deinen Augen fallen. Ich kann Dir nicht alles so schreiben aber glaube mir daß es noch mehr Ursachen waren die es nothwendig machten. Glaube einmal Deiner Schwester die doch noch nicht so viel unvorsichtige Schritte vorgenommen hat. – Dann liebster bester Freund täuschst Du Dich ganz darinnen, daß Du glaubst man hat Dir was verheimlicht. Friedrich sein Wunsch ist es wahrscheinlich nicht gewesen. Der Schwiegerinn ihre Seele hat ganz offen vor mir gelegen sie hat eine resignation für sich selbst bey allem was Friedrich betrifft die zu bewundern ist, und nur Friedrichs innres Wohl hat sie bewogen zu ihm zu gehen, das jugendliche Blut kannst Du denken hat nun geschwiegen, und nur eine innige Liebe zu ihm war ihr Bewegungsgrund, sie opferte auch nicht wenig auf, sie lebte angenehm, wir ganz als Freundinnen, genoß ihrer Kinder Liebe und Achtung von außen her, setzte sich einer beschwerlichen Reise aus, sie hat sich auch dort herrlich betragen, bitte es dieser guten Frau, in Deinem Herzen ab, daß Du sie so angeklagt, ich erkenne sie jetzt über mir, dieser alles verzeihenden, schonenden, duldenden Liebe, glaube ich mich kaum fähig, und nun habe ich mir auch fest vorgenommen ihre etwanigen Schwachheiten ganz mit Schonung zu übergehen, [2] wer so viel ächtes schönes in seiner Seele hat dem muß man kleine Schwachheiten verzeihen. Es war eine üble Stimmung in der ich Dir meinen letzten Brief schrieb, ich war nur verdrießlich daß sie so viel Aufhebens machten von ein bischen vorübergehender Unbequemlichkeit, aber dieß habe ich auch unrecht verstanden, es war eine tiefere Empfindung die nur darauf zurückprallte. So misversteht man sich durch Briefe, es sind nur Worte die man noch dazu behutsam schreibt und der eigentliche Blick in die Seele fehlt. – Liebster Wilhelm ich weiß gewiß wenn Du jetzt beider Seelen innerliche Lage genau durchschaut hättest, Du hättest es nicht ertragen können daß Du sie gekränkt. – Du weißt gar nicht welchen wichtigen Einfluß Du auf Friedrichen hast – Kränkungen von Dir können ihn in einem Unmuth und Traurigkeit versetzen, die ihn auf lange Zeit zu aller Arbeit unfähig machen. Mit Gewalt kann bey Friedrich nichts hervorgebracht werden, er verfällt dadurch immer mehr in jener dumpfen äußern Unthätigkeit. Sein Gemüth bedarf nothwendig vieler Liebe und Milde in der Behandlung, und herrliche Blüthen werden denn gewiß hervorkeimen. Müssen wir nicht beide, trotz Friedrichs vieler Schwachheiten uns dessen erfreuen und stolz darauf seyn, daß er unser Freund und Bruder ist? – Ich weiß wohl was Deine schöne Seele kränkt, daß Du ihn nicht so glücklich machen kannst, als Du möchtest, daß Deine großen efforts die Du anwendest immer wieder an seine Fehler scheitern, und sie zum Theil zernichten, daß kann einem auch ungeduldig machen, mir geht es auch so, man begreift es gar nicht, daß man ihnen die Lebensklugheit, und Vorsicht, und Zurückhaltung mit Gewalt nicht beybringen kann, – es scheint doch nun [3] aber einmal so zu seyn, daß man in einem andern seinem Wesen das durchaus nicht hineinbringen kann, was uns ganz geläufig scheint, wenn sie auch den besten Willen haben, und hier tritt der Fall ein, daß man mit der größten Geduld den Freund tragen muß, liebster Wilhelm beweiß auch noch diese Tugend gegen Friedrich, und Du kannst als das vollkommenste Muster eines Freundes gerechnet werden. – Was Du darüber sagst, was nichtwohlwollende Menschen über Friedrichs und Dorotheas Verbindung sagen können ist alles wahr, leider fühle ich das nur zu sehr, nur mit Deiner Folge die Du daraus ziehest bin ich nicht einerley Meynung. Je mehr sie die öffentliche Meynung aufgeopfert je fester muß nun dieses Band seyn, und