Dein Brief aus Venedig hat mir große Freude gemacht. Ich bin der Staël sehr dankbar für Ihre freundschaftliche Gesinnung; es soll mich sehr freuen wenn sie mir bald etwas Näheres von Ihren Planen schreibt; ich nehme Antheil daran, da auch ich lebhaft wünsche Euch wiederzusehn. Aber freilich hemmt mich meine Lage ganz ungemein. Der Plan zu einer Reise nach Deutschland ist wohl aufgegeben?
Ein Brief von mir an Dich vom 24ten Mai, nach Coppet geschickt, ist hoffʼ ich richtig angekommen, und du verzögerst die Antwort etwa nur darum, um mir wo möglich noch die Elegie zu meinem Allmanach zu schicken. Kommt sie noch in den nächsten 8–10 Tagen, so geht es eben noch an.
Herzlich danke ich Dir für die Nachrichten aller Art, die Du mir gegeben hast; auch die traurige Nachricht von der Mutter war mir noch neu, und ich habe auch seitdem von Charlotte keine Nachricht obgleich ich schon vor sehr lange an sie schrieb. – Auch von Tieck weiß ich nichts. – Ich lebe sehr einsam und bin sehr fleißig. Die Sachen aus Deutschland gelangen erst spät zu uns. Von Schiller ist ein vollendetes Drama, der Zug des Bakchus nach Indien, vorhanden, auch ein Fragment vom Attila hat sich in seinem Nachlaß gefunden. Ein gedrucktes kleines lyrisches Dramolett soll nur Gelegenheitsstück für die russische Princessin sein. – Fändest Du weder die Europa noch den Merlin in Coppet, so ists nicht meine Schuld; ich habe das meinige gethan, so wohl Mahlmann als Willmans sind Esel und betrügen mich in optima forma. Es bleibt denn nichts [übrig] als daß Du sie Dir durch einen Buchhändler [2] in Bern oder Zürich kommen ließest. – Mein Roland und die Trutznachtigall sind nun schon seit einigen Wochen abgesandt. Was den ersten betrift, bin ich dießmal recht wohl mit mir zufrieden; da es 15 Romanzen sind, von denen freilich keine so lang ist, als Tiecks berühmte lange, doch einige beinah so lang, so habʼ ich doch das Ganze (wo ich noch überdem kränklich war) in 16 Tagen fertig gemacht, und es hat wenigstens mich selbst sehr erfreut, so daß ich schon Muth und Lust hatte gleich an ein anderes grösseres heroisches Gedicht zu gehen – aber freilich sind jezt größtentheils ganz andre Arbeiten an der Tagesordnung; da ich mich sehr treu an die alte Geschichte gehalten und durchaus keine zärtlichen Verhältnisse darin angebracht habe, so wird es den Leuten vermuthlich wieder sehr greulich, mordlustig und blutgierig bedünken wie der Alarkos. – Ich freue mich sehr, daß die Sophie B.[ernhardi] die Geschichte von Florio behandeln will; da werde ich mich gewiß mit ihrer Poesie ganz wieder aussöhnen. Sei es episch oder dramatisch, genug wenn sie nur mit Treue und Demuth der alten Geschichte folgt. Wir brauchen ja gar keine neue Poesie zu machen, sie ist längst da, aber ans Licht sie zu ziehn und mit neuem Schmuck zu bekleiden ist Verdienst genug. – Du solltest nun auch wieder fleißig und muthig dichten; es ist doch das einzige was einem das Herz erfreut. Wohl hast du Recht mit [3] dem Epischen, wenn Du es so meinst, daß Dein Tristan die Krone Deiner Werke sein wird. Ist aber von angebohrner Neigung die Rede, so solltʼ ich denken, eine romantische Komödie müßte Dir außerordentlich wohl gelingen.
