Das Schicksahl der geflüchteten theilen, wenn man frei ist; und zugleich alle Nachricht der fernen Freunde entbehren dieß erregt wahrlich eigne Empfindungen mein Edler Freund und diese – ist dennoch jetzt unser Loos. Schon waren wir entschlossen das was über das geliebte W[ien] verhängt sein konnte zu theilen, wir hatten die Vorstadt verlassen, eine reizende Wohnung im Schlosse zu Schönnbrunn aufgegeben und ein Hauß was wir sicher glaubten in der Stadt bezogen wo wir hoften den Sommer zuzubringen als uns daß Loos der übrigen Fremden traf am 9t Mai unsere Pässe zu bekommen. Wir reiseten am 10t früh hieher, da B[ertheau] [2] unerwartet noch ein wichtiges Geschäft in W[ien] übernehmen muste war seine Anwesenheit dort unumgänglich nothwendig – wir schmeichelten uns die bange Lage jener bis dahin so glücklichen Stadt würde sich bald ändern, und sehen bis jetzt, nach einem 6wöchigen Aufenthalt hier, von einem Tage zum andern vergeblich jener Befreyung entgegen. Wir wissen hier nichts weiter als was Sie dort aus den Berliner Zeitungen am deutlichsten, und wie ich höre am authentischesten über die großen Begebenheiten erfahren können. 8000 Verwundete sind hier eingeführt o wie sehr ist dieser Augenblick [3] gemacht zur Dankbarkeit zu veranlassen wenn man auch nur des einzigen Vorzugs der Gesundheit zu erfreun sich hätte da es kaum möglich ist, einen Schritt zu machen, ohne einen Leidenden, Verstümmelten zu begegnen. Stündlich sehnʼ ich mich nach den göttlichen Fluren die Sie bewohnen – und noch immer gebʼ ich die schöne Hofnung nicht auf, Sie vor meiner Rückkehr nach H[amburg] zu sehen. Die Hofnung ist freilich eine oft täuschende Gefährtin, sie tröstet und belebt indessen so lange wir fähig sind sie zu fesseln. Von der hiesigen Welt sehen wir fast niemand, ein kleiner Cirkel unser[er] W[iene]r Bekandte[n] versammelt sich dagegen oft bei uns, und da [4] wir gleiches Schicksahl theilen liegt darin wenigstens etwas Tröstendes. Den Fürst Croy haben Sie wohl nicht mehr in W[ien] kennen gelernt, wahrscheinlich aber den Graf Düben (bisherigen schwedischen Gesandten) dessen Gemahlin ich wenigstens bei Fr[au] v. St[aël] gesehen.
Auch die Polnische Familie Rschewusky ist hier, und Baron Grovenstein der bei der Landwehr war, dieser konnte die fatigue nicht ertragen, und ist in den 3 Monathen um 10 Jahre älter geworden, jener Graf R[zewusky] ist blessirt – er ist noch ein junger Mann (24 Jahr alt) mit einer Prinzessin Lubomirsky verheirathet – der ausgezeichnete militärische Disposition hat, und zur armée zurückgeht so bald [5] er nur immer wird hergestellt sein. Die erste Person älterer Bekandschaft die ich hier sah war – der Bruder meines verehrtesten Freundes – er begegnete uns in der Gasse und sah sehr wohl aus, wir baten ihn uns die Freude zu machen zu uns zu kommen, er versprach es, kam aber nicht. Montag sind 6 Wochen verflossen seit der furchtbaren Schlacht bei Aspern desgleichen kein Krieger sich erinert, da das schreckliche Gefecht 5 Tage dauerte ich habe auf der hiesigen Festung 900 von den Fr[anzösischen] Cürassen gesehen worin die sogenanten geharnischten Männer fechten [6] jene sind nicht so schwer wie die Österreichischen – die glänzende Farbe des stark polirten Blechs macht wohl den imposanten Anblick, vorzüglich im Sonnenglanz; einige von diesen Cürassen hatten aber bis zu einem Dutzend Säbelhiebe – die Wuth mit der gefochten wurde, läst sich allein danach berechnen überhaupt soll der Geist der Armee göttlich sein – wenn man anders bei so grausenden Dingen dieses Ausdrucks sich bedienen kann!