je exemplarischer müßen sie als Eheleute vor der Welt leben, dieses allein kann Friedrichs Charakter wieder fest setzen. Glaube auch nicht daß irgend jemand in Wien der sich für Friedrichen interressirt diese Geschichte nicht wiße, besonders da die Schwester von ihr dort bekannt ist. Für diese Menschen alle steigt Friedrich gewiß sehr an Werth, da sie es sehen, daß es nicht blosser Leichtsinn war, die diese zwey Menschen zu diese Schritte verleiteten, sondern daß sie wohl wußten was sie thaten. – Dann irrst Du auch sehr, wenn Du glaubst daß ihr persönliches erscheinen einen ungünstigen Eindruck macht, hier ist durchaus das Gegentheil gewesen, und es haben mir viele gesagt nun wir die Frau kennen, nun können wir es Ihrem Bruder nicht verdenken. – Daß sie älter und nicht hübsch ist, das macht vielmehr einen gün[4]stigen Eindruck für Friedrich seine Solidität, dabey ist sie verständig, hat Anstand und Lebensart, sehr angenehm in ihrer Unterhaltung und etwas was sich schnell Liebe und Zutrauen erwirbt, ich glaube sogar daß Sie in Wien in ihrem rechten terrain ist, und daß sie sich recht viel Liebe erwerben wird. Das Lebensfrohe und das Heitre daß sie hat ist dort an seinem rechten Platze. Sie hat sich überhaupt sehr zu ihrem Vortheile verändert. Sie hat sich schon unter andern die Liebe einer vornehmen Fräulein erworben, die ihr ein artiges Geschenk mit einem schönen seidnen Kleide gemacht, und da ihre Verwandten von der Theater Direction sind, meinem Bruder und ihr beständige Frey Billets auf die zwey besten Theater verschaft, das zeigt doch Artigkeit. – Du sollst sehen es gehet äußerlich noch alles gut, und fürs innerliche bin ich schon genug befriedigt, und dieß geht mir über alles. – Wenn ich meinen Freunden Rath ertheilen soll, so ist meine unumstößliche Maxime nur nach dem moralischen Recht zu gehn, inrer Zwiespalt im Gemüthe ist das einzige was ich fürchte, und alles äußre hat dagegen wenig werth, und dieß waren auch jetzt meine Triebfedern. – Die Kosten ihres dort seyns sind auch nicht so ganz unerschwinglich, 5 Th. kostet das Quartier mehr, Friedrich konnte ohnedieß nicht im Ernste bleiben, denn da er fast ohne Aufwartung da war und um 8 Uhr noch nicht eingeheitzt, war das ja gar keine Sache für einen Mann der Arbeiten soll, jetzt hat er eine warme Stube früh um 6 Uhr, die Frau besorgt ihm [5] in der Frühe sein Frühstück, ein nicht zu berechnender Gewinn für seine Arbeiten, jetzt da durch die Begebenheiten der Zeit alle Verhältniße so umgestürzt sind, ist man das so gewohnt, daß Familien als Fremde ganz ohne Bequemlichkeit leben, daß man wirklich keine Rücksicht darauf nimmt, Friedrich hat durchaus etwas vornehmes an sich, die Frau verräth daß sie in guter Gesellschaft gelebt, daß ist das eigentliche was sie geltend macht, dazu geht Friedrich sehr gut gekleidet, wie sie innerlich leben, darum bekümmert sich gewiß keiner und das macht keinen Eindruck, und Friedrich als Gelehrten kann es gar nicht schaden. Der Tisch ist das einzige was kosten macht weil sie sich auswärts speisen müssen, es macht den Tag 12 Groschen für sie, bis Ostern wäre das ja allenfals auch noch zu ersetzen, und von da an konnte man ihn nun nicht länger die Frau abnehmen. Die übrigen Depensen werden ziemlich einerley seyn. Wirklich liebster Wilhelm Du hast Dir die Schwierigkeiten vergrößert, und viel rechtlicher tritt mein Bruder als ein verheyratheter Mann auf, da er seine Frau bey sich hat, glaube mir es giebt der Neugierde zuviel zu thun, wenn so etwas räthzelhaftes in den Verhältnissen ist, ich sehe es an der Art wie man Tieks Reise nach München und Wien betrachtet. Friedrichs Aufenthalt in Wien ist ja auch nicht mehr als