Suche ja Goetheʼs Buch über Winckelmann zu bekommen. Es ist sehr lustig und auch in seiner Art merkwürdig. Der alte Fratz hat sich darin ganz öffentlich zum Heidenthum bekannt; er hat sich noch nie so seiner innern Ruhlosigkeit überlassen. Er tritt aber schrecklich gepanzert auf; vorn die alte Herzogin, hinten der Wolf; ja selbst Schiller hat noch einen Nothpfennig über das Kunstideal gegen das Christenthum eingelegt, desgleichen Humbold ein ganz klein wenig Ruchlosigkeit, die es wenigstens sein soll. Eigentlich ist dieß Werk wohl die Rache für die damalige Satire gegen seine Weimarische Kunstschule; in dieser Beziehung mag ihn auch die Europa sehr verdrossen haben, wo jene Ketzereien über Mahlerei so stark gesagt sind. Doch sind nirgends auch nur entfernte eigentliche Anspielungen, bei allem Grimm den er gegen uns zu haben scheint. – Noch neuerlicher schrieb man mir, er sei sehr kränklich und nervenschwach. – Das Buch wird viel Aufsehn machen; Schelling wird sich nun ohne Zweifel wieder zum Heidenthum bekennen, und es construiren wie sich gebührt. – Die Deutsche Litteratur bekommt ja mehr und mehr einen etwas pöbelhaften Beischmack. – Von Ast, der in Landshut Professor geworden ist, fand ich eine Tragödie Krösus vor; das Studium [4] der alten Poesie sieht man wohl darin, ja auch poetisches Gefühl; es hat aber weder Nachdruck noch Tiefe. – Fichte ist wirklich in Erlangen als Professor. Von Schüz hatte ich einen freundschaftlichen Brief, der aber nichts Nachrichtliches enthält; er scheint glücklicher oder doch hoffnungsvoll zu sein.
Wenn die Humbolds gesagt haben, daß meine Wünsche hier mislungen sein, so haben sie Dir mehr gesagt als ich bis jezt weiß oder wissen kann; es ist vielmehr immer noch beim Alten, für mich persönlich spricht alles, auch soll etwas hier organisirt werden, nur ist freilich noch nicht bestimmt was, vielleicht nichts besonderes. Um jedoch zu erforschen, ob jener Sage nicht eine mir verborgne Wahrheit zum Grunde liegt, möchte ich wohl die Staël bitten, daß sie die Güte hätte, eine Zeile deshalb an Degerando oder noch besser an Arnoult zu schreiben, und sie en confidence zu fragen, ihr franchement zu sagen, ob aus dieser Sache etwas werden solle; sie könnte ja leicht der Sache die Wendung geben, als sei ihr selbst einigermaaßen daran gelegen dieß zu wissen für sich; doch das wird sie nach ihrer Feinheit schon wissen.
Meine Frau ließt fleißig im Calderon, arbeitet sogar wieder am Florentin, an dem sie aber keine rechte Freude mehr hat; desto mehr an der Trutznachtigall, ich hoffe Du wirst mit dieser Arbeit zufrieden sein, um so mehr da doch einige Lieder starker Milderung bedurften.
[5] Was Du mir von Deiner Reise schreibst, war mir sehr lieb. Auch ein schneller Durchflug muß doch köstlich sein durch das reiche Land. Was mich betrifft, so werde ich immer einseitiger, ich glaube außer den Manuscripten würden mich die Gothischen Kirchen in Italien am meisten interessiren. In Rom mag die römische Geschichte an Interesse gewinnen; an und für sich aber ist sie doch schon sehr französisch und etwas gemein, wenigstens gegen die Deutsche gehalten. – Daß Zoëga nicht an das Indische glauben will, kann ich nun wohl begreifen, da ich grade neulich eine koptische Grammatik durchstudirt habe, und darin unbezweifelte Beweise gefunden, daß das Aegyptische eine barbarische Sprache war, obgleich einige Worte aus dem edeln Stamm hineingekommen sein mögen. Dieß war ganz und gar gegen meine Erwartung, und die Indier sind um so mehr zu bewundern daß sie aus Barbaren eine solche Bildung haben machen können. Von daher kann also kein Verständniß aufgehen. Was schreibt Zoëga etwa noch? Hat er noch außer dem Obeliscus etwas geschrieben? – Dir scheinen die aegyptischen Sachen sehr gefallen zu haben; dafür hätte ich wohl mehr Sinn als für Griechische Rotunden. Goethe aber perhorrescirt alles Aegyptische wie alles Christliche. – Was die Amerikaner betrift, so foderst Du wohl mehr von dem guten Humboldchen als es leisten kann; in seinem Fache scheint er mir doch recht fleißig gearbeitet zu haben. – Ich kann Dir aber darüber wenigstens einigermaßen dienen, da ich ein anderthalb [6] Dutzend Sprachlehren und Wörterbücher, die er mitgebracht durchstudirt habe; daraus geht nun unwiedersprechlich hervor 1) Daß die Amerikaner, partielle kleine Einwanderungen nicht gerechnet, eine eigne Art und αυτοχϑωνες sind; ihre Sprachen sind grundverschieden von allem Bekannten auch tatarischen. 2) Ist die besondre Sprache der Inkas verlohren, wie Humboldt versichert, so mögen einige Indische Worte als Reste im Peruanischen, andre Analogien und die bestimmte Tradition einer Einwanderung fremder Herscher hinreichend sein anzunehmen, daß Peru eine Indische Kolonie war. 3) Ist endlich gegründet, was Humbold von Mexiko, sonst Atsland, und Cundinamarka sagt, so wäre dieß ein Deutsches d. h. skandinavisches Kaiserthum gewesen. – Daß die Skandinavischen Deutschen lange vor den gewöhnlichen Angeln in Island waren und von da nach Amerika gingen, war mir lange gewiß. – Doch sonst baue ich nicht sehr auf diesen dritten Satz, da er sich allein auf Humbolds Angaben stüzt. N° 1 ist gewiß, auf Beweise gegründet. N° 2 aber doch sehr wahrscheinlich.
