Verzeihen Sie mein langes Stillschweigen, werthester Freund. Da Sie mich auf das Januar Stück des Archivs aufmerksam machten, wollte ich dieß zuvor lesen; es verzögerte grade sehr lange bis wir es erhalten konnten, wir haben dafür Ihren Aufsatz alle mit doppeltem Vergnügen gelesen. Sie haben in der That eine vortreffliche Manier solche Subjekte wie Jenisch und Merkel zu behandeln, und sind ihnen eine wahre Geißel Gottes. Sie machen sich dadurch auch sehr um das gemeine Wesen verdient, da so etwas einen ganz andern Eindruck macht wenn es von jemand kommt, gegen den diese Menschenkinder noch nicht öffentlich gelästert haben. In Ansehung Voßens sind wir recht zusammengetroffen. Melden Sie mir doch wie Ihnen der Wettgesang und das Sonett gefallen hat, ich wünsche mir für diese Dinge den Beyfall der Kenner.
Immer muß ich dabey bleiben, daß ich Ihren kritischen Witz und Talent dem Archiv nicht sonderlich gönnen kann, Schleiermacher hat Ihnen vielleicht schon davon gesagt, daß ich mir mit der Hoffnung schmeichle, daß Sie sie bald in gemeinschaftlicher Wirksamkeit mit uns ausüben werden.
[2] Zu großem Misbehagen höre ich, daß durch Schuld des Verlegers Ihre Sprachlehre, auf die ich sehr begierig bin, noch nicht so bald erscheint. Das sind nun so von den Schriftsteller-Verdrießlichkeiten, die man oft erfahren muß. Indessen bleibt mir dieß Gewerbe doch von allen das liebste.
Sie erhalten hier meine Gedichte. Sie werden sehen daß ich wenigstens sehr fleißig gewesen bin, über ein Drittel der ganzen Sammlung ist seit vorigen Sommer entstanden. Möchte Ihnen einiges darin gefallen. Tieck hätte wohl Lust darüber etwas im Archiv in Ihrem Literatur Artikel zu sagen. Wenn Ihnen das gelegen käme, so melden Sie mir auf wie weit hinaus Sie den Artikel schon angefüllt haben. Ich kann alsdann Tieck hier nach Befinden der Umstände dazu mahnen und treiben. Denn freylich halten bey ihm solche Vorsätze nicht immer Stich. – Er läßt bestens grüßen, ist aber übrigens von Ihren Briefen nicht ganz befriedigt. Er wünscht öftere und nähere Nachrichten, Sie möchten ihm doch auch Ihre jetzige Addresse melden. Mit seiner Gesundheit geht es wieder recht gut. – In meinem [Hause] herrscht, wie sie wissen, seit [3] sechs Wochen das Krankseyn: meine Frau hat ein schlimmes Nervenfieber gehabt und ihre Genesung geht nur langsam vorwärts. Ich bin gesund, auch mein Bruder und Mad. Veit haben sich meistens leidlich wohl befunden. – Friedrich arbeitet fleißig an der Fortsetzung der Lucinde.
Melden Sie mir doch ja was Sie von der Wirkung des letzten Athenäum Stücks erfahren.
Ich bin begierig ob Ihnen die Redaktoren der ALZ noch eine Schrift meines Bruders zu recensiren gegeben haben. Vermuthlich sind sie jetzt wieder sehr böse auf ihn.
Empfehlen Sie mich bestens Ihrer Frau Gemahlin, und leben Sie recht wohl.
Ihr
A. W. Schlegel
[4] [Adresse:] An Herrn Bernhardi in Berlin