Reise zu betrachten, er hat ja keine Heymath mehr und wenn auch aus der Vorlesung nichts werden sollte, welches ich aber nicht fürchte, so finde ich doch keine beßre Heymath für ihn als das Oesterreichische. Du mußt auch nicht glauben, daß es hier wohlfeiler ist als in Wien. Das mein Bruder bey dem Prinzen Johann vorgestellt ist wirst Du schon wißen, letzterer ist ausgezeichnet gnädig und zuvorkom[6]mend gegen ihn gewesen. Jetzt wenn Du diesen Brief bekömst mußt Du es schon wißen ob die Vorlesung zu Stande komt, sollt es ja unglücklicher Weise nicht seyn, so sey Du der liebevolle und tröstende Freund, sie bedürfen es alsdenn gewiß, sie müßen sich alsdenn ermannen und in Thätigkeit setzen, sie sind ja beide in ihren besten Kräften. Schreibe mir ja bald wieder, denn ich bin unruhig über Deine Gesinnungen, hätte ich doch die nöthige Beredsamkeit gehabt Dich zu überzeugen! die scheint mir aber grade heute zu fehlen es drängt sich zu viel in einem Briefe was ich zu sagen hätte, man sollte sich sprechen können. Noch eins möchte ich Dir über Friedrichs Verhältniß mit seiner Frau sagen, eine Ehe wo die Frau soviel älter ist, wo keine Kinder sind muß viel schonender von außen her behandelt werden weil das Band lockerer ist. Friedrich empfindet gewiß nichts mehr für seine Frau als die innigste Freundschaft, Dankbarkeit und Rückerinnerung der ehemaligen Leidenschaft, dieß sind freylich die schönsten Bänder, aber nimm dagegen daß es Friedrich gewiß beschwerlich ist, da er sich so ungern einschränkt, daß er nun für zwey Menschen sorgen und arbeiten soll, daß er es gewiß bey seinem Hange zur Sinnlichkeit oft fühlt daß seine Frau alt ist, sollen wir nun nicht befürchten daß es ihm almählich behaglicher wird als garçon zu leben, denke wenn dieses Band endlich selbst einmal darunter leiden sollte? wenn wir durch unsern zu dringenden Rath dazu Anlaß gegeben hätten, wie würden wir uns selbst nicht Vorwürfe machen, und wie [7] würden wir ihr das Glück ersetzen können, um das sie gebracht wäre. Das schlimmste will ich aber noch gar nicht nehmen, daß bleibt doch aber gewiß sie entwöhnten sich beide immer mehr von den Ungemächlichkeiten mit welchen ihr beysammen seyn nothwendig verknüpft seyn muß, und es würde mit jedem Monath erschwert sie wieder zusammen zu bringen. – Daß Dir es Aufopferungen gekostet so viel für sie zu thun habe ich ihnen nicht verhalten, ich habe es ihnen gesagt, daß Du Dir deswegen kein Pferd gehalten, es scheint sie zu schmerzen aber es hilft nichts, sie müssen es wißen daß ihnen ihre Freunde kein Geld geben können, ohne dasselbe dafür zu entbehren, was sie sich nicht zu versagen im Stande sind. – Es ist mir sehr lieb daß die Aerzte Friedrichen die hitzigen Getränke untersagt, wenn er es nur hält, es ist leider kostspillich und macht ihn träge zur Arbeit; ich habe es gleich hier gesagt Friedrich muß frugal essen, wenig Wein trinken, viel spatzieren laufen, freylich alles Dinge die ihm nicht recht gefallen. –
Alles übrige was Du mir von Dir selbst schreibst macht mir innige Freude. Daß Du diesen Sommer so fleißig warst wie schön! wie freue ich mich auf Deine Vorlesungen deren Andenken noch immer in Wien fortlebt! über Deinen Schakespear! die jetzt heraus gekommnen [Gedichte] weiß ich beynahe auswendig. – Daß nur eine schöne ähnliche Büste von Dir da ist! Auch selbst daß freut mich daß Du an Werner Gefallen gefunden, ich kann es nun einmal nicht läugnen die Söhne des Thales hat mich interressirt. Ich habe zwar nachgegeben, und geglaubt daß mein Geschmack der unrichtige seyn müße, weil sich alles vereint hat ihn zu tadeln, namentlich Müller bey seinen Vorlesungen, Riquet, ich dächte auch Friedrich, doch weiß