• Amalie Wolper to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Harburg, Elbe · Place of Destination: Bonn · Date: 21.02.1842
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Amalie Wolper
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Harburg, Elbe
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 21.02.1842
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34336
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.29,Nr.70
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,9 x 13,8 cm
  • Incipit: „[1] Harburg d. 21sten Febr.
    1842.
    Geliebter Oheim!
    Nachdem ungefähr ein Vierteljahr verflossen ist, seit ich Ihnen zuletzt schrieb, erlaube ich mir, Ihnen [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Varwig, Olivia
  • Zeil, Sophia
[1] Harburg d. 21sten Febr.
1842.
Geliebter Oheim!
Nachdem ungefähr ein Vierteljahr verflossen ist, seit ich Ihnen zuletzt schrieb, erlaube ich mir, Ihnen einmal wieder Kunde von uns Allen zu geben, in der Voraussetzung, daß Ihnen dieses nicht unangenehm und nicht ganz ohne Interesse für Sie ist. Sie, so wie auch Ihre Hausgenossen haben hoffentlich den Winter gesund verlebt und von dem häufigen und schnellen Wechsel der Temperatur keine nachtheilige Wirkung empfunden. Sollte sich in Ihrem vielbeschäftigten und vielbewegten Leben einmal eine Stunde der Muße finden und sie wollten dieselbe mir schenken, so würde eine Benachrichtigung von Ihrem Ergehen mich unendlich erfreuen und ich diese, als einen Beweis Ihres fortdauernden Wohlwollens mit innigem Dank erkennen.
Der Beginn des Winters brachte mir Sorgen und Bekümmernisse mannichfacher Art, doch gestal[2]tet sich jetzt das Meiste wieder freundlicher und ich wartete absichtlich so lange mit diesem Briefe, um Ihnen nicht immer unangenehme Nachrichten mittheilen zu müssen. Am 10ten Novbr. traf Hermann bei mir ein und ich konnte seine Rückkehr unter diesen Umständen nur als ein betrübendes Ereigniß betrachten. Ich überzeugte mich jedoch bald, daß er ungeachtet der harten und unwürdigen Behandlung, die er in Hannover erfahren, dennoch große Lust zum Buchhandel behalten hatte und dieses Fach allen andern, zu denen er sich sonst wohl eignete, vorzog. So schien es mir denn auch das Beste, nicht davon abzugehen, doch lag eine große Schwierigkeit darin, ihn bald und gut wieder unterzubringen. Unsägliche Mühe und Schreiberei hat es mir verursacht und ich fühlte dabei so recht schmerzlich, daß ich allein in der Welt stehe. Endlich gelang es mir durch die Vermittelung eines Freundes meines verstorbenen Mannes, den ich persönlich freilich gar nicht kenne, eine Stelle in der Herold- und Wahlstab-schen Buchhandlung zu Lüneburg für Herm: zu erhalten. Er ist zu Neujahr als Lehrling dort eingetreten und ich habe allen Grund, mir Glück dazu zu wünschen, da die Buchhandlung, wenn auch keine der bedeutendsten, doch als reel bekannt ist und die Familie selbst, als [3] wohldenkend und gebildet, allgemeiner Achtung genießt. Er ist dort im Hause, wofür ich eine Vergütung von jährlich 20 Louisd’or praenumerando zahlen muß. Für Wäsche, Kleidung, Privatunterricht in der englischen und französischen Sprache ect. muß ich natürlich noch außerdem selbst sorgen. Seine Briefe lauten recht heiter und zufrieden und Gott wird ja geben, daß es ferner dort gut geht.