Voß ist nach Heidelberg berufen, nachdem er die Stelle der Philologie in Würzburg ausgeschlagen. Man rühmt ihn überall in Deutschland und wohl zum Theil absichtlich; es ist eine förmliche [7] Conspiration gegen das Romantische. – Schiller ist secirt, und da hat man die erbärmlichsten Eingeweide gefunden; besonders das Herz war ganz zergangen und in Fasern aufgelößt, oder vielmehr eine Art harter petrifizirter Schwamm statt des Herzens. Einige Tage vor dem Tode war er nicht bei sich, wie er wieder zu sich kam, versicherte er die wichtigsten Offenbarungen gehabt zu haben, konnte sie aber nicht mehr sagen. Ich möchte dieß lieber wissen als seinen Bakchus; ich fürchte dieser Bakchus, wird uns mit vieler Moral beweisen, daß seine Trunkenheit doch nicht unmoralisch sei. Auf den Attila bin ich neugierig; er war doch wahrlich frech genug sich an die höchsten Gegenstände zu wagen.
Wolf macht sich sehr komisch in der Gesellschaft; ich meine in der heidnischen Conspiration. Er thut so, als hätte er auch was Kunstgefühl in die Nase gekriegt; wenn er aber recht zusieht, wird es wohl nur Schnupftabak gewesen sein.
Schelling vertheidigt sich ein langes und breites in den Zeitungen, man weiß nicht recht gegen wen, eigentlich doch gegen die bayrische Regierung die mehre Rescripte direkt und indirekt gegen die neue Philosophie hat ergehn lassen. Es scheint als ginge es in Bayern doch noch nicht recht.
[8] Noch möchtʼ ich Dich fragen ob es Dir nicht an der Zeit schiene, daß wir das Athenäum einmal wieder erscheinen liessen? – Doch würde ich es vielleicht nur unter einer Einschränkung eingehn können, meiner bürgerlichen Lage wegen.
Empfiehl mich aufs beste und angelegentlichste der Staël und schreibe mir bald. – Viele Grüße von meiner Frau.
Friedrich S.[chlegel]
Wie ist es mit den Manuscripten des Heldenbuchs? Du hast wohl gar nicht Zeit gehabt sie zu sehn.
Sollte es sich bestätigen, daß Jos.[eph Bonaparte] von Brüssel aus auch diese Departements gouverniren werde, so könnte vielleicht eine Empfehlung an ihn mir unendlich nützlich sein.
Von Novalis Schriften ist eine neue Auflage gemacht worden. Die erste war nur von 500 Exemplaren. – Reimer seufzt sehr nach Calderone. – Von einem Pellegrino sind Dramaʼs bei Lange in Berlin angekündigt; ich habe es aber noch nicht erfahren, ob es Dein Pellegrin ist.
Der Titel der neuen Bearbeitung von Spee ist mir bekannt; ich habe es aber noch nicht können habhaft werden.
Heute ist es so kalt hier, daß die Aebtissin hat einheizen lassen. – Aebtissin; nemlich wir wohnen in einer alten Abtei, wo sonst das Kapitol der Römer war, wo Caligula gebohren worden, Nero erzogen und Vitellius zum Kaiser gemacht. Dieses sind die ältesten berühmten Köllner.