ich dieß nicht gewiß, daß es mir eine wahre Freude ist daß Du ihn nicht ganz verwirfst. Er hat [8] für mich so etwas lebendiges, Seelen aufrührendes, und sein unverständlich Mystisches wird mir nicht peinlich. Dein letztes Stückchen Brief daß Ernsten betrift habe ich abgeschnitten und nach Warschau geschikt es wird meinem Manne viel Vergnügen machen. Besonders konnte ich ihm die Freude nicht vorenthalten, mit der Frau v. Stael ihrer eignen Hand, die Worte mon loyal epoux von ihr zu sehen. Er ist dieses aber auch in dem aller vollsten Sinne. – Sage dieser vortreflichen Dame wie sehr ich den Werth empfinde, ihren Beyfall zu verdienen, es würde mich glücklich machen sie wieder zu sehen. ich sagte ihr dieses so gern selbst, aber ich fürchte mich vor solch einer vollkommnen Feder mit meinem ungeübten Französisch aufzutreten. Nun schreibe mir bald bester Wilhelm, und beruhige mich darüber, daß mein erster Brief nicht etwan Oehl ins Feuer gegoßen. Aber es gieng mir wie Dir, man möchte mannigmal vor Ungeduld drein springen daß sie sich nicht so helfen lassen wollen, wie man wünschte. Laß mich immer hören daß Du glücklich bist, Deine schöne Seele verdient es und sie führt den Schatz mit sich, der ihr dieses geben kann, daß Glück das von innen heraus komt, ist ja das einzige rechte, es strömt von da über auf die äußern Gegenstände, laß es Dir durch nichts trüben, diese schöne Quelle, denke an dem Tage wo Du bey mir zu brachtest, den einzigen Tag den ich seit so langer Zeit vertraulich mit Dir verlebte. – Auf der Frau v. Stael ihr Werk freue ich mich schon im voraus; wie vereint doch diese Dame, so viel Zerstreuung und so viel Thätigkeit!
Charlotte Ernst
[1] [Dresden] den 14ten Dec. [1808]
Mein bester Wilhelm
Dein Brief würde mich sehr erschreckt haben, wenn ich nicht hoffte Du würdest jetzt schon vielleicht anders darüber denken, wie gesagt liebster Wilhelm nur ein Stündchen vertraulichen Gesprächs mit Dir und die Decke würde Dir von Deinen Augen fallen. Ich kann Dir nicht alles so schreiben aber glaube mir daß es noch mehr Ursachen waren die es nothwendig machten. Glaube einmal Deiner Schwester die doch noch nicht so viel unvorsichtige Schritte vorgenommen hat. – Dann liebster bester Freund täuschst Du Dich ganz darinnen, daß Du glaubst man hat Dir was verheimlicht. Friedrich sein Wunsch ist es wahrscheinlich nicht gewesen. Der Schwiegerinn ihre Seele hat ganz offen vor mir gelegen sie hat eine resignation für sich selbst bey allem was Friedrich betrifft die zu bewundern ist, und nur Friedrichs innres Wohl hat sie bewogen zu ihm zu gehen, das jugendliche Blut kannst Du denken hat nun geschwiegen, und nur eine innige Liebe zu ihm war ihr Bewegungsgrund, sie opferte auch nicht wenig auf, sie lebte angenehm, wir ganz als Freundinnen, genoß ihrer Kinder Liebe und Achtung von außen her, setzte sich einer beschwerlichen Reise aus, sie hat sich auch dort herrlich betragen, bitte es dieser guten Frau, in Deinem Herzen ab, daß Du sie so angeklagt, ich erkenne sie jetzt über mir, dieser alles verzeihenden, schonenden, duldenden Liebe, glaube ich mich kaum fähig, und nun habe ich mir auch fest vorgenommen ihre etwanigen Schwachheiten ganz mit Schonung zu übergehen, [2] wer so viel ächtes schönes in seiner Seele hat dem muß man kleine Schwachheiten verzeihen. Es war eine üble Stimmung in der ich Dir meinen letzten Brief schrieb, ich war nur verdrießlich daß sie so viel Aufhebens machten von ein bischen vorübergehender Unbequemlichkeit, aber dieß habe ich auch unrecht verstanden, es war eine tiefere Empfindung die nur darauf zurückprallte. So misversteht man sich durch Briefe, es sind nur Worte die man noch dazu behutsam