Ungefähr in der Mitte November erkrankte meine gute Mutter und zwar so bedenklich, daß wir, selbst nach dem Ausspruch des Arztes, wenig Hoffnung zu ihrer Wiedergenesung hegen durften. Sie litt an einem heftigen rheumatischen Fieber und bekam dazu die Blasenkrankheit, einen schmerzhaften Ausschlag, wovon nur Personen höheren Alters befallen werden, der dann aber gewöhnlich tödtlich ist. Gott hat uns die gute Mutter jedoch noch erhalten, was fast als ein Wunder, mindestens als ein Beweis ihrer vortrefflichen Natur zu betrachten ist. Es währte freilich sehr, sehr lange, ehe sie sich etwas wieder erholte und die heftigen Schmerzen sie verließen, doch ist sie seit einigen Wochen wieder in einen erträglichern Zustand gekommen, wenn auch noch schwach und hinfällig und hoffentlich wird der herannahende Frühling auch nicht ganz ohne wohlthuenden Einfluß [4] auf ihr Befinden bleiben. Nahe ihrem 85sten Geburtstage kann man freilich nicht viel mehr erwarten. Es war und ist mir ein recht tröstliches Gefühl, bei ihr zu sein, wenn ich auch zu ihrer Pflege wenig beitragen kann, da sie sich sehr an ihre Mamsell gewöhnt, die seit beinahe 9 Jahren ihre treue Pflegerinn ist.
Meiner Schwester Gesundheitszustand ist zwar immer ein sehr trauriger und ich würde den Tod einer solchen Existenz vorziehen, doch hat derselbe sich im Laufe des Winters grade nicht verschlimmert und damit müssen wir schon zufrieden sein. Ihre Tochter Pauline hat sich, einige unbedeutende Erkältungen abgerechnet, in der letzten Zeit recht heraus gemacht und ist stärker und gesunder geworden.
Somit hätte ich Ihnen, geliebter Oheim, Alles von uns berichtet, was von einigem Belang ist. Recht begierig bin ich, zu erfahren, ob Augusta von Buttlar Sie in diesem Frühling besuchen wird. Auch wüßte ich so gern, ob Frau Augusti noch in Bonn ist, oder nach dem Tode ihres Mannes einen andern Aufenthaltsort gewählt hat.
Meine Mutter und Schwester haben mir viele freundliche Grüße für Sie aufgetragen, so wie sich auch Herm. Ihnen bestens empfiehlt.
Leben Sie recht wohl, [t]heurer Oheim, und erhalten Sie mir ein freundliches Andenken. Ihre Sie aufrichtig liebende Nichte
Amalie Wolper.
Ich bitte um herzliche Grüße an Mamsell Marie.
[1] Harburg d. 21sten Febr.
1842.
Geliebter Oheim!
Nachdem ungefähr ein Vierteljahr verflossen ist, seit ich Ihnen zuletzt schrieb, erlaube ich mir, Ihnen einmal wieder Kunde von uns Allen zu geben, in der Voraussetzung, daß Ihnen dieses nicht unangenehm und nicht ganz ohne Interesse für Sie ist. Sie, so wie auch Ihre Hausgenossen haben hoffentlich den Winter gesund verlebt und von dem häufigen und schnellen Wechsel der Temperatur keine nachtheilige Wirkung empfunden. Sollte sich in Ihrem vielbeschäftigten und vielbewegten Leben einmal eine Stunde der Muße finden und sie wollten dieselbe mir schenken, so würde eine Benachrichtigung von Ihrem Ergehen mich unendlich erfreuen und ich diese, als einen Beweis Ihres fortdauernden Wohlwollens mit innigem Dank erkennen.