[9] Den 16ten Jul.
So eben, da ich den meinigen absenden wollte, erhalte ich die eurigen, und füge noch einige Worte hinzu; denn eine nothwendige Arbeit zwingt mich, die Antwort auf den gütigen Brief der Staël der mich außerordentlich erfreut hat, noch aufzuschieben. Sag ihr ja meinen herzlichsten und wärmsten Dank. – Vielen Dank für die Nachricht von Tieck; ich habe ihm noch nach München geschrieben, der Himmel mag wissen, ob er es erhalten hat. Weißt Du seine Addresse, so theile sie mir ja mit. – Ich wünsche recht sehr zu wissen, wie lange die Staël bei P.[aris] zu wohnen denkt, ob nur einige Monate oder ob bis Ostern, und auch wo sie lebe und wie weit von P[aris]. Wenn dieses nämlich schon bestimmt sein kann; ich stehe jezt an einem sonderbaren Scheidewege meines Verhältnisses. Ich muß durchaus darauf denken, wenigstens auf eine Reihe Jahre eine sichre Lage und festes Gehalt zu haben, um wenigstens einige meiner Plane mit Ruhe ausführen zu können; und zwar bald, geht es hier nicht wie ich fürchte, so muß ichs anderswo versuchen, irgend ein rascher Entschluß muß bald gefaßt werden. Doch davon nächstens ausführlich, und gründlich.
Sehr gütig war es von der Staël bei Champ.[agny] und Degerando für mich zu sprechen, doch hebt es die im Brief gethane Bitte nicht auf; es liegt mir vor allem an einer aufrichtigen und genau wahrhaft bestimmten Angabe, ob und was ich zu erwarten habe. Das Geheimniß soll sicher bewahrt werden. Wenn bei dem was Degerando Dir gesagt hat, nicht etwas mir unbekanntes zum Grunde liegt, so ist er nicht gut unterrichtet; denn grade die jetzigen Administratoren sind sehr schlecht und sind grade die welche alles aufbieten, daß das Ganze eine gemeine kleine Klippschule unter ihrer Aufsicht werden soll, damit sie desto mehr Vortheil schneiden können. – Wenn Du glaubst, der Spee bedürfe [10] keiner Milderungen, so hast [Du] ihn doch wohl nicht ganz gelesen, oder nicht mit der bestimmt darauf gerichteten Aufmerksamkeit, wie bei unsrer Absicht. In einem sonst göttlichen Lied auf die Magdalena, das nur auch um ein 100 Strophen zu lang steht da neben dem schönsten – Was Jubel mancher Sorten, – O du bester, Kreuzbeläster, – Im süßen Tod entwallet, – O weh der schwachen Morgen! – für ihn stand er auf Beinen, – O herzbrechend Spectakul – und was der Sachen mehr sind; in einem herrlichen Kriegsliede auf den Xaverius ist nach den erhabensten Versen gleich wieder die Rede von Büchsen und Pistolen und andre Soldatenausdrücke. Doch Du wirst ja sehen. – Für die Autos von Calderone dankt Dir meine Frau aufs schönste; Du weißt aber vielleicht nicht, daß ich sie auch habe, und so könntest Du das Geschenk doch wohl besser anwenden. Henriette, die ich in Paris viel sah, ist durch Deinen Calderone so entzückt worden, daß sie augenblicklich einen Lehrmeister angenommen, spanisch gelernt, den Don Quixote gelesen hat, und nun alles von Calderone haben und lesen will.
Vielen Dank für die schönen Distichen; aber jammervoll ists daß ich die Elegie nicht erhalte. Ob ich nun jene nehmen soll weiß ich nicht recht, unsre Freunde und auch das Publikum werden auf das erste Wort von Dir aus Italien begierig sein, und das muß doch wohl die Elegie bleiben. Schreib nur recht bald. Daß wir wohl wären, kann ich nicht sagen; meine Frau ist es eigentlich nie, Philipp braucht eine große mühsame und kostbare Kur und auch ich bin weniger wohl als gewöhnlich. – Schreibe mir nur gleich wieder, damit wir im Zuge bleiben.
Friedrich.
Den Merlin und die Europa laß Dir nur von Bern oder Zürich kommen; ich weiß mir nicht mehr zu helfen, habe es wohl hundertmal erinnert. Sowohl Mahlmann als Willmans sind Spitzbuben und Esel obendrein.