schreibt und der eigentliche Blick in die Seele fehlt. – Liebster Wilhelm ich weiß gewiß wenn Du jetzt beider Seelen innerliche Lage genau durchschaut hättest, Du hättest es nicht ertragen können daß Du sie gekränkt. – Du weißt gar nicht welchen wichtigen Einfluß Du auf Friedrichen hast – Kränkungen von Dir können ihn in einem Unmuth und Traurigkeit versetzen, die ihn auf lange Zeit zu aller Arbeit unfähig machen. Mit Gewalt kann bey Friedrich nichts hervorgebracht werden, er verfällt dadurch immer mehr in jener dumpfen äußern Unthätigkeit. Sein Gemüth bedarf nothwendig vieler Liebe und Milde in der Behandlung, und herrliche Blüthen werden denn gewiß hervorkeimen. Müssen wir nicht beide, trotz Friedrichs vieler Schwachheiten uns dessen erfreuen und stolz darauf seyn, daß er unser Freund und Bruder ist? – Ich weiß wohl was Deine schöne Seele kränkt, daß Du ihn nicht so glücklich machen kannst, als Du möchtest, daß Deine großen efforts die Du anwendest immer wieder an seine Fehler scheitern, und sie zum Theil zernichten, daß kann einem auch ungeduldig machen, mir geht es auch so, man begreift es gar nicht, daß man ihnen die Lebensklugheit, und Vorsicht, und Zurückhaltung mit Gewalt nicht beybringen kann, – es scheint doch nun [3] aber einmal so zu seyn, daß man in einem andern seinem Wesen das durchaus nicht hineinbringen kann, was uns ganz geläufig scheint, wenn sie auch den besten Willen haben, und hier tritt der Fall ein, daß man mit der größten Geduld den Freund tragen muß, liebster Wilhelm beweiß auch noch diese Tugend gegen Friedrich, und Du kannst als das vollkommenste Muster eines Freundes gerechnet werden. – Was Du darüber sagst, was nichtwohlwollende Menschen über Friedrichs und Dorotheas Verbindung sagen können ist alles wahr, leider fühle ich das nur zu sehr, nur mit Deiner Folge die Du daraus ziehest bin ich nicht einerley Meynung. Je mehr sie die öffentliche Meynung aufgeopfert je fester muß nun dieses Band seyn, und je exemplarischer müßen sie als Eheleute vor der Welt leben, dieses allein kann Friedrichs Charakter wieder fest setzen. Glaube auch nicht daß irgend jemand in Wien der sich für Friedrichen interressirt diese Geschichte nicht wiße, besonders da die Schwester von ihr dort bekannt ist. Für diese Menschen alle steigt Friedrich gewiß sehr an Werth, da sie es sehen, daß es nicht blosser Leichtsinn war, die diese zwey Menschen zu diese Schritte verleiteten, sondern daß sie wohl wußten was sie thaten. – Dann irrst Du auch sehr, wenn Du glaubst daß ihr persönliches erscheinen einen ungünstigen Eindruck macht, hier ist durchaus das Gegentheil gewesen, und es haben mir viele gesagt nun wir die Frau kennen, nun können wir es Ihrem Bruder nicht verdenken. – Daß sie älter und nicht hübsch ist, das macht vielmehr einen gün[4]stigen Eindruck für Friedrich seine Solidität, dabey ist sie verständig, hat Anstand und Lebensart, sehr angenehm in ihrer Unterhaltung und etwas was sich schnell Liebe und Zutrauen erwirbt, ich glaube sogar daß Sie in Wien in ihrem rechten terrain ist, und daß sie sich recht viel Liebe erwerben wird. Das Lebensfrohe und das Heitre daß sie hat ist dort an seinem rechten Platze. Sie hat sich überhaupt sehr zu ihrem Vortheile verändert. Sie hat sich schon unter andern die Liebe einer vornehmen Fräulein erworben, die ihr ein artiges Geschenk mit einem schönen seidnen Kleide gemacht, und da ihre Verwandten von der Theater Direction sind, meinem Bruder und ihr beständige Frey Billets auf die zwey besten Theater verschaft, das zeigt doch Artigkeit. – Du sollst sehen es gehet äußerlich noch alles gut, und fürs innerliche bin ich schon genug befriedigt, und dieß geht mir über