Der Beginn des Winters brachte mir Sorgen und Bekümmernisse mannichfacher Art, doch gestal[2]tet sich jetzt das Meiste wieder freundlicher und ich wartete absichtlich so lange mit diesem Briefe, um Ihnen nicht immer unangenehme Nachrichten mittheilen zu müssen. Am 10ten Novbr. traf Hermann bei mir ein und ich konnte seine Rückkehr unter diesen Umständen nur als ein betrübendes Ereigniß betrachten. Ich überzeugte mich jedoch bald, daß er ungeachtet der harten und unwürdigen Behandlung, die er in Hannover erfahren, dennoch große Lust zum Buchhandel behalten hatte und dieses Fach allen andern, zu denen er sich sonst wohl eignete, vorzog. So schien es mir denn auch das Beste, nicht davon abzugehen, doch lag eine große Schwierigkeit darin, ihn bald und gut wieder unterzubringen. Unsägliche Mühe und Schreiberei hat es mir verursacht und ich fühlte dabei so recht schmerzlich, daß ich allein in der Welt stehe. Endlich gelang es mir durch die Vermittelung eines Freundes meines verstorbenen Mannes, den ich persönlich freilich gar nicht kenne, eine Stelle in der Herold- und Wahlstab-schen Buchhandlung zu Lüneburg für Herm: zu erhalten. Er ist zu Neujahr als Lehrling dort eingetreten und ich habe allen Grund, mir Glück dazu zu wünschen, da die Buchhandlung, wenn auch keine der bedeutendsten, doch als reel bekannt ist und die Familie selbst, als [3] wohldenkend und gebildet, allgemeiner Achtung genießt. Er ist dort im Hause, wofür ich eine Vergütung von jährlich 20 Louisd’or praenumerando zahlen muß. Für Wäsche, Kleidung, Privatunterricht in der englischen und französischen Sprache ect. muß ich natürlich noch außerdem selbst sorgen. Seine Briefe lauten recht heiter und zufrieden und Gott wird ja geben, daß es ferner dort gut geht.
Ungefähr in der Mitte November erkrankte meine gute Mutter und zwar so bedenklich, daß wir, selbst nach dem Ausspruch des Arztes, wenig Hoffnung zu ihrer Wiedergenesung hegen durften. Sie litt an einem heftigen rheumatischen Fieber und bekam dazu die Blasenkrankheit, einen schmerzhaften Ausschlag, wovon nur Personen höheren Alters befallen werden, der dann aber gewöhnlich tödtlich ist. Gott hat uns die gute Mutter jedoch noch erhalten, was fast als ein Wunder, mindestens als ein Beweis ihrer vortrefflichen Natur zu betrachten ist. Es währte freilich sehr, sehr lange, ehe sie sich etwas wieder erholte und die heftigen Schmerzen sie verließen, doch ist sie seit einigen Wochen wieder in einen erträglichern Zustand gekommen, wenn auch noch schwach und hinfällig und hoffentlich wird der herannahende Frühling auch nicht ganz ohne wohlthuenden Einfluß [4] auf ihr Befinden bleiben. Nahe ihrem 85sten Geburtstage kann man freilich nicht viel mehr erwarten. Es war und ist mir ein recht tröstliches Gefühl, bei ihr zu sein, wenn ich auch zu ihrer Pflege wenig beitragen kann, da sie sich sehr an ihre Mamsell gewöhnt, die seit beinahe 9 Jahren ihre treue Pflegerinn ist.
Meiner Schwester Gesundheitszustand ist zwar immer ein sehr trauriger und ich würde den Tod einer solchen Existenz vorziehen, doch hat derselbe sich im Laufe des Winters grade nicht verschlimmert und damit müssen wir schon zufrieden sein. Ihre Tochter Pauline hat sich, einige unbedeutende Erkältungen abgerechnet, in der letzten Zeit recht heraus gemacht und ist stärker und gesunder geworden.
Somit hätte ich Ihnen, geliebter Oheim, Alles von uns berichtet, was von einigem Belang ist. Recht begierig bin ich, zu erfahren, ob Augusta von Buttlar Sie in diesem Frühling besuchen wird. Auch wüßte ich so gern, ob Frau Augusti noch in Bonn ist, oder nach dem Tode ihres Mannes einen andern Aufenthaltsort gewählt hat.
Meine Mutter und Schwester haben mir viele freundliche Grüße für Sie aufgetragen, so wie sich auch Herm. Ihnen bestens empfiehlt.
Leben Sie recht wohl, [t]heurer Oheim, und erhalten Sie mir ein freundliches Andenken. Ihre Sie aufrichtig liebende Nichte
Amalie Wolper.
Ich bitte um herzliche Grüße an Mamsell Marie.
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