B[aron] Steigentesch ist mit einer Mission nach Königsberg gegangen. Graf Grün[n]e ist ebenfalls hier, blessirt, und zum General avancirt. [7] Andréossy der als Generalgouverneur nach W[ien] kam, soll zum Marschal ernant, und wieder bei der Armee sein.
Zehnmal habʼ ich wenigstens seit meinem Hiersein bloß deshalb die Charte zur Hand genommen ob nicht ein Weg nach der so theuren Schweiz ofen der uns nicht zu weit von H[amburg] entfernt aber – keine ähnliche Spur. B[ertheau] muß zudem durchaus nach W[ien] zurück also wissen die Götter wann wie und ob der liebste meiner Wünsche erfüllt [wird] – ich mögte mein ganzes Gebet oft an die Hofnung richten, damit nur diese nicht schwindet. Das Bild m[eines] Fr[eun]ds diesen unschäzbaren Gefährten – hattʼ ich an Fischer gegeben wie ich es schrieb auch hattʼ [8] [ich] ihm die köstlichsten aller Gedichte vertrauet, und als ich in dem Augenblick der unerwarteten Abreise zu ihm schickte, war er nicht zu Hause; so habʼ ich ohne beides abreisen müssen – kein Brief ist von dieser Seite nach W[ien] zu bringen, und Antwort noch um vieles schwerer zu bekommen o wie viel Geduld wird noch zu üben seyn!
Kurz zuvor eh ich W[ien] verließ sagte mir die Fürstin Schwarzenberg Fr[au] v. S[taël] habe ihr geschrieben daß sie wahrscheinlich nach – Amerika ginge – ist dieses Ernst? und wird m[ein] Th[eurer] Fr[eund] sie begleiten? Die Wirkung dieses Gedankens vermag ich nicht darzustellen.
Der Erinnerung der liebenswürdigen Baronin wünsch ich angelegentlich [9] empfolen zu seyn. H[arriott] spricht noch immer von der heitern so viel versprechenden Albertine jetzt würde sie auch in der Englischen Sprache sich mit ihr unterhalten können; sie arbeitet recht fleissig und findet nichts intéressanter, als aus dem Shakespear zu übersetzen, wenn es ihr gleich noch viele Mühe macht – ich habe ihn ihr vorerst mit dem Robinson vertauscht, halten Sie dieses nicht [für] zweckmäßiger? Wir sind so glücklich eine trefliche Engländerin um uns zu haben, und so wird fast immer Englisch gesprochen; jene ist eine Frau von seltener Erfahrung, sie war in Petersburg verheirathet hielt sich wieder in Pohlen in England und Deutschland auf ist als bonne [10] engagirt, ist aber weit mehr, und mir eine sehr angenehme Gefährtinn. Das, wovon ich zuerst hätte Erwähnung machen sollen erst jetzt zu benennen würdʼ ich mir nimmer vergeben wenn Sie es nicht längst wüsten daß Ihnen gegenüber der Strom der Gedanken und Empfindungen mich fortreist ohne ordnen zu können – o Sie wissen auch das längst: daß nichts mir erwünschter sein konnte, als der Gedanke: Ihre Vorlesungen zu bekommen. Da es so sehr ungewiß ist, wann W[ien] wird geöfnet werden, so bitt ich innig hieher jenes köstliche Werk zu adressiren an HE Johann Herring Kaufmann. Auf jeden Fall bekom ich es dann sicher. Hättʼ ich nicht wie gesagt von einem Tage zum andern gehoft nach W[ien] zurückzukehren o wie lange hätten Sie dann meine Adresse bekommen. Bereiten Sie mir den Trost bald recht bald von Ihnen zu hören, nur dadurch wird in etwas getröstet und erheitert werden th[eurer] Freund Ihre unwandelbar ergebene
M[inna]
Durch das 7stündige bombardement von W[ien] sind nur 3 Häuser beschädigt.
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