alles. – Wenn ich meinen Freunden Rath ertheilen soll, so ist meine unumstößliche Maxime nur nach dem moralischen Recht zu gehn, inrer Zwiespalt im Gemüthe ist das einzige was ich fürchte, und alles äußre hat dagegen wenig werth, und dieß waren auch jetzt meine Triebfedern. – Die Kosten ihres dort seyns sind auch nicht so ganz unerschwinglich, 5 Th. kostet das Quartier mehr, Friedrich konnte ohnedieß nicht im Ernste bleiben, denn da er fast ohne Aufwartung da war und um 8 Uhr noch nicht eingeheitzt, war das ja gar keine Sache für einen Mann der Arbeiten soll, jetzt hat er eine warme Stube früh um 6 Uhr, die Frau besorgt ihm [5] in der Frühe sein Frühstück, ein nicht zu berechnender Gewinn für seine Arbeiten, jetzt da durch die Begebenheiten der Zeit alle Verhältniße so umgestürzt sind, ist man das so gewohnt, daß Familien als Fremde ganz ohne Bequemlichkeit leben, daß man wirklich keine Rücksicht darauf nimmt, Friedrich hat durchaus etwas vornehmes an sich, die Frau verräth daß sie in guter Gesellschaft gelebt, daß ist das eigentliche was sie geltend macht, dazu geht Friedrich sehr gut gekleidet, wie sie innerlich leben, darum bekümmert sich gewiß keiner und das macht keinen Eindruck, und Friedrich als Gelehrten kann es gar nicht schaden. Der Tisch ist das einzige was kosten macht weil sie sich auswärts speisen müssen, es macht den Tag 12 Groschen für sie, bis Ostern wäre das ja allenfals auch noch zu ersetzen, und von da an konnte man ihn nun nicht länger die Frau abnehmen. Die übrigen Depensen werden ziemlich einerley seyn. Wirklich liebster Wilhelm Du hast Dir die Schwierigkeiten vergrößert, und viel rechtlicher tritt mein Bruder als ein verheyratheter Mann auf, da er seine Frau bey sich hat, glaube mir es giebt der Neugierde zuviel zu thun, wenn so etwas räthzelhaftes in den Verhältnissen ist, ich sehe es an der Art wie man Tieks Reise nach München und Wien betrachtet. Friedrichs Aufenthalt in Wien ist ja auch nicht mehr als Reise zu betrachten, er hat ja keine Heymath mehr und wenn auch aus der Vorlesung nichts werden sollte, welches ich aber nicht fürchte, so finde ich doch keine beßre Heymath für ihn als das Oesterreichische. Du mußt auch nicht glauben, daß es hier wohlfeiler ist als in Wien. Das mein Bruder bey dem Prinzen Johann vorgestellt ist wirst Du schon wißen, letzterer ist ausgezeichnet gnädig und zuvorkom[6]mend gegen ihn gewesen. Jetzt wenn Du diesen Brief bekömst mußt Du es schon wißen ob die Vorlesung zu Stande komt, sollt es ja unglücklicher Weise nicht seyn, so sey Du der liebevolle und tröstende Freund, sie bedürfen es alsdenn gewiß, sie müßen sich alsdenn ermannen und in Thätigkeit setzen, sie sind ja beide in ihren besten Kräften. Schreibe mir ja bald wieder, denn ich bin unruhig über Deine Gesinnungen, hätte ich doch die nöthige Beredsamkeit gehabt Dich zu überzeugen! die scheint mir aber grade heute zu fehlen es drängt sich zu viel in einem Briefe was ich zu sagen hätte, man sollte sich sprechen können. Noch eins möchte ich Dir über Friedrichs Verhältniß mit seiner Frau sagen, eine Ehe wo die Frau soviel älter ist, wo keine Kinder sind muß viel schonender von außen her behandelt werden weil das Band lockerer ist. Friedrich empfindet gewiß nichts mehr für seine Frau als die innigste Freundschaft, Dankbarkeit und Rückerinnerung der ehemaligen Leidenschaft, dieß sind freylich die schönsten Bänder, aber nimm dagegen daß es Friedrich gewiß beschwerlich ist, da er sich so ungern einschränkt, daß er nun für zwey Menschen sorgen und arbeiten soll, daß er es gewiß bey seinem Hange zur Sinnlichkeit oft fühlt daß seine Frau alt ist, sollen wir nun nicht befürchten daß es ihm almählich behaglicher wird als garçon zu leben, denke wenn dieses Band endlich selbst einmal darunter leiden sollte? wenn wir durch unsern zu dringenden Rath dazu Anlaß gegeben hätten, wie würden wir uns selbst nicht Vorwürfe machen, und wie [7] würden wir ihr das Glück ersetzen können, um das sie gebracht wäre. Das schlimmste will ich aber noch gar nicht nehmen, daß bleibt doch aber gewiß sie entwöhnten sich beide immer mehr von den Ungemächlichkeiten mit welchen ihr beysammen seyn nothwendig verknüpft seyn muß, und es würde mit jedem Monath erschwert sie wieder zusammen zu bringen. – Daß Dir es Aufopferungen gekostet so viel für sie zu thun habe ich ihnen nicht verhalten, ich habe es ihnen gesagt, daß Du Dir deswegen kein Pferd gehalten, es scheint sie zu schmerzen aber es hilft nichts, sie müssen es wißen daß ihnen ihre Freunde kein Geld geben können, ohne dasselbe dafür zu entbehren, was sie sich nicht zu versagen im Stande sind. – Es ist mir sehr lieb daß die Aerzte Friedrichen die hitzigen Getränke untersagt, wenn er es nur hält, es ist leider kostspillich und macht ihn träge zur Arbeit; ich habe es gleich hier gesagt Friedrich muß frugal essen, wenig Wein trinken, viel spatzieren laufen, freylich alles Dinge die ihm nicht recht gefallen. –
Alles übrige was Du mir von Dir selbst schreibst macht mir innige Freude. Daß Du diesen Sommer so fleißig warst wie schön! wie freue ich mich auf Deine Vorlesungen deren Andenken noch immer in Wien fortlebt! über Deinen Schakespear! die jetzt heraus gekommnen [Gedichte] weiß ich beynahe auswendig. – Daß nur eine schöne ähnliche Büste von Dir da ist! Auch selbst daß freut mich daß Du an Werner Gefallen gefunden, ich kann es nun einmal nicht läugnen die Söhne des Thales hat mich interressirt. Ich habe zwar nachgegeben, und geglaubt daß mein Geschmack der unrichtige seyn müße, weil sich alles vereint hat ihn zu tadeln, namentlich Müller bey seinen Vorlesungen, Riquet, ich dächte auch Friedrich, doch weiß ich dieß nicht gewiß, daß es mir eine wahre Freude ist daß Du ihn nicht ganz verwirfst. Er hat [8] für mich so etwas lebendiges, Seelen aufrührendes, und sein unverständlich Mystisches wird mir nicht peinlich. Dein letztes Stückchen Brief daß Ernsten betrift habe ich abgeschnitten und nach Warschau geschikt es wird meinem Manne viel Vergnügen machen. Besonders konnte ich ihm die Freude nicht vorenthalten, mit der Frau v. Stael ihrer eignen Hand, die Worte mon loyal epoux von ihr zu sehen. Er ist dieses aber auch in dem aller vollsten Sinne. – Sage dieser vortreflichen Dame wie sehr ich den Werth empfinde, ihren Beyfall zu verdienen, es würde mich glücklich machen sie wieder zu sehen. ich sagte ihr dieses so gern selbst, aber ich fürchte mich vor solch einer vollkommnen Feder mit meinem ungeübten Französisch aufzutreten. Nun schreibe mir bald bester Wilhelm, und beruhige mich darüber, daß mein erster Brief nicht etwan Oehl ins Feuer gegoßen. Aber es gieng mir wie Dir, man möchte mannigmal vor Ungeduld drein springen daß sie sich nicht so helfen lassen wollen, wie man wünschte. Laß mich immer hören daß Du glücklich bist, Deine schöne Seele verdient es und sie führt den Schatz mit sich, der ihr dieses geben kann, daß Glück das von innen heraus komt, ist ja das einzige rechte, es strömt von da über auf die äußern Gegenstände, laß es Dir durch nichts trüben, diese schöne Quelle, denke an dem Tage wo Du bey mir zu brachtest, den einzigen Tag den ich seit so langer Zeit vertraulich mit Dir verlebte. – Auf der Frau v. Stael ihr Werk freue ich mich schon im voraus; wie vereint doch diese Dame, so viel Zerstreuung und so viel Thätigkeit!
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